In einer quirligen Metropole trifft man immer auch auf spannende Menschen, die das Stadtleben bereichern. Wir stellen sie vor.

Dorothée von Rosenberg Lipinsky (54)

Kostüm- und Modedesignerin

„Ich möchte gut verwahrte, aber nicht mehr benötigte Kleidungsstücke und Textilien in einer Kollektion zu neuem Leben erwecken“, erklärt Dorothée von Rosenberg Lipinsky. „Im Idealfall gibt es noch eine kleine Geschichte dazu.“ Gewachsen ist die Idee zu dem Projekt, das sie „pastforward“ getauft hat, als sie „eigentlich noch gute“ Leinenhosen reparierte und aus der Stoffrestesammlung Patchwork-Decken entstanden. Mit „pastforward“ möchte sie die Vergangenheit mit der Gegenwart verweben und gleichzeitig das Bewusstsein für die sprichwörtliche Tragweite unseres Handelns, unseres täglichen Konsums und den damit verbundenen Verbrauch wertvoller Ressourcen schärfen. „Secondhand-Kleidung zu tragen, wird zwar wieder populärer, trotzdem wird immer noch viel zu viel schnell Produziertes mit geringer Halbwertszeit auf den Markt geworfen. Das können wir uns nicht mehr leisten“, betont die Dipl.-Designerin, die am Bayerischen Staatsschauspiel in München tätig war, bevor sie viel für die freie Szene arbeitete. Aus familiären Gründen zog es sie 2015 nach Bielefeld. „Ich möchte eine Kollektion aus Bielefeld für Bielefeld kreieren.“ Auf der Suche ist sie nach gut erhaltenen Kleiderspenden, mit der vielleicht auch kleine persönliche Erinnerungen verknüpft sind: Brautkleider, Anzüge, Hemden, Blusen, Jeans oder Retro Bett- und Tischwäsche. „Kleine Löcher oder ein Riss dürfen sein!“ Frühere Werte will sie aufspüren, u. a. durch den ästhetischen Wert des Flickens und Stopfens hervorheben und damit zurück ins Tragebewusstsein holen. Mal tragbar, mal eher in Richtung Kostümobjekt. Über den Verkauf finden die Exponate dann wieder zurück auf die Straße. Noch ist sie auf der Suche nach Präsentationsmöglichkeiten. „Wenn der Bielefelder Catwalk 2022 wieder stattfindet, wäre das eine tolle Möglichkeit!“

Kontakt über Instagram @pastforward_bielefeld oder Mail pastforward@web.de

RAINA INGENFELD (64)

Fahrradkurier bei flottweg

Er kennt die Straßenverhältnisse in Bielefeld in- und auswendig. Kein Wunder, schließlich ist er für flottweg schon seit 22 Jahren als Fahrradkurier unterwegs und inzwischen einer der sechs Gesellschafter. „Hier kann ich meine Leidenschaft für Sport, Bewegung und das Draußen sein verbinden. Schon als Kind bin ich gern Fahrrad gefahren und habe viel Sport gemacht“, sagt Raina Ingenfeld, den es in den 1970ern vom Niederrhein nach Bielefeld zog, erst ans Oberstufenkolleg und später an die Uni, und der bereits mehrfach beim Hermannslauf gestartet ist. Seine gute Kondition verdankt er dem täglichen in die Pedale treten. Rund 13.000 Kilometer legt er pro Jahr zurück. „Ich bin also schon einige Male um den Globus geradelt“, stellt er augenzwinkernd fest. Seit knapp vier Jahr hat er allerdings umgesattelt. Inzwischen nutzt er ein Lastenrad mit elektrischer Unterstützung. „Das macht die Sache einfacher, ist ökonomisch und ökologisch und wird sich künftig hoffentlich durchsetzen, um emissionsärmer unterwegs zu sein.“ Kein Wunder also, dass er auf sein Rad auch im Urlaub nicht verzichtet. „Dann packe ich allerdings mein Mountainbike ein“, sagt Raina Ingenfeld, der es am Flughafen flugtauglich auseinanderschraubt, wenn es wieder einmal gen Kreta geht. „Dann strample ich – bevor der Winter losgeht – vier Wochen von Ort zu Ort bergauf und bergab und genieße ein Panoramabild nach dem anderen. Das ist total klasse! Die Menschen sind super gastfreundlich und es geht sehr familiär zu.“ Kurvt er privat durch die Stadt, sieht man ihn übrigens auf einem Hollandrad. „Die aufrechte Position ermöglicht eine bessere Übersicht im Straßenverkehr als auf einem Rennrad“, so der Bielefelder.

