Metropole OWL

Was prägt unsere Stadt, was bringt sie voran und wo liegen die Herausforderungen? Der Beirat des Tips Verlags – Entscheiderinnen und Entscheider aus Handel, Wirtschaft, Kultur, Hochschule, Handwerk, Gastronomie und Stadtmarketing – sprach mit den beiden Verlags-Geschäftsführenden Sigrid Förster und André Mielitz über Stadtentwicklung, Mobilität und Zukunftsfragen.

Bielefeld im Wandel

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sitzend: André Mielitz (Geschäftsführung Tips Verlag), Christina Végh (Direktorin der Kunsthalle Bielefeld), Dr. Lars Kruse (Leiter der HSBI-Hochschulkommunikation)

(stehend v.l.): Corinna Bokermm (Redaktion Tips Verlag), Regine Tönsing (Geschäftsführerin des DEHOGA Ostwestfalen e.V.), Martin Knabenreich (Geschäftsführer Bielefeld Marketing), Sigrid Förster (Geschäftsführung Tips Verlag), Jan-Erik Weinekötter, (Hauptgeschäftsführer des Handelsverband Ostwestfalen-Lippe), Dr. Jens Prager, (Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe zu Bielefeld), Henrich Hardieck (Prokurist WEGE mbH – Wirtschaftsförderung für Bielefeld), Petra Pigerl-Radtke, Hauptgeschäftsführerin der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld,

Metropole OWL

Was prägt unsere Stadt, was bringt sie voran und wo liegen die Herausforderungen? Der Beirat des Tips Verlags – Entscheiderinnen und Entscheider aus Handel, Wirtschaft, Kultur, Hochschule, Handwerk, Gastronomie und Stadtmarketing – sprach mit den beiden Verlags-Geschäftsführenden Sigrid Förster und André Mielitz über Stadtentwicklung, Mobilität und Zukunftsfragen.

Was macht urbane Räume heute wirklich erfolgreich?

Jan-Erik Weinekötter (Hauptgeschäftsführer des Handelsverband Ostwestfalen-Lippe e.V.): Für mich beginnt Stadtentwicklung mit einem Blick auf das historische Modell der europäischen Stadt: Kirche in der Mitte, Handel drum herum, später Gastronomie, Begegnung, Kultur. Und ehrlich: Vieles funktioniert bis heute unverändert. Innenstädte haben somit immer auch eine kulturelle Begegnungsfunktion und die alte Kurzformel ESSAH – Erreichbarkeit, Sicherheit, Sauberkeit, Attraktivität, Helligkeit – gilt noch immer. Aber wir müssen erkennen: Stadtplanung ist in Teilen viel zu langfristig. Im Handel haben wir heute nicht mehr eine Frühjahr/Sommer und eine Herbst/Winter Kollektion, sondern bei einigen Filialisten bis zu 24 Kollektionen pro Jahr, aber wir denken städtische Möblierung immer noch in sehr langen Zyklen obwohl sich Zeitgeist und Geschmacksempfinden immer schneller ändern. Dafür braucht es flexiblerer Lösungen!

Martin Knabenreich (Geschäftsführer Bielefeld Marketing): Wir haben in der Vergangenheit zu sehr in Steinen gedacht. Man hat gebaut, aber zu wenig darüber nachgedacht, wie Menschen diese Räume nutzen sollen. Der Kesselbrink ist ein Beispiel: ein ganz wunderbarer Platz, aber zu wenig aktiviert. Vielleicht braucht es phasenweise einen Platzmanager, der sich darum kümmert und dort Veranstaltungsformate hinbringt. Denn die Frage ist doch: Wie bespiele ich solche Plätze? Und bevor jetzt im Raum steht, ich sei ein Baustellengegner: Ich bin ein Baustellenfan. Wir würden alle noch viel mehr schimpfen, wenn es gar keine gäbe – mit Blick auf die daraus resultierenden Folgen. Baustellen sind ein sinnvolles Übel, denn jeder Stein ist ein Bekenntnis zur Stadt und zur Zukunftsfähigkeit. Deshalb denke ich Stadt gern wie ein Theater: Wenn ich die Stadt als Bühne verstehe, dann geht es darum, wer die Schauspieler sind und welches Stück gespielt wird. Ein schönes Theater allein reicht nicht. Architekt und Intendant müssen vorher miteinander sprechen. Da sehe ich viel Luft nach oben.

