Mit der Produktion der „Odyssee“ fing alles an. Doch für Indira Heidemann wurde es keine Irrfahrt, sondern eine langjährige Verbundenheit. Durchaus mit Abstechern in andere Gefilde, aber immer mit dem Gefühl: Hier bin ich richtig. Vielleicht, weil die Theaterpädagogin, Schauspielerin und Regisseurin eine bestimmte Haltung mit dem Theaterlabor verbindet. Auch wenn sie nach einem Jahr Corona-Pandemie eine gewisse Müdigkeit an sich entdeckt, betont sie: „Am liebsten bin ich im Let’s go-Modus.

Das Theaterlabor selbst beweist mittlerweile seit fast 40 Jahren immer wieder die Fähigkeit, durch unsichere Gewässer zu steuern und Stürme zu meistern. Auch während des Lockdowns, der für freie Theater besonders harte Zeiten bedeutet. „Unsere Haltung ist: ‚Mach was draus‘. Ich glaube es hilft uns, dass wir in dieser Art des Denkens trainiert sind“, unterstreicht Indira Heidemann. Zugleich versucht sie, möglichst wenig darüber nachzudenken, was sie gerade alles vermisst. „Aber toll wäre es schon, wieder im Saal vor Live-Publikum spielen zu können. Gut möglich, dass wir dann alle erstmal weinen.“

Aktuell sind alle Produktionen weiterhin digital geplant, könnten aber relativ schnell auch auf der realen Bühne stattfinden. Schon nach dem ersten Lockdown im letzten Jahr hat das Theaterlabor sich auf die veränderten Bedingungen eingestellt, neue Formate und Projekte entwickelt. „Wenn wir was wollen, dann beißen wir. Wir haben extrem geackert und zum Beispiel Gelder beantragt, um eine technische Ausrüstung zu kriegen. Die erste Digitalproduktion fühlte sich an wie eine Mondlandung in einer Konservendose“, lacht die Bielefelderin, die persönlich eigentlich gar nicht digital-affin ist. „Mittlerweile sind wir souveräner. Und wissen zum Beispiel, wie viele Kameras es braucht, um ein Theatererlebnis zu schaffen, das mehr ist als das bloße Abfilmen eines Stücks.“ Die Aufführungen sollen ein echtes Ereignis bleiben. „Dafür müssen alle zur selben Zeit am selben Ort sein. Wir treffen uns vorher im digitalen Foyer, spielen möglichst auch live und führen Publikumsgespräche. Wenn jeder einzeln streamt, kann man ebenso gut fernsehen.“

Wir Menschen zeichnen uns doch genau dadurch aus,

dass der eine den anderen trifft – und das verändert uns,

mit jeder Begegnung.

Dass es im Theaterlabor um mehr als reinen Konsum geht, spürte Indira Heidemann gleich bei ihrer ersten Begegnung. „Als Studentin habe ich mich eher mit Musik beschäftigt, doch dann entdeckte ich in der Uni einen Zettel, dass das Theaterlabor Leute für die ‚Odyssee‘ sucht. Das ist 22 Jahre her, aber ich kann mich noch genau daran erinnern.“ Gemeinsam mit anderen Laien wurde sie unter anderem in Bühnenpräsenz trainiert und lernte das gemeinsame Sprechen im griechischen Chor. „Zuerst habe ich nicht verstanden, worum es geht, aber ich habe verstanden, dass es um etwas geht“, blickt die Schauspielerin zurück. „Ich habe instinktiv gespürt: Hier bleibst du erstmal.“ Nach ihrem Abschluss als Dipl.-Sozialpädagogin war der naheliegende Schritt, ihr Anerkennungsjahr am Theaterlabor zu machen. „Danach war ich festes Ensemblemitglied und habe total viel Aufregendes erlebt.“

2011 folgte eine Auszeit, eigentlich wollte Indira Heidemann etwas Anderes ausprobieren. „Aber dann habe ich doch mit ganz vielen Leuten Theater gemacht, vom Trotz-Alldem- bis zum Alarm Theater – als freie Schauspielerin, Regisseurin und Theaterpädagogin. Und genau in letzter Funktion führte sie ihre persönliche Reise zurück ans Theaterlabor, wo sie seit einigen Jahren aber auch verstärkt inszeniert. Aktuell zwei Stücke, die einen unverkennbaren Corona-Bezug haben. „‘Die Zweite Welle‘ ist aus der Dringlichkeit heraus entstanden, die Umstände, in denen sich insbesondere berufstätige Mütter befinden, zu beleuchten. Wir hatten das Gefühl: Hier läuft was aus dem Ruder“, sagt die Regisseurin. Das Stück basiert auf Erfahrungsberichten von Müttern aus der Region, die sich während der Pandemie plötzlich ganz selbstverständlich neben ihrer Arbeit auch um die Kinderbetreuung daheim kümmern sollten.


Die neue Produktion „Kontaktfläche“ beruht auf der Annahme, dass jeder Kontakt zwischen zwei Menschen einzigartig ist und niemals wiederholt werden kann. Denn auch, wenn pandemiebedingt das Zusammentreffen von Menschen gerade überwiegend auf zweidimensionalen Bildschirmen stattfindet, bleiben die Prinzipien des Austauschs gültig. Das Besondere an der Inszenierung ist, dass sich Schauspielende und Gäste online tatsächlich jeweils einzeln begegnen und exklusive Minuten miteinander verbringen. „Ich finde solche Eins zu Eins-Situationen extrem interessant“, betont Indira Heidemann. Umso mehr, als sie weiß, dass viele Menschen darauf mit Erschrecken reagieren. „Das ist merkwürdig, denn eigentlich müsste es eine tolle Gelegenheit sein. Wir Menschen zeichnen uns doch genau dadurch aus, dass der eine den anderen trifft – und das verändert uns, mit jeder Begegnung.“

Aktuelle Termine: www.theaterlabor.de