Jonny Lakämper (21)

Künstler

Die Liebe zur Kunst wurde ihm in die Wiege gelegt. „Mein Vater ist Grafik-Designer, ich habe viel mit ihm gezeichnet“, so der gebürtige Bielefelder. „Gerade habe ich das Atelier meiner verstorbenen Tante Sabine Lakämper übernommen, die sich sehr darüber gefreut hätte. Bei ihr war ich als Kind auch sehr oft , habe das Malerische entdeckt und mit Farben experimentiert. Im Atelier war es immer toll, da durfte man auch mal was dreckig machen“, lacht Jonny Lakämper. Zu diesen beiden starken Inspirationsquellen gesellt sich eine Dritte: In dem Gemeinschaft satelier an der Herforder Straße 237 ist nämlich auch der Künstler Marek Bieganik aktiv. „Von ihm lerne ich gerade sehr viel.“ Langfristi g plant Jonny Lakämper Kunst zu studieren, momentan konzentriert er sich ganz auf seine Arbeiten. „Ich nutze ganz verschiedene Techniken. Überwiegend arbeite ich mit Acryl, aber auch mit Spraydosen, ich klebe viel auf und finde es spannend, Wasser verlaufen zu lassen.“ Kunst bedeutet für den 21-Jährigen vor allem Freiheit. „Beim Malen in einen Fluss zu kommen, an nichts gebunden zu sein, der prägendste Begriff dafür ist Freiheit. Die besten Werke entstehen, wenn man sich nicht mir Erwartungen konfrontiert.“

www.galerie-lakaemper.com

Tipp:

Bis zum 31.7. sind Jonny Lakämpers „Magische Welten“ in der Vitrine (GroßeKurfürstenstraße 81) ausgestellt. Am 21.8. (14-19 Uhr) und 22.8. (11-19 Uhr) nimmt die Ateliergemeinschaft an der Herforder Straße 237 außerdem an den 30. Offenen Ateliers teil.

Rebecca Schirge (38)


Freiberufliche Redakteurin und Autorin

Als 2019 ganz unverhofft die Anfrage vom renommierten Dumont-Verlag im Postfach aufploppte, ging für Rebecca Schirge ein Traum in Erfüllung. Ein eigenes Buchprojekt hatte die Bielefelderin schon lange im Visier gehabt. Jetzt ist „52 kleine & große Eskapaden in Ostwestfalen-Lippe“, das sie gemeinsam mit Ann-Christin Meermeier geschrieben hat, erschienen. Ein halbes Jahr lang hatten die Autorinnen bekannte und weniger bekannte Ausflugsziele in der Region recherchiert und anschließend ein Jahr lang – denn alle vier Jahreszeiten sollten berücksichtigt werden – besucht und der Leserschaft nahegebracht. Ein echtes Liebhaberprojekt, das viel Zeit in Anspruch genommen hat, denn schließlich musste auch das Wetter für die schönen Fotos mitspielen. „Und das ist in Ostwestfalen ja manchmal nicht so einfach“, lacht Rebecca Schirge, die schon viel von der Welt gesehen hat. Ihre Reiseeindrücke teilt sie auf dem Blog „Rebeccas Welt“. Dort finden Fernweh-Geplagte neben tollen Reise -Tipps auch wunderschöne Reiseimpressionen. Durch den Blog war übrigens auch Dumont auf die reiselustige Bielefelderin aufmerksam geworden, die seit 2017 mit „aus liebe zum text“ als freiberufliche Redakteurin für verschiedene Magazine, Medien und Verlage schreibt. Auch wenn sie oft unterwegs ist, Bielefeld bleibt ihre Heimat. „Ich mag die Stadt und die Region, die ich mit unserem Buch gern ein bisschen pushen möchte. Der Blömkeberg im Frühjahr, wenn der Bärlauch blüht und der Buchenwald am Botanischen Garten sind für mich einmalig.“

LEONA DÖLGER (30)


Agentin für Diversität

„Hemmungslose Freundlichkeit“ – so lautet das Motto für die Theatersaison 2021/22. Neben anderen Mitarbeiter*innen des Hauses hat sich auch Leona Dölger im Spielzeitheft dazu ihre Gedanken gemacht. Mindestens ebenso wichtig ist ihr Offenheit gegenüber ihren Mitmenschen. „Schließlich bin ich eine weiße Frau und trage zum Beispiel durch Sozialisierung erlernte Vorurteile in mir. Nur durch Offenheit kann ich reflektieren, wie das mein Verhalten beeinflusst und Stereotype umlernen.“ Eine Haltung, die perfekt zu ihrer Jobbeschreibung passt. Die Theaterwissenschaftlerin, die schon als Jugendliche in inklusiven Theatergruppen gespielt hat, ist Agentin für Diversität am Theater Bielefeld. Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes in Halle haben diese relativ neu geschaffenen Stellen das Ziel, Kulturinstitutionen für eine diverse Stadtgesellschaft zu öffnen. Dabei geht Leona Dölgers Blick in drei Richtungen – auf die drei P. „Beim Personal geht es etwa darum, wie sich ein Arbeitsklima herstellen lässt, das Gleichberechtigung und Teilhabe stärkt“, erklärt die Agentin. Beim Programm stellt sich die Frage, welche Lebenswelten auf der Bühne repräsentiert werden. Und beim Publikum möchten wir Barrieren abbauen und zum Beispiel postmigrantische Familien verstärkt in den Blick nehmen. Natürlich bedingen sich die drei Bereiche und nur das ganze Haus gemeinsam kann die Diversitätsentwicklung vorantreiben und kulturelle Vielfalt fördern.