Take nothing but photos – leave nothing but footprints. Die Bitte nichts – abgesehen von Fotos mitzunehmen und lediglich Fußabdrücke zu hinterlassen – findet sich auf unzähligen Hinweisschildern in Nationalparks und anderswo auf der Welt. Leider verursacht das Reisen meist mehr als nur einen Fußabdruck bei Wanderungen in fernen Ländern. Angefangen bei der Anreise. Nachhaltiges Reisen beschäftigt auch die Bielefelder Reisefachleute – und das bereits seit vielen Jahren. Wir haben mit Karola Krohne vom Reisebüro Kleine Fluchten, mit Burkhard Schmidt-Schönfeldt vom Reiseveranstalter ruf Jugendreisen und Wayan Rump vom Reisebuchverlag Reise Know-How über das komplexe Thema ,,Nachhaltiges Reisen“ gesprochen.

„Ich würde mir wünschen, dass die Menschen länger reisen“, sagt Karola Krohne vom Reisebüro Kleine Fluchten und hat dabei die 2-Tages-Trips in europäische Städte per Flugzeug vor Augen. „Auch Mediziner plädieren für einen Urlaub von drei Wochen am Stück, weil der Erholungseffekt erst dann vollständig eintritt.“ Denn auch Reisevorbereitungen bedeuten Stress. Und wer länger bleibt, ist länger fit. Nach Meinung der erfahrenen Reisefachfrau ist der Billig-Tourismus der Tod für die Nachhaltigkeit. „Gerade auch die Pandemie hat uns gezeigt, dass wir etwas und dass wir vor allem unser Verhalten ändern müssen. Die ,Geiz ist geil‘-Mentalität wird zwar nicht mehr so benannt, aber weiterhin praktiziert. Es ist vergleichbar mit dem Thema Ernährung: Wir müssen uns daran gewöhnen, dass wir für das Fliegen und für den Urlaub mehr bezahlen müssen. Die Fortbewegung ist dabei ein Dreh- und Angelpunkt. Außerdem ist die Frage, ob wir den Perfektionismus oder auch das Überangebot während der Reise wirklich brauchen.“ Einen Vorschlag dazu hat Karola Krohne bereits bei einem Futouris-Treffen mit Blick auf die überdimensionierte Verpflegung an Bord gemacht: Warum nicht einfach mal ein Konzept für eine Kreuzfahrt mit FDH-Diät entwickeln?

„Schon jetzt sind über 90 Prozent unserer Angebote klimafreundliche Busreisen, den geringen Fluganteil werden wir nicht steigern.“

Burkhard Schmidt-Schönefeldt

Weniger ist oft mehr

Seit Jahren engagiert sich Kleine Fluchten bereits bei der Nachhaltigkeitsinitiative Futouris, die Urlaubsländer bewahren und die Reisebranche zukunftsfähig gestalten möchte und sich weltweit für die Verbesserung der Lebensverhältnisse, den Erhalt der biologischen Vielfalt und den Umwelt- und Klimaschutz einsetzt. „Vor rund 15 Jahren gab es den Begriff Nachhaltigkeit noch gar nicht. Da war eher von einem sanften Tourismus die Rede, mit dem wir uns schon immer intensiv beschäftigt haben“, sagt Karola Krohne vom 1983 gegründeten Reisebüro Kleine Fluchten. Individuelles Reisen – im Gegensatz zum pauschalen Massentourismus – beinhaltet viele Nachhaltigkeitsaspekte, wenn Nachhaltigkeit nicht „nur“ im ökologischen Sinne verstanden wird, sondern auch die Lebenssituation der Einheimischen in den Destinationen berücksichtigt. „Es gab und gibt aufgrund politischer Hintergründe bestimmte Länder, in die wir unsere Kunden nicht so gern schicken. Es sei denn, es ist deren ausdrücklicher Wunsch“, berichtet die Geschäftsführerin.„Wir haben uns vor etlichen Jahren selbst hinterfragt und dazu ein Leitbild entwickelt. Wie arbeiten wir hier vor Ort miteinander und welche Reisen möchten wir als unabhängiges Reisebüro anbieten?“ 2011 hat Kleine Fluchten am TourCert Pilot-Projekt für Reisebüros teilgenommen und als eines von acht Reisebüros in Deutschland das CSR-Zertifikat erhalten.

