Ängste nehmen
Bianca Michler ist definitiv kein Mensch, der die Auseinandersetzung mit schweren Themen scheut. Die Fachkrankenschwester, Pflegeberaterin und Palliativ-Care-Fachkraft möchte auch andere dazu anregen, sich frühzeitig mit Sterben und Tod auseinanderzusetzen. Ein Angebot dazu sind die „Letzte Hilfe“-Kurse, die das Evangelische Klinikum Bethel (EvKB) seit 2018 durchführt.
Während ihrer langjährigen Erfahrungen in der Intensivmedizin und Palliativpflege, aber auch bei Pflegekursen, begegneten Bianca Michler immer wieder Fragen von Angehörigen zum Umgang mit Sterbenden. Daraus ist ein eigener Kurs hervorgegangen. Dessen Ziel ist es zu lernen, einen geliebten Menschen würdevoll bis zum Tod zu begleiten. Erfunden wurde die „Letzte Hilfe“ – übrigens ein geschützter Begriff und eingetragener Verein – bereits 2008 in Norwegen. „Dr Georg Bollig hat sie ins Leben gerufen, weil er merkte, dass wir die Fähigkeit verlieren, Menschen in der letzten Lebensphase beizustehen“, so die Fachkrankenschwester. Denn während sich die meisten Menschen wünschen, zuhause im Kreis ihrer Lieben zu sterben, ist das immer seltener der Fall, und viele Angehörige fühlen sich von der unbekannten Aufgabe überfordert. „Aber Angst und Unsicherheit sind schlechte Begleiter für eine Situation, die es nur einmal gibt“, unterstreicht Bianca Michler.
Im Gespräch mit der zugewandten Palliativ-Care-Fachkraft wird schnell deutlich, dass sie nicht nur ihren Beruf, sondern auch ihre Berufung gefunden hat. Menschen Mut zu schenken, ist ihr ein Herzensanliegen. „Der Kurs nimmt Angehörigen die Angst vor dem Ungewissen, lässt sie Situationen erkennen, wie sich Menschen im Sterbeprozess verändern und vermittelt viele Tipps, wie Ruhe und Zuversicht in diese Situation gebracht werden können.“

Dass es dabei sehr emotional zugeht, versteht sich von selbst. „Oft fließen schon bei der Vorstellungsrunde Tränen“, so Bianca Michler. Umso wichtiger ist es ihr, sehr individuell auf die Bedürfnisse der Teilnehmenden einzugehen. Dabei gibt es bestimmte Fragen, die fast alle umtreiben. Etwa die Angst, den Angehörigen verhungern zu lassen.
Bianca Michler
„Ein Körper in der letzten Lebensphase braucht kein Essen und Trinken mehr“, klärt die erfahrene Fachfrau auf. „Im Gegenteil: Liebe über Nahrungsmittel zu transferieren, ist ein Teufelskreis, der wieder zu Übelkeit führt. Es geht in der letzten Lebensphase nur noch um das, was der Sterbende als angenehm empfindet. Ein Körper, der stirbt, muss auch die Tabletten gegen hohen Blutdruck nicht mehr schlucken. Das Schwierigste ist, dabei zu sitzen und die Situation auszuhalten. Angehörige haben weniger zu tun als während der Pflegephase.“
Was sie jedoch tun können, vermittelt der Kurs ganz konkret und praxisnah. „Die Mundpflege ist neben der Behandlung von Schmerzen und Atemnot das Wichtigste“, weiß Bianca Michler. Ihr Tipp: Ein Getränk, dass der Mensch mag, sei es Saft oder Rotwein, in ein kleines Sprühfläschchen füllen und einen Sprühstoß auf die Zunge geben. „Das ist angenehm, regt den Speichelfluss an, aber man verschluckt sich nicht daran“. Gegen Mundtrockenheit helfen auch kleine, runde Minieiswürfel zum Beispiel aus pürierten Erdbeeren. Die lassen sich in Pralinenschachteln einfach selbst herstellen. Bei Atemnot kann ein kleiner Handventilator hilfreich sein. „Wenn wir Wind im Gesicht spüren, atmen wir unbewusst tiefer ein. Aber auch, wenn der Blick in die Weite geht, macht das was mit uns, da kann schon ein Bild vom Meer helfen.“ Gegen Unruhe empfiehlt sie, ein paar Tropfen Lavendelöl auf einem Tupfer neben den Kopf zu legen.
Neben dem Schwerpunkt „Leiden lindern“ geht es in dem Kurs um die Themengebiete „Sterben ist ein Teil des Lebens“, „Vorsorge und Entscheiden“ sowie „Abschied nehmen“. Letzteres meint nicht nur die Beerdigung, sondern behandelt auch die Frage, wie die Familie mit dem Thema umgeht. „Zum Beispiel ist es wichtig, Kinder in die Begleitung einzubeziehen, um den Umgang zu erlernen“, sagt Bianca Michler. Ihr Plädoyer jedenfalls ist es, sich rechtzeitig mit all diesen schweren Themen zu befassen, weil es später einmal das Leben – und Sterben – leichter machen könnte.
Die nächsten Termine sind am 22.10. (ausgebucht, aber Warteliste) und 10.12. Am EvKB bieten Bianca Michler und ihre KollegInnen außerdem regelmäßig weitere Kurse im Bereich der Familialen Pflege an, etwa Pflegetrainings und einen Demenz-Basiskurs. Alle Infos finden sich auf der Website www.evkb.de