Wie gelingt es, die Stadtgesellschaft stärker einzubinden?

Sigrid Förster (Geschäftsführung Tips Verlag): Indem wir ernst nehmen, dass Veränderung nur gemeinsam entsteht. Wir müssen die Bürgerinnen und Bürger aktivieren, weil wir nur darüber eine Veränderung hinbekommen und einen positiven Druck erzeugen. Genau das erlebe ich auch: Bielefeld steckt voller Möglichkeiten – trotz aller Stimmungslagen. Wir dürfen das nicht permanent kleinreden.

André Mielitz (Geschäftsführung Tips Verlag): Wir sind hier in einer Region, die im Vergleich zu vielen anderen gut aufgestellt ist. Trotzdem reden wir zu oft über Probleme und zu wenig über Optionen. Wenn Menschen spüren, dass etwas geht, entsteht Dynamik.

Dr. Jens Prager (Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe zu Bielefeld): Wichtig ist, dass wir wegkommen vom kurzfristigen Denken. Stadtentwicklung taugt nicht für parteipolitische Auseinandersetzungen. Wir brauchen ein gemeinsames Bild, das durch die ganze Stadtgesellschaft entwickelt und getragen werden muss. Wenn wir sagen, wir wollen eine liebens- und lebenswerte Stadt mit kurzen Wegen sein, dann bedeutet das etwas für den Umbau, beispielsweise des Verkehrssystems. Das betrifft auch die Handwerksbetriebe – sowohl in der Innenstadt als auch in den Stadtteilen. Sie sind Nahversorger, Arbeitgeber, Integratoren. Und: Sie zahlen hier Steuern. Das ist ein großer Wert.

Petra Pigerl-Radtke (Hauptgeschäftsführerin der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld): Die Wirtschaft kann und sollte Impulsgeber für bürgerliches Engagement sein. Nur gemeinsam entstehen tragfähige Lösungen und funktioniert Stadtentwicklung: Wirtschaft, Verwaltung, Kultur, Handel, Handwerk und Wissenschaft müssen an einem Tisch sitzen. Wir brauchen eine städtische Gesamtstory, die alle mittragen – und die nicht alle vier Jahre beziehungsweise mit jedem Politikwechsel neu geschrieben wird.

Warum ist Mobilität ein zentrales Zukunftsthema?

Christina Végh (Direktorin der Kunsthalle Bielefeld): Weil Mobilität ganz praktisch über Teilhabe entscheidet. Aus persönlicher Perspektive ein Beispiel: Komme ich mit dem Auto brauche ich neun Minuten, mit dem ÖPNV 35. Für eine kompakte Stadt wie es Bielefeld sein will, ist das absurd. Und wir stehen vor einer doppelten Herausforderung: Wir wollen junge Menschen halten – und wir müssen einer älter werdenden Bevölkerung die Möglichkeit geben, so lange wie möglich selbstständig unterwegs zu sein. Anschlussfähig bleiben und werden heißt, Mobilität zu verbessern.

Weinekötter: Wir brauchen eine multifunktionale, gepflegte und kuratierte Stadt der kurzen Wege für alle Generationen. Mobilität gelingt nur über Angebote. Städte wie Kopenhagen haben in Angeboten gedacht, nicht in Verboten. Für mich wäre ein Mobilitätshub am Stadtrand durchaus vorstellbar, um mit einem Shuttle in einer vernünftigen Taktung in die Stadt reinzukommen, statt auf dem OWD im Stau zu stehen. Wenn es gute Alternativen gibt, können die Menschen sich entscheiden, ohne das Gefühl der Bevormundung zu haben.

Mielitz: Das Problem ist: Beim ÖPNV bewegt sich kaum etwas. Und wenn man neue Radwege baut, ohne gleichzeitig ÖPNV auszubauen, entsteht sofort ein Konflikt. Wir müssen Mobilität ganzheitlich denken, nicht spartenweise.