Nachhaltig reisen ist eine Frage der Verantwortung

Das gesamte Team von Kleine Fluchten beschäftigt sich intensiv mit den angebotenen Reisen. Veranstalter werden überprüft und nach Möglichkeit auch die Gegebenheiten vor Ort. „Wir haben den großen Vorteil, dass wir unabhängig sind, das heißt, wir sind an keinen Veranstalter gebunden und können unsere Kunden neutral beraten.“

Einen direkten Einfluss auf Veranstalter oder Airlines hat das Reisebüro nicht. Aber darauf, was den Kunden bei der Beratung ans Herz gelegt wird. „Wir haben bei unseren verkauften Reisen im Jahr 2019 rund 25 Prozent nachhaltige Reisen erfasst. Für 2020 gibt es durch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einbrüche in der Reisebranche keine aussagekräftigen Zahlen. „Durch die Pandemie ist das Thema nachhaltiges Reisen scheinbar etwas in den Hintergrund gerutscht“, so Karola Krohne. „Corona kann auch als Ansporn wirken, der uns alle motiviert, nun tatsächlich etwas zu verändern. Aber das muss man auch wollen. An dieser Stelle sind auch die Entscheider gefragt.“ Kleine Fluchten unterstützt zwar den CO²-Ausgleich, der durch eine Flugreise entsteht, aber hier sieht Karola Krohne die Airlines in der Verantwortung, diese Kosten zu übernehmen. „Es müssten technische Entwicklungen vorangetrieben werden, um den Ausstoß deutlich zu reduzieren. Wir haben insgesamt noch einen weiten Weg vor uns.“


www.kleinefluchten-bielefeld.de

Das sieht Burkhard Schmidt-Schönefeldt, Geschäftsführer bei ruf Jugendreisen, ganz ähnlich. Obgleich Nachhaltigkeit seit Gründung des Unternehmens vor genau 40 Jahren schon immer auf der Agenda stand. „Das erklärt sich aus unserer Historie. ruf, das steht für Reisen und Freizeit mit jungen Leuten e.V. Der Verein wurde 1981 von Pädagogik-Studierenden gegründet, in einer Zeit, als u. a. das Waldsterben im Fokus stand. Als europäischer Marktführer für Jugendreisen übernehmen wir Verantwortung“, betont Burkhard Schmidt-Schönefeldt.

Teamer als Multiplikatoren

Die ruf Akademie ist heute Kern des Vereins Reisen und Freizeit mit jungen Leuten e. V. Hier bildet das Bielefelder Unternehmen seine Reiseleiter – die Teamer – selbst aus. Jedes Jahr sind rund 1.200 haupt- und ehrenamtliche Teamer weltweit im Einsatz. „Wir sensibilisieren während der Ausbildung für das Thema Nachhaltigkeit und versuchen, zu einem besseren Verständnis für andere Menschen und Kulturen beizutragen. Wir hoffen, dass wir dieses Bewusstsein über die Teamer in die Köpfe der Jugendlichen transportieren können“, sagt Burkhard Schmidt-Schönefeldt. Intensiv hat sich ruf mit An- und Abreise und dem damit verbundenen CO²-Ausstoß auseinandergesetzt, den das Unternehmen seit 2020 über KlimaInvest komplett kompensiert. „Schon jetzt sind über 90 Prozent unserer Angebote klimafreundliche Busreisen, den geringen Fluganteil werden wir nicht steigern. Außerdem haben wir bereits vor der Corona angefangen, unser Deutschlandprogramm auszubauen.“ Camping-Urlaube gehörten schon immer zum Portfolio des Reiseveranstalters. Der momentane Boom kommt ruf zugute. „Seit 30 Jahren unterhalten wir in Bielefeld ein eigenes Lager für unser Camping-Equipment, das wir regelmäßig warten und reparieren, um möglichst wenig wegzuwerfen. Auch das gehört zum nachhaltigen Wirtschaften.“

Einfluss vor Ort

In den Urlaubsdestinationen selbst sind die Möglichkeiten der Einflussnahme unterschiedlich. „Auf den eigenbewirtschafteten Campingplätzen können wir die Verpflegung, den Einkauf und die Materialien im nachhaltigen Sinne selbst bestimmen. Wenn wir allerdings lediglich irgendwo ein Kontingent an Hotelzimmern gebucht haben, hat das Grenzen. Deshalb bemühen wir uns, Anlagen exklusiv zu nutzen. Dann können wir auch steuern, wie beispielsweise die Ernährung aussieht. Wir verwenden fast ausschließlich regionale Produkte von regionalen Händlern und sparen somit lange Transportwege. Außerdem versuchen wir nach Möglichkeit, Plastik zu vermeiden“, berichtet der Geschäftsführer. Natürlich wird vor Ort der entstandene Müll ordnungsgemäß entsorgt wird. Schon seit den ersten Reisen gehören Aktionen wie „Save the beaches“ zum Programm. Nachhaltigkeit fängt übrigens direkt in Bielefeld an. Mit Unterstützung von Ökoprofit, ein Kooperationsprojekt mit der Stadt Bielefeld und den umliegenden Kommunen, will ruf seine internen Abläufe noch nachhaltiger gestalten. Dabei geht es um Energieeinsparung, Müllvermeidung und vieles mehr. „Es gibt immer wieder etwas zu verbessern. Damit ist man nie fertig“, stellt Burkhard Schmidt-Schönefeldt fest.

www.ruf.de

Nachhaltig Reisen? Anders Reisen!

