„JEDER MENSCH IST EIN GUTER MENSCH“
Der Saisonstart der Arminia war ganz ordentlich – würde der Ostwestfale sagen. Wie gemalt, könnte man auch sagen. Zum Zeitpunkt des Gesprächs mit Mitch Kniat hatten die Blauen unter seiner Führung keines der letzten elf Spiele, Vorbereitung inklusive, verloren und im DFB-Pokal die höherklassigen Hannoveraner mit einem 2:0 nach Hause geschickt.
Eine Momentaufnahme im schnelllebigen Fußballgeschäft, die Mitch Kniat einzuordnen weiß. „In der vergangenen Saison machen wir gegen Waldhof Mannheim ein super Spiel, das wir am Ende verlieren. Gegen Dortmund II spielen wir schlecht, gewinnen aber die Partie. Ich kann die Fan-Sicht gut verstehen, aber als Trainer habe ich zuweilen eine andere Sicht auf die Spiele.“
Seit einem Jahr ist der gebürtige Niederrheinländer, der u. a. für Alemannia Aachen, Borussia Mönchengladbach II und SC Wiedenbrück spielte, Cheftrainer bei Arminia. Eine turbulente Saison, in der der Klassenerhalt am vorletzten Spieltag gesichert wurde und die mit dem Gewinn des Westfalenpokals endete.
In dieser Zeit hat Mitch Kniat vor allem eines gelernt: die Ruhe zu bewahren und gemäß des Vereins-Mottos eine gehörige Portion Hartnäckigkeit mitgebracht. „Bei einem Traditionsclub wie Arminia läuft vieles anders. Das ist in beide Richtungen extrem. Wenn es sportlich gut läuft, ist alles super. Wenn nicht, wird der Ton auch einmal rauer. Das muss man ertragen können“, sagt er.
OFFENE WORTE
Sein Führungsstil basiert auf Vertrauen und Ehrlichkeit. „Ich gehe zunächst davon aus, dass jeder Mensch ein guter Mensch ist. Und diesem Menschen schenke ich mein Vertrauen. Wenn dieses allerdings missbraucht wird, kann Ich unangenehm werden. Damit trete ich vielleicht auch anderen auf die Füße, aber bei mir weiß jeder, woran er ist.“ Offen und geradeheraus – egal ob Lob oder Kritik.
„Unehrlichkeit fällt dir immer auf die Füße“, ist der 38-Jährige überzeugt. Gerade in der kleinen Welt des Fußballs. „Da begegnest du dir nicht zwei Mal im Leben, sondern eher sieben bis acht Mal.“ Die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Staff ist für ihn essentiell. „Es ist das Team, das mich stark macht. Jeder kennt seine Aufgabe und ist darin Experte. Deswegen war es auch mein Wunsch, mit meinem Trainer-Team weiterzuarbeiten.“ Co-Trainer Daniel Jara kennt er beispielsweise schon seit Paderborner Zeiten, als der gebürtige Spanier für seine Doktorarbeit bei ihm hospitierte. Seine Vertragsverhandlungen mit Sport-Geschäftsführer Michael Mutzel liefen übrigens eher branchenuntypisch. „Normalerweise wird da auf beiden Seiten taktiert“, erzählt der Fußball-Lehrer. „Meist geht es um Vertragslaufzeiten und um Geld. Ich habe direkt nach unserem ersten Gespräch gesagt, dass ich den Job machen will. Und Michael hat auch gleich signalisiert, dass er will. Da habe ich gewusst: Das passt.“
DEN TRAUMJOB LEBEN
Durch seine guten Kontakte konnte Mitch Kniat im Rahmen des DFB-Lehrgangs für die UEFA-Pro-Lizenz, den er u. a. mit Miroslav Klose und Kim Kulig absolvierte, bei spannenden Trainern hospitieren. Stationen waren Norwich City mit Trainer Daniel Farke, Uwe Röslers Fortuna Düsseldorf, Greuther Fürth unter Stefan Ruthenbeck und Thomas Kleine sowie Hertha BSC mit Andreas Neuendorf in der U21, wodurch er auch Trainingseinheiten von Pál Dárdai mitbekam. Beim SC Paderborn hat ihm der Führungsstil von Steffen Baumgart imponiert. „Ein sehr menschlicher Trainer, der für sein Team durchs Feuer geht“, stellt er fest. „Von dem einjährigen Lehrgang und von jeder Hospitation konnte ich was mitnehmen. Aber meinen Weg musste ich letztlich selbst finden, wie man es schafft, eine Mannschaft zu formen und zu leiten, in der jeder seine Rolle kennt und das große Ganze im Griff hat.“
„ES IST DAS TEAM, DAS MICH STARK MACHT.“
Ohne Frage eine herausfordernde und zeitintensive Aufgabe. „Trainer zu sein, ist definitiv mein Traum-Job“, betont Mitch Kniat, der auch das „normale“ Arbeitsleben kennt. Er hat Fenster eingebaut, war als Elektriker und Schlosser tätig und hat Windkrafträder montiert. Alles learning by doing. Heute schätzt er die Abwechslung in seinem Beruf, das Emotionale. Nur an den Spieltagen gibt es einen festen Ablauf: aufstehen, sieben Kilometer laufen, Frühstück, Vorbereitung der Besprechung mit der Mannschaft, kurz noch mal hinlegen, Besprechung.
Und eine halbe Stunde vor Anpfiff steht Mitch Kniat auf dem Platz. Nervös ist er nie. „Ich habe immer Bock – und will gewinnen! Das liegt vielleicht daran, dass ich mich früher immer gegen meinen älteren Bruder durchsetzen musste“, lacht der Fußball-Lehrer, der stets eine positive Grundhaltung vertritt. „Heute ziehen wir die auf dem Papier bessere Mannschaft ab. Wenn wir von 100 Spielen 99 Mal verlieren, warum sollte heute nicht der Tag sein, an dem wir gewinnen?“
Um den Kopf freizubekommen, macht der Coach, der in seiner aktiven Zeit von Stürmer bis Innenverteidiger fast alles gespielt hat, selbst viel Sport. In der SchücoArena hat Mitch Kniat übrigens nicht „nur“ während der Spiele die ganze Bandbreite an Emotionen, sondern auch sein erstes Konzert live erlebt.
Rapper Casper ist überzeugter Armine und erfüllte sich mit seinem Heimspiel einen Traum. „Eigentlich ist das nicht so meine Musik, aber das war ein besonderes Erlebnis; seither bin ich Fan“, so der DCS-Trainer, der im Urlaub Sonne, Strand und Meer braucht. „Mein Lebenselixier“, wie der Mann mit den vielen Tattoos sagt. Das Letzte – jedes Motiv erzählt eine ganz private Geschichte – hat sich Mitch Kniat vor etwa vier Jahren stechen lassen. „Damit bin ich jetzt durch, denn Hände, Hals und Gesicht sind tabu.“ Sportlich gilt es nun, den Flow vom Saison-Auftakt so lange wie möglich beizubehalten. „Die ganze Stadt lebt diesen Club. Das merke ich bei jedem Heimspiel und das ist es, was mich anzündet.“ Mit einem großen Ziel: „Irgendwann möchte ich mit dem gesamten Team auf dem Rathaus-Balkon den Aufstieg feiern.“ ✔