Die schönsten Bücherseiten des beginnenden Herbstes – wir haben eine Auswahl für Sie zusammengestellt.

Heather Morris – Schwestern der Freiheit

Piper, 18 €

1942 wird Singapur von der japanischen Armee eingenommen. Während die Insel im Chaos versinkt, versuchen die australische Krankenschwester Nesta James und die englische Musikerin Norah Chambers mit vielen anderen an Bord der HMS Vyner Brooke zu fliehen. Doch das Schiff wird bombardiert und versenkt. Nesta und Norah können sich an die Strände von Indonesien retten, werden aber gefangen genommen und in einem der berüchtigten japanischen Kriegsgefangenenlager festgehalten. Morris erzählt die wahre Geschichte zweier Frauen, die trotz Hunger, Angst und Willkür den Mut nicht verlieren und durch medizinische Hilfe und Musik ihren Mitgefangenen Kraft schenken.

Manche Szenen wirken fast dokumentarisch, andere entfalten leise emotionale Intensität – besonders dann, wenn der Chor der Gefangenen zum rettenden Anker wird. Sprachlich eher schlicht besticht die Geschichte durch ihre Authentizität, ja manchmal Distanz zum Geschehen. So vermeidet die Autorin, die durch „Der Tätowierer von Auschwitz“ bekannt wurde, gekonnt allzu Klischeehaftes. Ein Buch, das berührt und in Erinnerung bleibt. (E.B.)

Maya Rosa – Moscow Mule

Penguin, 24 €

Was hält eine Freundschaft wirklich aus – und wann zerbricht sie an unterschiedlichen Träumen? Diese Fragen stellt Maya Rosa in ihrem Debütroman Moscow Mule mit erzählerischer Leichtigkeit und zugleich scharfem Blick für Zwischentöne: Im Moskau der frühen 2000er-Jahre teilen Karina und Tonya alles: den Uni-Alltag, den Kater nach durchfeierten Nächten, das Gefühl ständiger Geldknappheit – und den großen Traum vom Leben in Europa. Während ein Teil der Gesellschaft in Luxus schwelgt, kämpft der andere ums bloße Durchkommen. Karina schlägt sich mit Witz und Unerschrockenheit durch, immer getrieben von der Sehnsucht nach Freiheit.

Doch während sie von Party zu Party taumelt, wächst unbemerkt die Kluft zu ihrer besten Freundin … Maya Rosa gelingt es mit sprühendem Wortwitz und klarem Rhythmus, das Politische mit dem Privaten zu verweben. Ein mitreißender Coming-of-Age-Roman, der die Aufbruchsstimmung einer ganzen Generation einfängt. (E.B.)

Ulf Kvensler – Die Insel

Penguin, 17 €

Eigentlich wollte Isak nie wieder etwas mit seinem Vater zu tun haben. Aber als er sich nach etlichen Jahren der Funkstille meldet und seinem Sohn erzählt, er sei todkrank, wird Isak weich. Zusammen mit seiner Freundin Madde fährt er nach Gotland. Das junge Paar ist ganz überwältigt von dem Reichtum des Vaters, der als erfolgreicher Künstler im exzentrischen Luxus schwelgt – und die hohe Kunst der Manipulation bestens beherrscht. Gut gehütete Familiengeheimnisse werden ans Tageslicht gezerrt. Schon bald kommt es zu existenziellen Spannungen innerhalb des Trios.

Wechselnde Allianzen entstehen und zerbrechen. Wer hält zu wem und welches Ziel verfolgt Isaks Vater? Ulf Kvensler blickt sehr genau in menschliche Abgründe und hat die Gabe, diese ungemein fesselnd zu beschreiben. Ein Psycho-Thriller, den man gar nicht mehr aus der Hand legen mag. (E.B.)

Hannah Lühmann – Heimat

hanserblau, 22 €

Als Jana mit ihrer Familie aus der Stadt aufs Land zieht, lernt sie Karolin kennen, die das Leben als Hausfrau und Mutter zum politischen Programm erhebt. Hinter der Fassade von Landhausküche und Kinderlachen offenbart sich eine Ideologie, wie sie von AfD propagiert wird. Die nationalstolze Karolin verkörpert die Tradwife wie sie im Buche steht – und Jana ertappt sich immer mehr dabei, dass sie dieses augenscheinlich unkomplizierte Leben gut findet. Dabei entfremdet sie sich immer weiter von ihrem Mann, der damit beschäftigt ist, gegen den Vormarsch der Rechten auf dem Lande vorzugehen. Hannah Lühmanns Beschreibung ist beklemmend.

In „Heimat“ seziert sie eine Szene, die gefährlich unterschätzt wird – und erzählt von der verführerisch trügerischen Vorstellung von Ordnung in einer Welt, die vielfach als überfordernd erlebt wird. (E.B.)

