Guter Weg & Luft nach oben

Digitalisierung oder Industrie 4.0 – und die damit einhergehenden neuen Arbeitsprozesse, was heute gern unter dem Begriff „New Work“ gefasst wird – das treibt die Unternehmen in unserer Stadt und der ganzen Welt um. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie wirkten in vielen digitalen Bereichen wie ein Katalysator. Homeoffice, Video-Calls und -Konferenzen wurden (fast) über Nacht zu selbstverständlichen Formen der Kommunikation. Wie sieht es aber mit der Digitalisierung generell aus?

Wir können nicht sagen, nächste Woche sind wir fertig“, lacht Uwe Lück, Referatsleiter Technologie & Innovation und Hochschulbeauftragter bei der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld. „Digitalisierung ist ein langer Prozess mit vielen unterschiedlichen Ausprägungen. Es ist eine große Herausforderung, sie wirtschaftlich und menschlich umzusetzen.“ Dabei denkt der studierte Ingenieur an die ersten Schritte dessen, was wir heute alles unter Digitalisierung fassen. In den 1980ern waren es die Computer, die allmählich Einzug in die Unternehmen hielten. Allerdings wurde es erst richtig interessant, als die Rechner schneller wurden und über eine höhere Speicherkapazität verfügten.

17 TAUSEND EURO investieren KMU im

Durchschnitt pro Jahr in die Digitalisierung

Quelle: BMWi

Im Bereich Industrie 4.0, hier geht es vornehmlich um Automation und Vernetzung von Maschinen, sieht Uwe Lück die Region auf einem guten Weg. „Damit wurde schon frühzeitig mit dem Spitzencluster ,it‘s OWL‘ begonnen“, betont der Referatsleiter. „2011 stellte das Bundesministerium für Bildung und Forschung 40 Mio. Euro zur Weiterentwicklung von Lösungen für intelligente Produkte und Produktionsverfahren zur Verfügung.“ Aktuell sind seit 2018 über 200 Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Organisationen damit befasst, mit Unterstützung des Landes NRW, bis 2023 Projekte im Umfang von 100 Millionen Euro umzusetzen. Themenschwerpunkte sind Künstliche Intelligenz, digitale Plattformen, Digitaler Zwilling und Arbeit 4.0. „Durch ,it‘s OWL‘ sind die Hochschulen in Ostwestfalen enger zusammengewachsen“, berichtet der Hochschulbeauftragte. „Ebenfalls im Zusammenhang mit dem Spitzencluster wurde das Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik in Paderborn aufgebaut.“

34 PROZENT der KMU haben

keine Digitalkompetenzen.

Quelle: BMWi

DURCHSTARTEN

Nicht nur der vielfältige Branchen-Mix und die gute Mischung aus Traditions- und jüngeren Unternehmen macht die Wirtschaftskraft des Standortes aus, sondern auch die agile Start-up-Szene, die sich häufig mit technologiegetriebenen Produkten und Dienstleistungen befasst. „Das ist gerade für den Mittelstand, der häufig nicht über eine eigene Abteilung für Forschung und Entwicklung verfügt, eine großartige Chance, zusammen mit den jungen Unternehmen gemeinsame Projekte anzugehen beziehungsweise diese, mit einer konkreten Aufgabenstellung zu beauftragen. Und wir haben hier die Player, die bereit sind, Geld zu investieren.“

Durch die sich stetig entwickelnde Startup-Szene ist „Brain Drain“, also die Abwanderung von WissenschaftlerInnen, schon lange kein größeres Thema mehr in Ostwestfalen. Ganz im Gegenteil, viele Hochschulabsolventen wissen die Bedingungen, wie bezahlbare (Büro-)Mieten oder Baugrundstücke, eine gut vernetzte und überschaubare Wissenschafts-Community etc., im Vergleich zu Berlin oder anderen Start-up-Metropolen zu schätzen.

WAS BRINGT DIE DIGITALISIERUNG?

Für jede Branche, für jedes Unternehmen bedeutet Digitalisierung etwas anderes: neue Geschäftsmodelle, intelligente Arbeits- und Produktionsprozesse, eine effektivere Kundengewinnung und eine bessere Vernetzung, zum Beispiel mit Lieferanten. Digitale Kompetenzen und digital geschulte Mitarbeitende sind deshalb ein entscheidender Faktor für wirtschaftlichen Erfolg. „Man braucht schon etwas Fantasie und vielleicht auch Unterstützung von außen, um die sich bietenden Chancen passgenau für das eigene Unternehmen umzusetzen. Es erfordert manchmal Mut, Geschäftsmodelle neu zu denken. Dann kann es sein, dass sich das hergebrachte Modell überholt hat“, erzählt der Ingenieur aus der Praxis. „Das Arbeiten wird sich verändern, eine 40-Stunden-Woche mit Arbeitszeiten von 9 bis 5 wird von flexiblerem Arbeiten, auch im Homeoffice, abgelöst. Es werden einige Arbeitsplätze durch die Digitalisierung wegfallen und neue kommen hinzu. In welchem Verhältnis das vonstatten geht, müssen wir genau beobachten, damit möglichst wenige auf der Strecke bleiben“, so Uwe Lück, der sich als Personalratsvorsitzender für die Belange der Belegschaft einsetzt. Die IHK bietet verschiedene Beratungen an, um die über 113.000 Mitgliedsunternehmen in puncto Digitalisierung zu unterstützen. Auch zu der neuen Digitalisierungsoffensive „Digital Jetzt“ des Bundeswirtschaftsministeriums gibt es entsprechende Angebote. Außerdem sind in der eigens entwickelten Datenbank Digi[X] Dienstleister, Berater und Handwerksbetriebe für Digitalisierung zu finden. Diese ist gerade für kleinere Unternehmen ohne eigene Fachleute im Haus hilfreich.

Bei der Infrastruktur, die für die Digitalisierung unabdingbar ist, sieht der Experte für Technologie und Innovation allerdings noch sehr viel Luft nach oben. „Da müssten entsprechende Anreize geschaffen werden, um den Glasfaserausbau tatsächlich flächendeckend voranzutreiben, damit die Maschinenkommunikation tatsächlich funktioniert. Die technischen Voraussetzungen für sehr viele Formen der Automatisierung sind bereits vorhanden.“

52 PROZENT der mittelständischen

Unternehmen sind nur „durchschnittlich“ digitalisiert.

Quelle: BMWi

„DIGITAL JETZT“

Um mittelständischen Betrieben die Umsetzung der Digitalisierung zu erleichtern, bietet das neue Förderprogramm des Bundeswirtschaftsministeriums „Digital Jetzt – Investitionsförderung für KMU“ finanzielle Zuschüsse, um entsprechende Investitionen in kleinen und mittleren Unternehmen – einschließlich Handwerksbetriebe und freie Berufe – anzuregen. Zuschüsse gibt es bei:

• Investitionen in digitale Technologien sowie

• Investitionen in die Qualifizierung der Beschäftigten zu Digitalthemen.

Antragstool und weitere Infos unter www.bmwi.de