Prof. Dr. Rainer Dollase

Es gibt einen Weltglückstag, einen Glücksatlas und auch Seminare fürs Glücklichsein.
Doch was ist Glück? Wann fühlt man es und wie? Auch die Forschung ist dem Glück auf der Spur und untersucht, wo und wie Menschen erfolgreich auf Glück stoßen.
Wir haben mit Dr. Rainer Dollase, von 1980 bis 2014 war der inzwischen emeritierte Bildungsforscher Professor für Psychologie an der Universität Bielefeld, über die Psychologie des Glücks gesprochen.

Was ist Glück?
Glück ist ein Wort für „es geht mir gut“ – in der internationalen Forschung sagt man „subjective well being“ – subjektives Wohlbefinden. Die Worterklärung zeigt schon – das ist ein höchst subjektives Gefühl. Es ist kaum – das heißt nur wenig – durch objektive Lebensumstände erklärbar: Menschen in Slums können glücklich sein, Kinder waren es nach dem 2 .Weltkrieg – als alles in Trümmern lag. Menschen, die in Saus und Braus leben sind manchmal unglücklich. Alles ist möglich. Glück gibt es situativ, aber auch als permanente Gefühlsbilanz seines bisherigen Lebens: Ich war, ich bin glücklich.

Hat Glücklichsein eine genetische Komponente?
Ja, ein Teil des „subjective well being“ ist – so zeigen es Zwillingsstudien – offenbar genetisch als Tendenz zu guter Laune festgelegt. Allerdings kann man bei keinem Menschen den individuellen genetischen Anteils seines Wohlbefindens in Anlage, Selbstentscheidung und Umwelt aufsplitten. Niemand kann sich also wegen seiner Miesepetrigkeit oder seiner unerklärlichen guten Laune auf irgendeine Ursache herausreden. Es ist wie es ist.

Was kann man selber tun, um glücklich zu sein oder zu werden?
Gegen widrige Schicksalsschläge und eine ungünstige Erbkonstitution ist kein Kraut gewachsen. Wir wissen es im Einzelfall nicht – peinlich ist die Opferbeschämung, die wir in unserer Gesellschaft oft erleben. So als ob jeder selbst schuld sei, wenn es ihm weniger gut geht. Aber: Es gibt eine ganze Reihe von Lebenstechniken und Verhaltensweisen, die einem helfen können, sein Wohlbefinden zu bewahren. Dazu gehört zum Beispiel sich an kleinen Dingen zu erfreuen, die Realität und die Ereignisse nicht nur immer negativ zu deuten, sondern auch positiv. Ganz nach dem Motto „Schön, dass die Gardinen gewaschen sind, die duften so gut“ und nicht „In 2 Monaten sind sie wieder dreckig“. Kleine Erfolgserlebnisse anstreben, sich nicht immer mit jenen vergleichen, denen es besser geht, sich realistische Ziele in Beruf und Freizeit setzen, die man sicher erreichen kann … Es gibt sogar Trainingsprogramme dazu.

Gibt es „Glückskiller“?
Ja, die gibt es heute mehr als früher. Der Grund sind Social Media und das, was man vom Leben tausender glücklicher Menschen erfährt. Dieser Prozess – „sozialer Vergleich“ genannt – ist ein echter Glückskiller. Ich erfahre, wie toll das Leben vergleichbarer Menschen verläuft, wie toll sich Paare lieben und automatisch vergleiche ich meine Situation mit der der anderen, denen es besser geht. Es kommt Neid auf, doch Neid killt Glück.
Der uralte Ratschlag „Vergleiche Dich nicht immer mit Menschen, denen es besser geht als Dir“ – immer sind andere schöner, reicher, erfolgreicher, bedeutender – ist richtig. Besser ist der ebenfalls alte Vorschlag: „Denke an die vielen anderen, denen es schlechter geht als Dir“. Abwärtsvergleiche mildern den Neid.
Glücklich werden Menschen, die trotz ihrer Vorzüge bescheiden bleiben und keinen Anlass zu Neid bieten, weil sie wissen: Du wirst nur glücklich, wenn deine Umgebung auch einigermaßen glücklich ist. Die Sorge für das Glück der anderen macht glücklich. Das Unglück der Mitmenschen ist dagegen ein weiterer Glückskiller.