Henning Ahrens – Jahre zwischen Hund und Wolf

Klett Cotta, 25 €

Hardy Espen, der Protagonist dieses unterhaltsamen Romans, lebt in der Normandie mit einer Floristin als Lebensgefährtin und hat sich eine halbwegs auskömmliche Existenz als Comic-Zeichner aufgebaut. Manchmal nerven ihn Redaktionsschlüsse, Manuskript-Deadlines und eine etwas unzuverlässige Story-Co-Autorin. Ansonsten aber hat er sich in diesem Leben beschaulich eingerichtet. Eines Tages tritt er auf die Erkennungsmarke eines deutschen Soldaten, der dort in den Tagen des D-Day 1944 vermutlich gefallen ist.

Im Zuge der Aufklärung dieses Schicksals hat er es alsbald mit einer aufdringlichen Erbin zu tun, die sich als Stalkerin mit unangenehmen deutschnationalen Tendenzen entpuppt. Zu allem Überfluss ist sie auch erotisch für ihn entflammt und bringt sein Leben komplett durcheinander. Es braucht ein Machtwort und skurril anmutende Tricks, um sie loszuwerden, bevor Hardy sein Leben wieder in den Griff kriegt. Manchmal weiß man nicht recht, wohin Henning Ahrens mit seinem Roman eigentlich will, aber das überwiegend sympathische Personal sowie Landschaft, Meer und Wolkenspiel des normannischen Himmels wiegen das locker auf. (H.O.)

Jan Costin Wagner – Eden

Kiepenheuer & Witsch, 24 €

Wagner greift hier ein tatsächliches Ereignis auf, das 2017 im englischen Manchester passiert ist: Ein Selbstmordattentat auf Besucher eines Konzerts von Ariana Grande, bei dem 23 Menschen ums Leben kamen, darunter auch der islamistische Attentäter. Wagner verlegt das Ereignis nach Stuttgart und rückt dabei die Familie Stenger in den Mittelpunkt, die bei dem Anschlag ihr einziges Kind, die Tochter Sofie verliert. Mit seismographischer Genauigkeit erzählt er vom Davor und Danach, in das sich das Leben der Stengers jetzt teilt, er findet eine glaubwürdige Sprache für die unterschiedliche Art zu trauern.

Da sind die Eltern, der geradezu über-empathische Vater Markus und die eher zurückhaltende Mutter Kerstin, die aber auch ihren eigenen Weg findet sowie Toby, Klassenkamerad von Sofie, der gerade dabei war, sich in sie zu verlieben. Dem Autor gelingt es, das Empfinden der Hinterbliebenen fein auszutarieren zwischen dem Hass auf den Attentäter und der Besonnenheit eines aufgeklärten politischen Bewusstseins. Wie kann man Mensch bleiben in der Schockstarre zwischen Wut, Trauer und Weiterleben? Jan Costin Wagner zeigt mit diesem großen epischen Wurf, wie es gelingen kann. (H.O.)

Amélie Nothomb – Psychopompos

Diogenes, 23 €

Wer hier eine lineare Erzählung, eine (Auto-)Biographie einer Diplomatentochter erwartet, wird sicherlich enttäuscht werden. Fragmentarisch pickt sich die Ich-Erzählerin, die sich Amélie Nothomb nennt – und dabei reale und fiktive Person zugleich ist – Stationen ihres Lebens heraus, die immer an die beruflichen Positionen ihres Vaters geknüpft waren. Nach einer eher glücklichen Kindheit in Japan sind die Aufenthalte in u. a. China, Laos, Bangladesch, Bhutan nicht dazu angetan, dass Amélies Wurzeln entwickelt.

Im Gegenteil, nicht zuletzt durch traumatische Erlebnisse nimmt ihre Faszination für Vögel immer weiter zu, bis das Fliegen mehr als eine Metapher für ihr Schreiben wird. Man mag diesen gewohnt schmalen Roman etwas zu assoziativ finden, aber die tiefen Einblicke in die Seele der Schriftstellerin und ihr meisterhafter Umgang mit Sprache und ihren feinen Nuancen machen auch „Psychopompos“ zu einem außergewöhnlichen Lesegenuss. (E.B.)

Caspar Bendix – Born to Perform

dtv, 13 €

Nach seinem Studium hören die Herausforderungen für Bo Martens nicht auf. Bei der Frage, wie es beruflich weitergeht, hilft ihm der exzentrische Topmanager Dr. Thomas Meermann weiter, indem er ihn mit zahlreichen voll- oder teilumfänglich hohlen Business-Weisheiten versorgt. Als Bo sich unsterblich in seine Zahnärztin verliebt, quält ihn die Frage, wie ein überdurchschnittlich durchschnittlicher Typ wie er Erfolg bei einer solchen Traumfrau haben könnte. Sein Freund Jan Hansen, ein Lehrer und dating-versierter Hallodri, bemerkt, dass sich die Ratschläge des Top-Managers auch hervorragend aufs Dating übertragen lassen. Die beiden haben drei Wochen Zeit, um das perfekte Date vorzubereiten.

