Komplexe Verknüpfungen

Am 1. Januar 2016 traten die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN in Kraft. Darunter die Ziele: „Keine Armut“, „Kein Hunger“ und unter Nr. 10 „Weniger Ungleichheit“. Wahrscheinlich war den Verfasser*innen schon bewusst, dass die Herstellung globaler Gleichheit nicht zu erreichen ist – zumindest nicht bis 2030.

Georg Krämer

Globale Gerechtigkeit ist ein ganz weites Feld. Nur von Fairness oder Unfairness zu sprechen, ist schwierig“, sagt Georg Krämer, Bildungsreferent im Welthaus Bielefeld. Die Benachteiligung der ärmeren Länder des globalen Südens ausschließlich auf die Ausbeutung durch die Industrienationen zu reduzieren, greift ihm 60 Jahre nach Beendigung des Kolonialismus zu kurz. Die Ursachen sind vielfältiger und komplexer. Es gibt zum einen ein mangelndes Mitspracherecht der Länder des Globalen Südens in der Politik, in wichtigen UN-Organisationen (insbesondere Weltbank und IWF) und auch im UN-Sicherheitsrat, in dem Indien oder afrikanische Länder schlicht fehlen. „Zum anderen gibt es eklatante ökonomische Ungleichheiten im Welthandel und in der Weltwirtschaft, die es
ärmeren Ländern schwer machen, daraus ausreichend Nutzen zu ziehen. Während viele Schwellenländer (wie China, Indien, Vietnam, Malaysia, Brasilien oder Chile) durch die Globalisierung ökonomisch und sozial gewonnen haben, gelingt es den ärmeren Staaten trotz gewisser Bevorzugung im Zollsystem nicht, ihre Weltmarktanteile zu vergrößern. Fragwürdige wirtschaftspolitische Prioritäten der jeweiligen Regierungen kommen hinzu und haben zur Folge, dass Fortschritt und Entwicklung gerade in den ,ärmsten Ländern‘ ausbleiben“, erläutert Georg Krämer.

MEHR WOHLSTAND – UND DIE KONSEQUENZEN

In der öffentlichen Wahrnehmung entsteht vielfach der Eindruck, dass sich die Armut weltweit immer weiter verschlimmert. Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Weltweit nimmt extreme Armut – damit sind Menschen gemeint, die weniger als 2,15 $ pro Tag zur Verfügung haben – seit 1990 deutlich ab. Auch die Kindersterblichkeit sinkt und etwa 90 Prozent aller Grundschulkinder besuchen eine entsprechende Schule. „Aber die Qualität der Bildung in ärmeren Ländern ist häufig schlecht, wenn sich beispielsweise eine Lehrkraft um 40 Kinder kümmern muss und jegliche Lehrmittel fehlen. Der soziale Hintergrund – das sehen wir in Deutschland wie auch in der Welt – ist eng verknüpft mit dem Bildungserfolg“, so Georg Krämer. Alarmierend ist aber auch die steigende Zahl der chronisch Unterernährten und der Menschen ohne Ernährungssicherheit.

Globale Gerechtigkeit ist ein ganz weites Feld. Nur von Fairness und Unfairness zu sprechen, ist schwierig.

Zugleich nimmt die Zahl der übergewichtigen und adipösen Menschen stetig zu, in armen wie in reichen Ländern. Insgesamt ist der steigende Wohlstand gerade in den bevölkerungsreichen Schwellenländern unübersehbar. Steigender Wohlstand bedeutet aber auch: mehr Fleischverzehr, mehr Autos, mehr Handys und in der Summe immer mehr Treibhausgasemissionen. Während in Europa der CO2-Ausstoß zuletzt zurückging, wächst er in Asien und auch in Osteuropa weiter. Das Dilemma beschreibt Ban Ki Mon, ehemaliger UN Generalsekretär: Wir können die erste Generation sein, der es gelingt, die Armut zu beseitigen, ebenso wie wir die letzte sein könnten, die die Chance hat, unseren Planeten zu retten.“

GLOBALES LERNEN

Die größten Bedrohungen der Menschheit sind global und können auch nur in weltweiter Zusammenarbeit abgewendet werden. Dieses Bewusstsein zu entwickeln und zu stärken, ist das Ziel des Globalen Lernens, das in der Arbeit des Welthauses einen zentralen Stellenwert hat. „In diesem Zusammenhang erstellen wir Unterrichtsmaterialien und andere didaktische Medien, die jungen Menschen Anregungen geben sollen, Weltverwicklungen zu erkennen. Für jüngere Schüler*innen gibt es Bildungsmaterialien zum Anfassen, wie unsere „BildungsBags – etwa zu Kakao und Schokolade. Das Wissen über die globalen Zusammenhänge ist eine wichtige Voraussetzung, um die zentralen Probleme gemeinsam anzugehen“, betont Georg Krämer. „Wenn wir in Zukunft mehr Gerechtigkeit und unser Planet eine Zukunft haben soll, wird das nur gelingen, wenn wir global denken und lokal handeln.“ ✔

Text: Eike Birck
Foto: Welthaus Bielefeld, privat