Dr. Lars Kruse (Leiter der HSBI-Hochschulkommunikation): Die fünf staatlichen Hochschulen in OWL haben alle damit zu kämpfen, dass der ÖPNV in der Region nur mäßig gut aufgestellt ist. Da geht es um Frequenzen und fehlende Verbindungen. Das hat große Nachteile für Bielefeld. Ich weiß, dass Planung in Deutschland eine schwierige Sache ist – dennoch zwei auf der Hand liegende Beispiele aus dem Bielefelder Norden: Warum gibt es keine Stadtbahn vom Babenhausen-Süd nach Jöllenbeck? Warum wird bei der Verlängerung der Linie 4 zum Campus Nord der Ringschluss nach Babenhausen-Süd nicht gleich mitgemacht?  Solche Defizite stehen einer Verkehrswende entgegen, die von vielen ja dauernd im Munde geführt wird. Das Auto ist in dieser zersiedelten Region dann oft halt die naheliegende Lösung. Was die Stadtplanung in Bielefeld betrifft, so kann Verdichtung helfen, der weiteren Zersiedelung Einhalt zu gebieten, wobei aus meiner Sicht stets ein Mix aus Sozial-, Genossenschafts- und frei finanziertem Wohnraum angestrebt werden sollte, günstige Angebote für Studierende mitgedacht. Es gibt noch so viele Brachen. Verdichtung bedeutet immer auch, dass die Wege kürzer werden und das Fahrrad oder die ÖPNV attraktiver, und das wäre gut.

Pigerl-Radtke: Mobilität entscheidet über Wettbewerbsfähigkeit – für Unternehmen ebenso wie für Fachkräfte. Die Diskussion muss breiter geführt werden. Es geht nicht darum, Auto gegen Fahrrad auszuspielen. Es geht darum, wie wir ein System schaffen, das für alle funktioniert: für Pendler, Azubis, Familien und ältere Menschen. Gerade in einer vielfältigen Region wie OWL brauchen wir flexible und generationengerechte Mobilitätsangebote.

Was macht Bielefeld wirtschaftlich stark?

Pigerl-Radtke: Wir sind eine wirtschaftlich starke, breit aufgestellte Region – aber wir haben es bislang versäumt, diese Stärke in ein gemeinsames Narrativ zu übersetzen. Uns fehlt noch, eine Geschichte zu unserer Wirtschaftsregion erzählen zu können, die sich vor allem durch den breiten Branchenmix auszeichnet – von Nahrungsmitteln über Gesundheit, Möbeln und Bekleidung bis zum Maschinenbau. Natürlich sind die Marken aus unserer Region vielfach international bekannt. Und gerade die Gesundheitswirtschaft ist ein wichtiger Wachstumstreiber in unserer Region und sollte im Narrativ stärker betont werden. Wir werden zur Metropole OWL, wenn wir dieses Selbstverständnis leben. Das bedeutet: Wir müssen gezielt investieren – in Infrastruktur, Erreichbarkeit, Kultur, Gastronomie und Handel. Und auch dieses Investment in Steine gehört eben mit dazu. Baustellen sind Zeichen der Weiterentwicklung – nicht von Chaos.

Henrich Hardieck (Prokurist WEGE mbH – Wirtschaftsförderung für Bielefeld): Und dazu gehört auch, Baustellen anders zu sehen. Natürlich haben wir viele Baustellen, denn wir wollen ja auch gerade viel: Glasfaser, Wärmewende. Daher bin auch ich ein großer Baustellenfan – denn jede Baustelle bringt Fortschritt. Ich erlebe auf der Expo Real jedes Jahr, wie gut OWL wahrgenommen wird. Süddeutsche Regionen benchmarken sich tatsächlich an uns! Diese Potenziale müssen wir einfach mehr heben. Viele Unternehmen aus der Region, die im B2B-Bereich sind, sind Weltmarktführer. DAS KOMMT AUS BIELEFELD steht dafür, diese tollen Geschichten über Unternehmen zu erzählen – auch um Klebeeffekte hinzubekommen. Die Branchenmix sorgt übrigens für eine unglaubliche Resilienz, mit der wir die letzten Krisen gemeistert haben. Vielleicht ist das die Geschichte. Die Verkehrspolitik schmerzt auch uns im Citymanagement. Und ja, das Umland sagt gern, Bielefeld sei schlecht erreichbar. Aber faktisch hat sich da in 30 Jahren nicht viel verändert. Was sich verändert hat, ist unsere Wahrnehmung. Und die sollten wir korrigieren.