Ein wunderbar flockig-leichter Roman, der die leeren Worthülsen des Business-Sprechs auf unterhaltsame Weise entlarvt. Man fokussiert sich am besten auf alles, bevor man knietief im Deep Dive steckt. Alles klar?! (E.B.)

Robert Rutherford – Sieben letzte Tage

Lübbe, 14 €

Die junge Strafverteidigerin Alice Logan hat Jahrzehnte nichts von ihrem Vater gehört. Und das ist auch gut so, denn er hat nicht nur ständig ihre Mutter betrogen, sondern war nie für Alice da, wenn sie ihn gebraucht hätte. Doch plötzlich meldet es sich – aus der Todeszelle. Die Hinrichtung soll in sieben Tagen vollzogen werden. Alice ist hin und her gerissen: Ist ihr Vater tatsächlich ein Mörder oder soll sie seinen Unschuldsbeteuerungen Glauben schenken. Sie gibt den Fall eine Chance und beginnt zu graben.

Dabei stößt sie auf ähnliche Mordfälle, die ihr Vater aufgrund seiner Haftstrafe definitiv nicht begangen haben kann. Ein spannender Wettlauf gegen die Zeit beginnt. Mit viel Verve und unerwarteten Wendungen ist Robert Rutherford ein fesselnder Krimi gelungen. (E.B.)

Jojo Moyes – Ein ganz besonderer Ort

Rowohlt Polaris, 18 €

Mit der Wiederentdeckung von alten Romanen bekannter Autor*innen ist das manchmal so eine Sache. Aber hier ist schon sehr deutlich Jojo Moyes’ Talent für berührende Familiengeschichten zu erkennen: Gerade ist Suzanna zurück in ihr Heimatstädtchen gezogen, in die Nähe ihrer Familie. Ihr Mann Neil wünscht sich sehnlichst Kinder und eine gemeinsame Zukunft. Doch ist es auch das, was Suzanna will? Irgendetwas fehlt in ihrem Leben. Sie bittet Neil um Aufschub in der Kinderfrage, denn sie will ein Café samt Laden mit besonderen Dingen im Dorf etablieren – und gibt sich dafür ein Jahr. Das „Peacock Emporium“ entwickelt sich schon bald zu einem besonderen Ort, ein Treffpunkt für die Stammkundschaft und Suzanna lernt mit Jessie eine Freundin fürs Leben kennen.

Alles prima, wäre da nicht der gewalttätige Lebensgefährte. Mit sehr viel Liebe für ihre Figuren führt Moyes durch diese Geschichte mit vielen komischen und tragischen Momenten. Ein Buch zum Lachen und Weinen. Die Neuausgabe von „Suzannas Coffeeshop“ schenkt den Leser*innen viele schöne Lesestunden. (E.B.)

Andrea Camilleri – Riccardino

Lübbe, 25 €

Mit „Riccardino“ verabschiedet sich Andrea Camilleri von seiner berühmtesten Figur – Commissario Montalbano. Der 28. und letzte Fall beginnt mit einem mysteriösen Anruf und führt direkt in ein tödliches Verwirrspiel: Riccardino, der Anrufer, ist tot, erschossen auf offener Straße. Montalbano muss nicht nur die Hintergründe des Mordes ergründen, sondern auch mit einem Bischof, einer Wahrsagerin und schließlich mit seinem eigenen Autor ringen. Camilleri inszeniert ein raffiniertes, meta-literarisches Finale, das Spannung mit ironischer Selbstreflexion verbindet. So entsteht ein würdiger, überraschend vielschichtiger Abschied von einem Kult-Kommissar, der längst Weltliteratur geworden ist. Ein Buch für alle, die Montalbano seit Jahren begleiten – und für jene, die ihn nun endgültig kennenlernen wollen.

Marieke Hansen – Küstenrauschen

Lübbe, 12,99 €

Für Kleintierärztin Lea könnte es kaum schlimmer laufen: Job verloren, Freund weg – und das alles auf einmal. Eine Auszeit muss her. Da passt die Bitte ihres Opas, ihn in seiner Praxis an der Nordsee zu unterstützen, perfekt. Zurück in ihrer Heimat Krummhörn findet Lea das idyllische Leben wieder, das sie einst so liebte: freundliche Menschen, klare Seeluft und eine beruhigende Bodenständigkeit. Doch nicht alles ist so harmonisch, wie es scheint – vor allem nicht mit Großtierarzt Bajo, der gemeinsam mit ihrem Opa die Praxis führt und Lea mit seiner Sturheit regelmäßig den letzten Nerv raubt.