Dagmar Selje

Puppenspielerin Dagmar Selje (Foto: Martin Speckmann)

Natürlich ist Bielefeld meine Heimat, in der Stadt gibt es viele charmante Ecken und Plätze, am meisten liebe ich die Burg und unseren Wald.

Meine erste Lieblingstheaterfigur war der kleine Prinz. Es folgten die kleine Hexe, Eddi, Flore, Pippi Langstrumpf, das Traumfresserchen, Drache Koks u.v.m. Heute habe ich viele davon schon wieder abgelegt und würde die Ophelia aus Ophelias Schattentheater von Michael Ende wählen Sie ist eine Souffleuse, die über 40 Jahre mit und im Theater gelebt hat und ihren Lebensabend mit Schatten verbringt. Im Dialog mit ihnen lässt sie Zitate der deutschen Literatur wieder aufleben. So wie meine Lieblingsfiguren kamen und gingen, so baut Ophelia persönlichen Bezug zu den Schattenfiguren in den Spielszenarien auf und am Ende ziehen sie vorbei.

Fröhliche, lachende Kinder, so was wünscht man sich vor der Puppenbühne. Das Puppenspiel hat für „Unterhaltung“ gesorgt. Allerdings verstehe ich meinen „Job“ viel umfassender. 1992, als meine Selbstständigkeit begann, war einer meiner Leitsätze: Puppenspiel ist Erleben pur. Zur Freude kommen für die Zuschauer ebenso Facetten wie Spannung, Neugier, Angst, Trauer dazu. Und bis zum heutigen Tage sind es noch mehr: Wissenswertes, Mut, Selbstreflektion, Streit, Zeit haben zum Beobachten und Entspannen, Loslösen aus dem Alltag usw.

Steckbrief: langnasig, gewitzt, wortgewandt, nah am Alltag von Menschen, ein Schelm, zeitlos, wertvoll, von Berufskollegen in den 80ern für tot erklärt – 2020 wiederauferstanden als immaterielles Kulturerbe der Unesco. Der Kasper, vom Jahrmarkt als traditionelle Handpuppe bekannt, sucht auch heute noch durch handfestes Spiel und direkten Dialog den Kontakt zum Publikum.

Erstaunlich, aber wahr: Unter der Leitung von Vater Helmut und Tochter Dagmar gibt es die Bielefelder Puppenspiele 75 Jahre. Wer glaubt, Theater für Kinder sei krisenfest, weil doch die Zuschauer gleich nachwachsen, der irrt sich. Hier gilt auch der Spruch: „Selbst und ständig“. 1961 entstand der erste Kulturfilm über die Anfangszeit im Bunker mit dem Titel: Kleines Theater mit viel Herz. Ich denke, das trifft auf Vater und Tochter zu.

Ein Haus, von außen groß und unscheinbar, fast hässlich aber mit Geschichte. Die Skala ist das größte Filmtheater in den 60/70er Jahren gewesen. Seit 2016 sind die Kinos Lux 1 und Lux 2 die Heimat unseres Theaters. Dort gibt es den ehemaligen Filmraum, in dem die Projektoren standen, das ist heute unser Fundus. Lux 1 ist zur Hälfte Backstage und Garderobe. Lux 2 ist mit Bänken für 100 Personen bestückt und bietet unterschiedlichen Bühnenaufbauten Platz. Wer uns besucht, fühlt sich in der familiären Atmosphäre mit nostalgischem Flair gleich willkommen.

Fotos: Timo Blaschke, Dagmar-Selje Puppenspiele, Martin Speckmann, Tips-Archiv