Knabenreich: Die Zahlen untermauern das. Die Innenstadt ist voller als sie es jemals war. Das zeigt die elektronische Passantenfrequenzmessung. Gleichzeitig zeigen Umfragen: Die unter 29-Jährigen finden Bielefeld heute deutlich attraktiver als vor zehn oder fünfzehn Jahren. Die über 50-Jährigen hingegen deutlich weniger. Das ist eine große Gruppe – und sie prägt, wie über die Stadt gesprochen wird.

Was braucht eine Innenstadt, die Menschen anzieht?

Weinekötter: Einen guten Mix. Der Handel holt die Menschen in die Stadt und die Gastronomie hält sie dort und erhöht die Verweildauer. Wir brauchen große Marken und individuelle Läden. Wenn wir in fremde Städte reisen, bleiben wir nicht nur wegen großer Einzelhandelsketten dort hängen, sondern häufig wegen kleiner individueller Geschäfte, Espressobars und spezieller Gastronomien. Und ganz kurz zum Thema Online-Shopping: Die Wachstumskurve hat sich abgeschwächt, was die online-Wachstumsraten angeht. Der Hauptumsatz – wir reden über 92 Milliarden online und 586 Milliarden stationären Umsatz – wird immer noch im stationären Handel gemacht

Hardieck: Sie haben vorhin gesagt, der Handel ist der Magnet, der die Menschen in die Stadt bringt. Das sehe ich ganz genauso. Aber es gibt Veränderungen und einen – wie ich finde – passenden Leitsatz, der heißt: Warum ist das neue wohin. Früher war es ja klar, wenn ich einkaufen will, fahre ich in die Stadt. Da war es nur eine Frage des Wohins. Heute stellen sich die jungen Leute die Frage: Warum soll ich in die Stadt gehen? Ich kann genauso gut online shoppen. Und ich glaube, das müssen wir vernünftig orchestrieren, mit einem guten Gastronomieangebot, mit einem Kulturangebot, aber natürlich auch einem starken Einzelhandel, der es schafft für junge Leute als City weiterhin attraktiv zu sein. Ich glaube, dass wir da ein gutes Potenzial haben.

Regine Tönsing (Geschäftsführerin des DEHOGA Ostwestfalen e.V.): In der Gastronomie kämpfen viele Betriebe mit Nachfolge und Investitionsstau. Junge Leute wollen gründen, aber alte Betriebe sind oft schwer zu übernehmen. Gleichzeitig kommen immer mehr Systemgastronomen, die komplette Konzepte ausrollen können. Vielfalt wird zur Herausforderung. Und klar ist: In der Bielefelder Neustadt muss man kein Sternelokal aufmachen, in der Altstadt keine Dönerbude. Jede Lage hat ihr eigenes Publikum.

Knabenreich: Und Leerstand ist nicht automatisch negativ. Eine Stadt, die keinen Leerstand hat, bietet keine Chancen. Wir sollten ihn als Entwicklungsraum begreifen. Innenstadt muss inspirieren – durch Kultur, durch Ideen, durch spontane Formate. Niemand fährt in die Stadt, um Socken zu kaufen. Menschen suchen Erlebnisse und Impulse. Als Arminia im DFB-Pokalfinale stand, war davon etwas zu spüren. Plötzlich gab es in der ganzen Region Bielefelder*innen. Manchmal fehlt so ein Leuchtturm. Doch ich bin überzeugt, dass Städten in der Größenordnung wie Bielefeld die Zukunft gehört – mit einer hohen Lebensqualität, mit einer lebendigen Kultur und Hochschulszene.

