Der Sommer ist zum Lesen da.

Martin Suter – Wut und Liebe
Diogenes, 26 €
Camilla liebt Noah, aber nicht das Leben, das sie gemeinsam führen. Denn sie muss den Unterhalt für beide bestreiten, während er an seinem Durchbruch als Künstler arbeitet. Das Paar kommt nur gerade so über die Runden, bis bei Camilla der Kopf entscheidet. Sie trennt sich und sucht sich einen betuchten Mann. Noah wiederum setzt alles dran, um die Liebe seines Lebens zurückzugewinnen. Hoffnung keimt auf, als eine ältere Dame eines seiner Bilder kauft und ihm für eine höchst kriminelle Handlung ein Vermögen bietet. Ist Noah verzweifelt genug? Mit viel Liebe für seine Charaktere schildert Martin Suter die Geschichte einer großen Liebe, eines mehr als unmoralischen Angebots und schafft es einmal mehr, die Leserschaft auf eine ganz falsche Fährte zu führen. (E.B.)
Royston Reeves – Ich war’s nicht
Scherz, 18 €
Ein Pageturner, wie man ihn sich für einen Tag im Strandkorb wünscht. Will geht nach der Arbeit noch mit seinen Kollegen auf einen Drink in den Pub. Auf dem Heimweg begegnet er in einer dunklen Gasse einem Betrunkenen, der nicht aufhört, ihn zu provozieren. Der Endzwanziger lässt sich das nicht gefallen und plötzlich liegt der Mann auf dem Boden und ist tot. Soll wirklich dieser Bruchteil von Sekunden, in denen er die Beherrschung verlor, sein ganzes restliche Leben bestimmen? Will steht unter Schock, verlässt den Tatort und versucht, so zu tun, als sei nichts geschehen, denn in der Gasse gibt es keine Überwachungskameras. Doch schon bald wird ihm klar, dass ihn jemand beobachtet hat und auch die Polizei lässt ihn nicht vom Haken. Ein beklemmendes Katz-und-Maus-Spiel beginnt, das immer mehr an Tempo gewinnt. (E.B.)


Alex Schulman – Vergiss mich
dtv, 23 €
Es ist eine sehr persönliche und berührende Erzählung. Alex Schulmans Mutter ist Alkoholikerin und auf dem besten Wege, sich zu Tode zu trinken. Wie konnte es dazu kommen? Wann wurde aus seiner schillernden, liebevollen Mutter ein dauerbetrunkenes Wrack, das sich nicht mehr um die Kinder kümmern konnte? In Rückblicken erzählt Schulman, wie er sich notwendigerweise von seiner Mutter distanzieren musste, um zu überleben. Und jetzt, wo die Not am größten ist, ist er da, reicht ihr die Hand und versucht, sie davon zu überzeugen, einen Entzug zu machen. Eine Erzählung, die unmittelbar zu Herzen geht, über die Sucht eines Elternteils und die unstillbare Sehnsucht eines Kindes nach Geborgenheit, Liebe und Stabilität. (E.B.)
Rob Perry – Der Große Gary
Dumont, 24 €
Ein toter Wal, ein neurotischer Jugendlicher und ein streunender Windhund: Diese ungewöhnliche Mischung bildet das Grundgerüst einer Geschichte, die so britisch ist wie Regenwetter im Juli. Benjamin, achtzehn mit krankhafter Angst vor Keimen und Dreck, lebt mit seiner Oma in einem Caravan Park. Seit sie im Krankenhaus liegt – ein Ort, den er aufgrund all der Erreger tunlichst meidet –, ist Benjamin auf sich allein gestellt, bis das Schicksal ihm den Windhund Gary vor die Füße spült. Eigentlich ein Alptraum, denn wirklich reinlich sind Hunde nicht gerade. Aber irgendwie rührt Gary eine Seite an Benjamin an. Als der Essenslieferant Leonard in dem Vierbeiner den Großen Gary, den schnellsten Hund des Landes, erkennt und Benjamin vor seinen grausamen Besitzern warnt, fasst dieser einen Entschluss: Er muss Gary beschützen.

Was folgt, ist ein herrlich schrulliger Roadtrip – eine ungewöhnliche Flucht vor unbarmherzigen Rennhund-Besitzern und den eigenen Phobien. Zu allem Überfluss mit einem unzuverlässigen Leonard an der Seite. Kann das gutgehen? (E.B.)

