IDEEN-POOL FÜR DIE KULTURSTADT VON MORGEN

Hier dürfen nicht nur Experten ran. Auch bei der zweiten Kulturentwicklungsplanung setzt das Kulturdezernat wieder ganz bewusst auf eine breite Beteiligung und möglichst viele Stimmen aus der Stadtgesellschaft. „Diversität ist genauso wichtig wie Fachkenntnisse“, unterstreicht Johanna Trockels. „Die KulturBar ist wie ein Nährboden, ein Ideenpool, aus dem dann konkrete Projekte entstehen“, so die Geschäftsführerin Kulturentwicklungskonzept.

Bis Ende Februar konnten alle Bielefelder*innen in der KulturBar ihre Vorschläge zur Weiterentwicklung der Kulturstadt einbringen. Fragen, Wünsche und Anregungen dazu liefern, wie ein vielfältiges Kulturangebot in Zukunft aussehen könnte. „Der kreative Auftakt ist gelungen“, freut sich die 41-Jährige. Sowohl Kulturakteure als auch Menschen aus Bereichen wie Stadtplanung, Jugendarbeit, Wirtschaft und Hochschulen meldeten sich und nutzten das Mitmach-Angebot, brachten Ideen ein und diskutierten darüber. Aktuell wird in kleineren Thinktanks in den sechs Themenfeldern „Kulturräume“, „Wege der Digitalisierung“, „Kultur der Vielfalt“, „Gesellschaftliche Verantwortung“, „Netzwerke der Kreativen“ sowie „Struktureller Wandel“ weitergearbeitet. Langfristig, bis Ende 2022, sollen hier die Grundlagen für das zweite Kulturentwicklungskonzept erarbeitet werden.

Der Start der Mitmach-Aktion lief übrigens anders als gedacht. „Ursprünglich hatten wir vor, im Kulturhaus Ostblock ein ungewöhnliches analoges Format umzusetzen, eben eine echte KulturBar“, so die Beauftragte für die Kulturentwicklungsplanung im Kulturamt Bielefeld. „Aber dann kam Corona dazwischen und wir haben auf digital umgeplant. „Umdenken“ ist auch für die Kulturschaffenden derzeit ein wichtiges Stichwort. „Viele Akteure haben technisch und inhaltlich ganz neue Strukturen und Formate aufgebaut, von interaktiven Filmen bis zu Improtheater via Zoom“, so die Bielefelderin. „Die Corona-Pandemie hat den Impuls für eine Experimentierphase gegeben und vieles auf den Weg gebracht.“ Obwohl sie das „analoge Abenteuer“ von Festivals oder Theaterbesuchen vermisst, kann Johanna Trockels dieser Entwicklung durchaus Positives abgewinnen. „Mir gefallen experimentelle Formate, die Grenzen austesten und neue Herangehensweisen ausprobieren, wie zum Beispiel digitale Kunst. Ich mag gute Geschichten und bin neugierig auf interessante Impulse.“

Dass die Kulturszene nach Corona dieselbe sein wird wie zuvor, glaubt die Bielefelderin nicht. Umso wichtiger findet sie es, dass die Kulturentwicklungsplanung aus diesen spannenden inhaltlichen Ansätzen neue Strukturen entwickelt. Und dabei auch Fragen beantwortet, die in der KulturBar diskutiert wurden. Etwa: Wie können Digitales und Analoges verstärkt zusammenwachsen? Aber auch: Wie kann man Bezahlmodelle für Online-Kultur und generell neue Modelle für die Vermarktung von Kultur entwickeln? „Ich bin gespannt, was da langfristig entsteht“, unterstreicht die Kulturentwicklerin. „Ich glaube, dass Kultur einen Beitrag leisten kann, um mit der veränderten Wahrnehmung von digital und real zu experimentieren.“ Überhaupt sieht sie Kultur als Experimentierlabor für einen Prozess, der die Gesellschaft insgesamt betrifft. „Corona gibt dem Strukturwandel einen enormen Schub, nicht nur im Kulturbereich. Kultur, Kunst kann mit Mitteln der Kreativität eine weitere Ebene hinzufügen, die den Wandel kritisch hinterfragt, humorvoll beleuchtet, auf jeden Fall spürbar macht.“


Aber auch ganz andere Themen wurden in der KulturBar diskutiert und werden auch beim neuen Kulturentwicklungsplan eine Rolle spielen. An Fragen mangelt es auf keinen Fall. Im Gegenteil: Mit- und Weiterdenken ist in verschiedensten Bereichen willkommen. Etwa wenn es darum geht, wie sich die ganze Vielfalt der Stadtgesellschaft in der Kulturstadt wiederfinden oder Inklusion weiter realisiert werden kann. Oder wie sich Strategien für Nachhaltigkeit entwickeln lassen. Wie lässt sich die Sichtbarkeit der Kultur im Stadtleben erhöhen, wie geht es raus aus den Zielgruppen-Nischen? Und können kreative Potenziale verstärkt gebündelt werden, wie es etwa im Kulturhaus Ostblock bereits gelungen ist? „Spannend finde ich auch den in der KulturBar geäußerten Wunsch, dass der öffentliche Raum stärker zum Kulturraum werden soll. Kultur- und Stadtentwicklung zusammenzudenken, könnte die Innenstädte beleben, deren Verödung ja gerade ein aktuelles Thema ist.“ Alle, die in den letzten Monaten in leeren Fußgängerzonen unterwegs waren, sehnen sich garantiert nach belebendem Straßentheater oder Open-Air-Konzerten. „So könnte durch Corona“, resümiert Johanna Trockels, „auch eine neue Wahrnehmung und Wertschätzung des Realen entstehen.“


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