Végh: Kultur ist essenziell. Museen, Theater, Kinos, Clubs – das sind Orte, „wo sich Menschen altersübergreifend aus verschiedensten sozialen Gruppen treffen. Das macht Urbanität aus, für eine lebendige Innenstadt braucht es kulturelle Orte. Kultur ist Infrastruktur. Und deshalb sage ich: Metropole muss man sich zumuten und zutrauen. Wenn man sich weiterentwickeln will, muss man investieren. Daran geht kein Weg vorbei. Natürlich ist auch die Sanierung der Kunsthalle Bielefeld, die sie zukunftsfähig für die kommenden Generationen macht, ein wichtiger Baustein dabei. Auch, um Bielefeld in der eigenen Wahrnehmung als zentraler Ort in OWL zu verorten. Kultur bietet den Ort, an dem Kreativität sichtbar erlebt und selbst erfahren wird, ebenso Treffpunkt für eine Stadtgesellschaft. In diesen Eigenschaften sind Orte wie es die Kunsthalle Bielefeld und andere kulturelle Akteure der Stadt wichtig, für die gute Entwicklung von Bildung und Wirtschaft. Kultur ist immer auch ein wichtiger Standortfaktor und am Ende sind Baustellen immer auch ein Indikator dafür, dass sich etwas entwickelt.

Welche Rolle spielen Campus, Uni, Hochschule und Handwerk für die Stadtentwicklung?

Kruse: Eine ganz zentrale! Hochschulbau ist ein wichtiger Motor der Stadtentwicklung. Der Ausbau des Campus Nord, auf dem jetzt das Hauptgebäude der HSBI und das CITEC der Uni stehen und künftig der dringend notwendige Erweiterungsbau der HSBI errichtet werden sollte, kann wichtige Impulse setzen und ist eine Investition in die Zukunft der Stadt – inklusive Ausbau der Stadtbahn, zumindest bis ins Neubaugebiet Campus Westend. Auch das angedachte Forschungs- und Transfer-Gebäude an der Ecke Voltmannstraße/Kurt-Schuhmacher-Straße kann ein Beispiel sein für gelingende Stadtentwicklung mit Strahlkraft. Denn hier wollen Uni, HSBI, IHK und Stadt als Bielefelder Research and Innovation Campus (BRIC) eng zusammenarbeiten, um die Power der Hochschulen in die regionale Wirtschaft zu bringen. Allein Uni und HSBI bringen es auf über 34.000 Studierende und annähernd 3.500 Beschäftigte, die alle in Bielefeld wohnen oder regelmäßig aus dem Umland in die Stadt pendeln. Ihre Ansprüche müssen bei der Stadtentwicklung stets mitgedacht werden.

Prager: Auch das Handwerk setzt bewusst auf die Stadt. Die Entscheidung, direkt am Bahnhof Handwerkskammer und Berufsbildungszentrum zu bauen, war strategisch: Wer nach Bielefeld kommt, sieht das Handwerk als Erstes. Jetzt investieren wir in den Campus Handwerk erneut rund 90 Millionen Euro und verorten künftig auch die Bauberufe und den KFZ-Bereich aus dem Handwerksbildungszentrum Brackwede hier. Wenn dort künftig doppelt so viele Auszubildende und Teilnehmende unterwegs sind, wird das Bahnhofsviertel spürbar belebt. Bildungsorte sind Stadtentwicklungsorte.

Wie bringen wir unterschiedliche Generationen zusammen?

Végh: Alt und Jung hatten immer unterschiedliche Bedürfnisse. Relativ neu ist, dass die Älteren in der Überzahl sind. Das kann Erneuerung ausbremsen. Deshalb brauchen wir Orte, an denen sich Generationen treffen und mischen – kulturell, räumlich, sozial. Partizipation ist das Stichwort, um Bedürfnisse abzuklopfen und Dinge umzusetzen.

Weinekötter: Politik muss immer die Wählerschaft im Blick haben, die sie wiederwählt. Das heißt aktuell: Politik gegen die Babyboomer wird nicht zur Wiederwahl führen. Darum müssen wir überlappende Räume für alle Generationen schaffen, in denen die Bedürfnisse aller sichtbar bedient werden.

Pigerl-Radtke: Mobilität ist das ein zentrales Konfliktfeld. Wenn wir es uns hier gelingt, generationenübergreifende eine Lösungen zu entwickeln, könnten wir Vorbild für viele Städte werden.

Tönsing: Und wir müssen den Blick der Jüngeren ernster nehmen. Wir müssen uns mit den Bedürfnissen der Jüngeren beschäftigen – auch was Stadtplanung anbelangt.

Text: Corinna Bokermann, Fotos: Nicole Pinchuk, Jule Schrutek