Luisa Ellermeier

„Kiel ist eine hübsche Stadt, aber erst, als wir nach Bielefeld gezogen sind – mein Mann stammt aus der Region – bin ich wirklich in Deutschland angekommen“, erzählt Luisa Ellermeier. Sie fühlte sich sofort heimisch. Nicht zuletzt, weil sie an der Uni Bielefeld, wo sie heute als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft arbeitet, einen Studienplatz fand, Bielefeld als offen und tolerant erlebte und mit Menschen aus unterschiedlichsten Nationen Kontakte knüpfte.

In Kiel hatte ich immer das Gefühl, dass mich die Leute komisch angucken“, sagt die 40-Jährige. „Das war in Bielefeld ganz anders.“ An der Uni Bielefeld studierte Luisa Ellermeier, die in Peru bereits ihren Master in Sozialpsychologie abgeschlossen hatte, noch einmal Interamerikanische Studien. „Mit der Entscheidung in Deutschland zu leben, stand für mich von Anfang an auch fest, dass ich hier arbeiten und Karriere machen möchte.“ Durch ihr makelloses Spanisch fand sie zudem nach kurzer Zeit einen Job als studentische Hilfskraft an der Uni.

„Die Frustration am Anfang war allerdings groß“, resümiert sie mit Blick auf ihren Start im fremden Umfeld. Sie war 26, als sie der Liebe wegen Peru verließ. Fast zwei Jahre hatte sie mit ihrem heutigen Mann eine Fernbeziehung geführt. „Die Sprache unserer Beziehung war englisch. Da auch alle Verwandten englisch sprachen, dachte ich zunächst eine Sozialisierung wäre, ohne Deutsch zu sprechen möglich.“ Um sich vorzubereiten, belegte sie in ihrer Heimatstadt Lima dennoch einen Deutsch-Kurs beim Goethe Institut. Ihr B2-Zertifikat machte sie dann in Kiel. „Das Schwerste, was ich im Leben lernen musste, war Deutsch. Und da ich mich anfangs nicht traute, zu sprechen, war es natürlich auch schwer, beruflich Fuß zu fassen. In Kiel bin ich damals von Sozialorganisation zu Sozialorganisation, bis ich schließlich beim Integrationsrat als Praktikantin arbeiten konnte.“ 14 Jahre lebt sie inzwischen in Deutschland. Die sprachlichen Barrieren sind längst überwunden. „Ich fühle mich als Bielefelderin“, so Luisa Ellermeier, die einen differenzierten Blick auf die Gesellschaft hat, weder ihre alte noch ihr neue Heimat verklärt und um die Unterschiede weiß. Sie schätzt die gesellschaftlichen Grundwerte, Gerechtigkeit und die bunte Gesellschaft in Deutschland. „In der Uni-Kita gab es ein lesbisches Paar mit Kind – das ist doch eine tolle Realität. In Peru gibt es viel Homophobie, Machismus und Kinder haben keine Chance auf gleiche Bildung. Zwar gibt es auch hier noch viel zu tun, aber es ist tausend Mal besser“, so die Mutter einer neunjährigen Tochter. Sie selbst besuchte in Lima eine zweisprachige Schule und studierte schließlich an einer privaten Universität. „Das war ein Privileg, meine Eltern konnten mir und meinen Geschwistern das ermöglichen“, erklärt sie. „Wir hatten zuhause eine Haushälterin und ich wusste früher nicht, wie eine Waschmaschine funktioniert.“ Für ihre Tochter wollte sie mehr soziales Miteinander.

Mit Klischees muss sie sich allerdings immer mal wieder auseinandersetzen. „Viele Leute glauben, alle Lateinamerikaner könnten extrem gut tanzen. „Ich kann es nicht“, sagt sie mit einem Lachen. Auch die damit assoziierte Körperlichkeit ist ein Stereotyp, dass ihr wiederholt begegnet. „Die Hyper-Sexualisierung lateinamerikanischer Frauen ist latent existent“, erklärt die 40-Jährige. Ebenso die Annahme, dass ihr Mann um ein Vielfaches älter sein müsse als sie. „Dahinter steckt der Gedanke, dass hinter unserer Verbindung eine Zweck-Heirat steckt, um der Armut Lateinamerikas zu entkommen. Das finde ich wirklich traurig“, so Luisa Ellermeier. Sie hat sich in ihrer neuen Heimat ein Netzwerk aufgebaut und Menschen mit den unterschiedlichsten Wurzeln kennengelernt, die sie mag. „Rassismus nimmt Menschen ihre Individualität. Mir ist es wichtig, als Mensch ernst genommen zu werden, eine Chance zu bekommen und auf Offenheit zu stoßen“, betont sie.