Tine Dreyer – Morden in der Menopause mit dem richtigen Mindset
Dumont, 17 €
Die Situation für Liv, 48, Ehefrau, Mutter, Küchenplanerin, ist nach ihren ersten Morden an skrupellosen Drogendealern eher suboptimal. Schuld waren die Hormone. Hitzewallungen, die in höchst aggressivem Verhalten und einem sehr unterhaltsamen Lesevergnügen mündeten. Der zweite Band knüpft genau da an, wo der erste aufhörte. Mit etwas anderen Vorzeichen. Positiv denken heißt heute, das richtige Mindset haben. Das fällt Liv schwer.
Sie wird von Schuldgefühlen geplagt und der Angst, dass sie in den Knast muss. Denn der Bordell-Besitzer, in dessen Etablissement sie erst Drogen verkauft und im nächsten Schritt abgefackelt hat, ist wider erwartend aus dem Koma erwacht – und er erinnert sich. Allerdings selektiv. Das bringt Liz in die Bredouille, aber unerwartet erhält sie Unterstützung von ihrer Schwiegermutter und deren Pflegerin, die Liv aus der Zwangsprostitution gerettet hat. Neben den ganzen Kriminellen und ihren Drogen sind da noch ihre drei pubertierende Kinder, ihr Mann Jörn, der mit seinen Aufgaben als Hausmann nach Jobverlust nur so mittel klarkommt und ihre Arbeit als Küchenplanerin. Aber was soll’s: Es gibt keine Probleme, nur Herausforderungen. Immer schön am positiven Mindset arbeiten. Das ideale Buch für einen entspannten Sommersonnentag – schwer lustig. (E.B.)
Colin Cotterill – D. Siri und der verschollene Bruchpilot
Goldmann, 24 €
Laos, 1981: Als Dr. Siri Paiboun ein Tagebuch zugesandt bekommt, das während des Zweiten Weltkriegs verfasst worden zu sein scheint, ist er fasziniert. Die angeheftete Notiz „Dr. Siri, wir brauchen dringend Ihre Hilfe“ stellt ihn jedoch vor ein Rätsel: Wer ist „wir“ und worum geht es überhaupt? Siri, immer froh, der Langeweile zu entfliehen, beginnt umgehend Nachforschungen anzustellen. Das Tagebuch stammt offenbar von einem Kamikaze-Piloten, ist dafür aber erstaunlich langweilig. Nur das abrupte Ende macht Siri Sorgen: Hat der Pilot seine Mission abgebrochen und ist noch am Leben? Leider zählt dieser mutmaßlich letzte Band der Siri-Reihe nicht zu den besten.

Die Geschichte ist eigentlich recht dünn, aber durch zahlreiche nicht wirklich notwendige Erzählstränge verworren genug, um den Leser abzuhängen. Die Charaktere sind natürlich wieder großartig. Und hoffentlich endet die Serie nicht mit diesem Band. (E.B.)

Sebastian Haffner – Abschied
Hanser, 24 €
Wer hätte gedacht, dass dieser besonnene und tiefgründige Kulturjournalist, der die Bundesrepublik mit seinen historisch präzisen und atmosphärischen Publikationen jahrzehntelang begleitete, in seinen frühen Jahren einen derart sommerleichten und flirrenden Liebesroman verfasst hatte? Gut 25 Jahre nach seinem Tod erscheint diese geradezu übermütige Geschichte als echte Überraschung. Haffner hat sie zu Lebzeiten selbst nie veröffentlicht. Verfasst 1932 im Alter von 24 Jahren, erzählt Haffner die Unbeschwertheit einer Liebe, die vor dem aufziehenden Hintergrund des Nationalsozialismus nicht dauerhaft sein wird.
Der junge Raimund ist bis über beide Ohren in die lebenslustige Teddy verliebt, die mit ihrem Esprit alle verzaubert. Er ist extra aus dem dumpfen Deutschland der frühen 30er Jahre nach Paris gereist, um dort mit Teddy und anderen Freunden noch einmal die Freiheit der Jugend vollends auszukosten. Es ist eine illustre Gesellschaft aus Exilanten, Gestrandeten, gescheiterten Künstlern und im Mittelpunkt immer die umschwärmte Teddy. Doch der Abschied naht unvermeidlich. Mit untrüglichem Gespür für die damalige Gegenwart hat der junge Haffner die Atmosphäre eingefangen: den Hunger, den Lebenswillen, den Übermut und die Überreiztheit der Jugend und die Bedrohung durch eine lebensfeindliche Ideologie. (H.O.)
Maud Ventura – Mein Mann
Hoffmann & Campe, 24 €
Wenn ich mir eine einzige Zauberkraft wünschen könnte, dann wäre das „Träume kontrollieren. Dann könnte ich mich in die Träume meines Mannes einschleichen, damit er jede Nacht von mir träumt.“ Diese seltsamen Kontrollwünsche äußert eine Frau, die eigentlich alles zu haben scheint: einen perfekten Job, ein wunderschönes Haus, eine gutes Aussehen, zwei großartige Kinder und den idealen Mann. Doch halt: Liebt er sie wirklich noch genauso wie vor 15 Jahren, als sie heirateten? Kann sie sich seiner Liebe sicher sein? Der Keim des Misstrauens ist gelegt. Sie stellt ihren Mann auf die Probe. Immer wieder und sie steigert dabei die Herausforderung für ihn immer weiter. Ohne, dass er etwas davon ahnt. Bis sie eines Tages zu weit geht.

Worin das Überschreiten dieser Grenze besteht und was es für Konsequenzen nach sei sich zieht, sei an dieser Stelle nicht verraten. Nur so viel: Die Geschichte dieser Obsession lohnt sich absolut. (H.O.)

Mariana Travacio – Ein Mann namens Loprete
Pendragon, 22 €
Schon der Titel erinnert an einen Westernfilm und tatsächlich: Es handelt sich um einen argentinischen Western und das mit allen klassischen Zutaten: Rache, Pferde, schnelles Ziehen beim Shootout, Gerechtigkeit und vermeintliche Erlösung. Mariana Travacio hat einen kompakt verdichteten und spannenden Western geschrieben, dessen Lektüre bei 125 Seiten nicht länger dauert als das Ansehen eines Western-Epos mit Gary Cooper oder John Wayne. Der junge Waise Manoel lebt bei dem Barbesitzer El Tano in der staubigen argentinischen Einöde. Eines Tages betritt ein Mann die Bar, der sich als Loprete vorstellt und eine gewisse „Pepa“ sucht.
Ein paar Gläser Gin später liegt der Fremde tot am Boden, erstochen im Eifer des Gefechts. Schnell wird er verscharrt. Doch damit nimmt eine unheilvolle Gewaltspirale ihren Ausgang. Wer’s kurz und hart mag, wird hier bestens bedient. (H.O.)