Einer der neuesten Titel aus dem Bielefelder Reise KnowHow Verlag heißt „Anders Urlauben“ und trifft mit seinen alternativen Reiseideen für Deutschland, Österreich und die Schweiz den Nerv der Zeit. So wünscht der Autor Dirk Engelhardt in seinem Vorwort „Viel Spaß beim Reisen in der Nähe“. Kürzere Distanzen, besseres Klima. „Der Reiseführer ,Lieblingsstädte – Entspannte CityTrips in Deutschland, Österreich und der Schweiz‘ ist unser jüngstes Projekt, um unseren Lesern neue Ideen für ein nachhaltiges Reisen an die Hand zu geben“, sagt Geschäftsführer Wayan Rump. „Alle aufgeführten Städte sind per Zug erreichbar.“

Die Idee des sanften Tourismus wurde Wayan Rump praktisch in die Wiege gelegt. „Es geht darum, keine großen Spuren in dem Land zu hinterlassen, das man bereist. Denn wir sind dort zu Gast.“ Geboren wurde Wayan Rump zwar in Bielefeld, aufgewachsen ist er aber zum Teil auf Bali und auf mehrmonatigen Reisen mit seinen Eltern. Sein Vater, Peter Rump, hat vor 40 Jahren den ersten Reiseführer für Bali und Lombok als Globetrotter-Handbuch verfasst, das später der erste Reiseführer des Reise Know-How Verlags werden sollte. Auch hier standen bereits die Kultur, die Menschen und die Gesellschaft des Landes im Vordergrund und nicht die bloße Nennung von Sehenswürdigkeiten. „Was mein Vater damals intuitiv gemacht hat, das machen wir immer noch so. Das gehört zu unserer DNA“, berichtet der 29-Jährige, der im Januar die alleinige Geschäftsführung übernommen hat.

Gute Gäste sein

„Als Reisebuch-Verlag haben wir eine Verantwortung dafür, was wir den Lesern mit auf die Reise geben“, so Wayan Rump. Deshalb enthalten die Reisebücher des Verlags auch immer Hinweise darauf, was im Reiseland als absolut unhöflich gilt und wie man sich als Gast idealerweise verhält. „Dadurch, dass ich viel Zeit in Indonesien verbracht habe, weiß ich beispielsweise, dass man dort niemals einem anderen Menschen die Fußsohle entgegenstreckt.“ Daneben geben die Autoren zu den unterschiedlichen Destinationen Tipps, welche inhabergeführten Hotels und Restaurants empfehlenswert sind, weil beispielsweise regionale Nahrungsmittel verwendet werden. Oder welche Anbieter vor Ort umweltverträgliche Touren anbieten. „Unsere Autorinnen und Autoren sind Experten für ihr jeweiliges Gebiet und kennen sich vor Ort sehr gut aus, ihre Texte sind entsprechend individuell“, erklärt Wayan Rump. „Als Verlag achten wir jedoch darauf, dass bestimmte Aspekte – und zu diesen zählen Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein auf jeden Fall – und unsere Haltung zu diesen Themen in jedem unserer Reiseführer ausreichend berücksichtigt werden. Landkarten und Sprachreiseführer gehören ebenfalls zum Portfolio des Bielefelder Verlags. Die „Kauderwelsch“-Reihe ist übrigens die größte Sprachführer-Reihe weltweit. Sprache als Schlüssel zum Verständnis einer anderen Kultur.

Geheimtipps verraten?

Reiseführer sind zwar nicht die Initialzündung dafür, dass ein Land plötzlich einen Boom erlebt, aber es kann durchaus unerwünschte Folgen haben, wenn ein bislang wenig bereister Ort sehr enthusiastisch beschrieben wird. „So erging es meinem Vater mit einer der Gili-Inseln vor Lombok, die er wohl als erster in einem Reiseführer vorgestellt hat“, erinnert sich Wayan Rump. „Heute ist die ehemals abgeschiedene Insel nicht mehr wiederzuerkennen. Natürlich können wir den Menschen nicht vorschreiben, wohin sie reisen. Als Reiseführerverlag möchten wir aber einen Beitrag dazu leisten, dass sie möglichst schonend für Mensch und Umwelt in den Urlaubsländern unterwegs sind.“ Die Bücher des Bielefelder Reise Know-How Verlags sind zwar in der ganzen Welt unterwegs, gedruckt werden sie aber ganz regional – in Paderborn.

www.reise-know-how.de

Hier erfahrt ihr 5 Tipps zum nachhaltigen Reisen www.mein-bielefelder.de/magazin/nachhaltig-reisen-tipps/