Reinhard Jenke & Stefan Jankowiak

Als wir uns im Café des Bielefelder Welthauses zum Gespräch treffen, trinken wir natürlich einen Bielefeld Kaffee. Er kommt aus Bielefelds Partnerstadt Estelí in Nicaragua. Hinter diesem Kaffee verbirgt sich neben seinem hervorragenden Geschmack eine lebendige und wechselvolle Geschichte. Und er ist so etwas wie eine Konstante im langjährigen Engagement von Reinhard Jenke und Stefan Jankowiak.

Initialzündung für ihren – teils ehrenamtlichen, teils beruflichen – Einsatz, war die Revolution in Nicaragua. 1979 wurde Diktator Somoza gestürzt, die Sandinistische Befreiungsfront übernahm die Regierung. Dieser Freiheitskampf, verbunden mit dem Traum von einer sozial gerechten Gesellschaft, hat beide Wahl-Bielefelder begeistert. Und sie wollten diese Entwicklung unterstützen. „In den 80er-Jahren haben wir Arbeitsbrigaden organisiert, gingen in die Kaffee-Ernte oder verlegten Wasserleitungen“, erinnert sich Reinhard Jenke. Der heute 69-Jährige verbrachte fast jedes Jahr sechs Wochen in Nicaragua. „Wir waren fasziniert von dem ‚Spirit‘ der dort herrschte. Wir haben viele Kontakte etwa zu Schulen und Kindergärten geknüpft und es tatsächlich geschafft, etwas zu bewegen.“

40 JAHRE WELTHAUS
Genau genommen, sind es bereits 42 Jahre, denn Corona hat auch diesem Jubiläum einen Strich durch die Rechnung gemacht. Vom 20.-22.5. ist jetzt ein Fest-Wochenende mit großem Empfang, Ehemaligen-Treffen, Tag der Offenen Tür, Gottesdienst und Fotoausstellungen im Rathaus und der VHS geplant.
Nähere Infos unter www.welthaus.de

Parallel dazu führte die Arbeit verschiedener Solidaritätsgruppen zu Lateinamerika, aber auch Afrika, zur Gründung des damals noch so genannten Dritte Welt Hauses in Bielefeld. Auch dem sind Reinhard Jenke und Stefan Jankowiak, die beide für ihr Studium in die Stadt kamen, seit vielen Jahren verbunden. Reinhard Jenke hat hier 20 Jahre hauptamtlich gearbeitet, ehe er für ein Entwicklungshilfeprojekt nach Bonn ging. Aber besonders Nicaragua hat die beiden Mitglieder im Estelí-Komitee des Welthauses Bielefeld, beruflich wie privat, nie losgelassen. So hat Stefan Jankowiak sechs Jahre als Entwicklungshelfer für Brot für die Welt in Nicaragua gearbeitet. Der Journalist hat dort u. a. Kampagnen im Gesundheitsbereich entwickelt.
Im Rahmen der Städtepartnerschaft mit Estelí hat er viele Partnerschaftsprojekte koordiniert und geleitet, den Bielefeld-Kaffee mit auf den Weg gebracht und sich außerdem für das Weltwärts-Programm eingesetzt. „In diesem Rahmen waren ca. 130 junge Leute in Nicaragua“, so der 66-Jährige. „Viele Menschen haben so Verbindungen zu dem Land aufgebaut. Das war ein reger Austausch voller Leben, der noch andere Aspekte mit sich bringt als reine Entwicklungszusammenarbeit.“

Das ist momentan leider Geschichte – was weniger an Corona als an der politischen Entwicklung in Nicaragua liegt, die beide Bielefelder bestürzt. Seit der gewaltsamen Unterdrückung von Protesten im April 2018 mit circa 300 Toten befindet sich Nicaragua in einer schweren Krise. Regierung, Verwaltung, Justiz, die Wahlbehörden und fast alle Medien werden von der Präsidentenfamilie von Daniel Ortega kontrolliert, der 2006 bei einer umstrittenen Wahl an die Macht kam. „Das ist eine hochdramatische, traurige Entwicklung, die bei uns aber kaum wahrgenommen wird, weil anderes Weltgeschehen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht“, so Reinhard Jenke. „Die politische Lage macht einen Austausch unmöglich, die Situation vor Ort ist zu gewalttätig“, ergänzt Stefan Jankowiak. Auch das Büro in Estelí funktioniert nur noch formal. „Die Regierung boykottiert internationale NGOs und möchte sie aus dem Land heraushalten.“ Eine offizielle Zusammenarbeit mit den vielen Partnern vor Ort ist nicht mehr möglich, teilweise hat sich aber ein informeller Rahmen herausgebildet, der Kontakt zur Zivilgesellschaft besteht noch. „Wenn wir jetzt alles hinschmeißen würden, wäre das für unsere Projekte das Aus. Die Menschen würden sich im Stich gelassen fühlen“, sagt Reinhard Jenke. Sein Mitstreiter bestätigt. „Wir wollen weitermachen. Für die Bevölkerung vor Ort und um ein klein wenig zu mehr Gerechtigkeit auf dieser Welt beizutragen.“