TIERISCHER LANDSCHAFTSSCHUTZ

„Das ist kein Job. Das muss man leben“, stellt Mike Lindley fest. Mit und für seine Heidschnuckenherde, die aus rund 500 Schafen, meist ebenso vielen Lämmern und 30 Ziegen besteht, ist der Schäfer 365 Tage und im Jahr rund um die Uhr im Einsatz – bei Wind und Wetter. Begleitet wird er von seinen drei Hütehunden Ronja, Scotch und Luie, denn wenn zum Beispiel die Eicheln fallen, sind das für die Heidschnucken unwiderstehliche Leckerbissen und lässt sie aus der Reihe tanzen.

Oftmals genügt jedoch der einfache Lockruf des Schäfers: „Kommt Mädels!“ oder ein prägnanter Pfiff, um die Tiere wieder in die Spur zu bringen. Vorneweg sind meist die Ziegen zu finden. „Sie sind gute Leittiere“, sagt Mike Lindley. „Sie fressen eher oben, also auch größere Sträucher oder die gehaltvollere Rinde. Das brauchen sie auch, weil sie im Vergleich zu Schafen, die eher unten fressen, einen höheren Stoffwechsel haben.“

Die romantisierte Vorstellung vom Beruf des Schäfers ist in der Realität ein Knochenjob. In der Biologischen Station Kreis Paderborn – Senne e.V. hat Mike Lindley gute Bedingungen vorgefunden. Zuvor hat er schon in Düsseldorf Schafe am Rhein gehütet, aber irgendwann wurde alles zu viel und er sattelte um auf Lkw-Fahrer. Nach einigen Jahren stieg er jedoch wieder vom Bock – er vermisste die Freiheit, die Ruhe und die Natur.

„Wenn im Herbst die Kraniche gen Süden ziehen und mitten in die Herde reinfliegen, ist das ein unbeschreibliches Bild.

Satt, frei und glücklich

Kein Klischee ist übrigens der Schäferstab. Mit dem gebogenen Griff können Tiere gefangen werden und mit dem am unteren Ende angebrachten Schippchen wirft Mike Lindley bei Bedarf Sand, um verirrte Tiere wieder auf den rechten Weg zu bringen.

„Außerdem kann ich damit giftige Pflanzen ausstechen, die den Heidschnucken schaden können“, erklärt der Schäfer, der seit mittlerweile drei Jahre die Tiere in der Senne auf dem Truppenübungsplatz weiden lässt. Nur zur Lammzeit im Februar und März sind die Schafe im Stall. Die meisten Tiere brauchen keine Hilfe, um ihr Junges zur Welt zu bringen, aber ab und an muss Mike Lindley Geburtshilfe leisten. Scheren muss er die Schafe nicht selbst. Hierzu kommt im Juni eine Profi-Kolonne mit bis zu sieben Leuten, die ein Tier innerhalb von einer Minute von seinem Pelz befreien. Seine Hauptaufgabe besteht darin, die Schafe satt zu bekommen. Etwa acht Stunden Nahrungsaufnahme stehen täglich auf dem Programm. Aber zu früh morgens darf nicht gestartet werden. „Der Morgentau muss bereits getrocknet sein, sonst besteht die Gefahr, dass die Schnucken die Schnecken mitfressen, die Hauptüberträger von Parasiten sind. Heidschnucken stehen auf der Roten Liste der bedrohten Haustierrassen.

Biologische Vielfalt erhalten

Rund 2.000 Hektar bearbeitet Mike Lindley mit seiner Herde – und leistet damit aktiven Landschaftsschutz. Die Senne zählt zu den wertvollsten Naturgebieten in NRW, was Lebensraumtypen und Arten anbelangt. Ca. 860 Farn- und Blütenpflanzen, 202 Moose, 1.606 Großpilze, ca. 100 Brutvögel, viele Reptilien, Amphibien, Schmetterlinge und weitere Arten sind dort zu finden.

Es klingt vielleicht paradox, aber gerade weil die rund 116 Quadratkilometer des Truppenübungsplatzes bereits seit über 100 Jahren militärisch genutzt werden, wurde diese außergewöhnliche Sandlandschaft vor Schäden durch die moderne Zivilisation bewahrt. Um diese Kulturlandschaft zu erhalten, braucht es den tierischen Verbiss des Heidekrauts.

Und da machen die Heidschnucken einen richtig guten Job und fördern die Verjüngung und Blühfreudigkeit der Pflanzen. „Gleichzeitig verhindern sie das Aufkommen von Birken und Kiefern, wobei die Ziegen die Heidschnucken tatkräftig bei den Sträuchern unterstützen. Und wenn ein Panzer über das Gelände fährt, ist das sogar gut für die Erhaltung der alten westfälischen Heidelandschaft“, berichtet Friederike Stelzner-Langner, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Biologische Station und u. a. für Bildung und Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Und woher haben die Heidschnucken eigentlich ihren Namen? „Das ist recht einfach“, lacht die Landschaftsökologin. „Schnucke“ leitet sich von „Schnökern“ ab, einem alten norddeutschen Wort für Naschen.“ (E. B.) ✔
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