Es ist Sommer. Die perfekte Zeit, um rauszugehen, die Natur zu erleben und die wilden Seiten der Stadt zu entdecken. Schließlich teilen wir unsere urbanen Lebensräume mit vielen Tieren, Pflanzen und Pilzen. Wir haben den Vielfraß, das wildeste Tier Bielefelds, besucht, ein Auge auf die Insektenvielfalt geworfen, einen Abstecher zur Artenvielfalt auf Porzellan gemacht und den Lebensraum Baum unter die Lupe genommen. Denn dort, wo der Mensch die Natur machen lässt, erobert sie einen Teil der Stadt zurück. Ganz ohne menschliche Unterstützung geht es allerdings nicht. Das ist nicht nur gut für die natürliche Vielfalt der Stadt, sondern auch für das Klima, das macht unsere Städte lebenswerter. Natürlich auch in Bielefeld.
VIELFALT FÖRDERN – BIELEFELDER NETZ FÜR BLÜTENBESUCHER
Flugs ein Konsonant ausgetauscht und schon verwandelt sich Bielefeld in „BieNefeld“. Damit die Stadt tatsächlich insektenfreundlicher wird, ist seit Juni 2023 ein auf insgesamt fünf Jahre angelegtes Projekt am Start: Das Bielefelder Netz für Blütenbesucher (BieNe).

BALKONKRÄUTER SCHMECKEN NICHT NUR MENSCHEN. INSEKTENFREUNDLICH SIND ZUM BEISPIEL ZITRONENMELISSE, WILDER MAJORAN, ECHTER SALBEI, BERGBOHNENKRAUT, TRIPMADAM UND GARTENTHYMIAN
Dass es um uns herum deutlich leiser summt und brummt als früher, ist inzwischen Allgemeinwissen. „Es gibt einen Bewusstseinswandel. Viele Menschen haben das Problem erkannt und möchten etwas gegen das Insektensterben tun“, so Projektleiter Peter Rüther. Insbesondere aus dem städtischen Bereich kamen immer häufiger Anfragen, obwohl das eigentlich nicht das Aufgabenfeld der Biologischen Station ist, die vorrangig Naturschutzgebiete betreut. Also musste ein eigenes Projekt her. Und das ist doppelt sinnvoll, wie Christian Venne weiß: „Im Siedlungsbereich finden wir oft mehr Insekten als auf landwirtschaftlich genutzten Flächen.“ Den Beweis tritt er selbst gerade mit dem Kescher an. Die Projektbeteiligten sind nämlich im Ravensberger Park unterwegs, wo sie eine Gruppe von Insektenbotschaftern qualifizieren. Die geben das Gelernte dann wieder in ihren eigenen Netzwerken weiter. „So werden sie Teil des Kommunikationsnetzes“, sagt Mareike Ziska. An diesem Nachmittag, an dem rund um das Museum Huelsmann Akelei, Storchschnabel, Rosskastanie und Rotdorn blühen, fängt Christian Venne unter anderem eine Rote Mauerbiene, eine Blattschneiderbiene und eine kleine Gartenhummel ein. Im Glasröhrchen können sich die Botschafter in Ruhe die typischen Merkmale anschauen, aber auch Wissenswertes über weitere Insekten erfahren. So gibt es etwa Bienen, die auf eine einzige Futterpflanze wie den Natternkopf angewiesen sind. Und Hummeln nutzen manchmal einen Trick, der die Blüten um die Befruchtung „betuppt“: Wenn ihr Rüssel nicht lang genug ist, holen sie sich den Nektar über einen kleinen Riss in der Blüte von außen. „Mich faszinieren auch parasitäre Arten wie die Goldwespe, die bestimmte Wirte brauchen“, so Christian Venne. Klare Sache: Je tiefer man in die Lebenswelten von Wildbienen, Tagfaltern oder Käfern einsteigt, desto komplexer und erstaunlicher erscheinen sie. Natürlich werden die gefangenen Tierchen schnell wieder in die Freiheit entlassen und können ihre Blütentour fortsetzen. Dass sie dabei möglichst kurze Wege haben, ist ein weiterer Teil der Netzidee. „Jeden, den wir beraten haben, tragen wir in eine Karte ein. So entstehen Knotenpunkte, wo Insekten Lebensräume vorfinden“, erklärt Mathias Wennemann. „Zum Netz zählen aber auch die Partner, die eingebunden sind, von Kleingartenvereinen über die Freie Scholle bis hin zu Firmen, Kindergärten und Schulen“, sagt Peter Rüther.
Aktiv beim Projekt BieNe: Christian Venne (Entomologie), Mareike Zizka (Öffentlichkeitsarbeit), Peter Rüther (Projektleitung), Mathias Wennemann (Botanik) und Praktikant Joris Ovelgönne

Mareike Zizka ergänzt: „Gerade heute habe ich an einer Grundschule eine Unterrichtseinheit zu dem Thema gemacht. Die Schulen haben großes Interesse und wollen ihre Außenflächen optimieren.“ Aber auch viele private Balkon- oder Gartenbesitzer lassen sich beraten. „Wer Kirschlorbeerhecken und Mähroboter hat, den erreichen wir vielleicht noch nicht“, lacht Christian Venne, „aber es kommen viele auf uns zu, die interessiert sind.“ Vielleicht bestätigt sich aber auch Peter Rüthers Hoffnung, selbst diese Gruppen langfristig zu erreichen. Den eigenen Garten fit für Insekten zu machen, ist nämlich gar nicht so schwer. „Wichtig sind heimische Stauden und Gehölze, Exoten bieten Insekten oft kein Futter“, unterstreicht Mathias Wennemann. „Außerdem ist es gut, Nist- und Ruheplätze zu schaffen, etwa durch Trockenmauern, sandige Rohbodenstellen oder Totholz mit Hohlräumen und Löchern“, so Christian Venne. „Auch Wasser ist eine wichtige Ressource. Zum Trinken sowie zum Bau von Brutzellen.“ Was sonst noch alles möglich ist, damit aus Bielefeld BieNefeld wird, verraten die Projektbeteiligten gerne bei einer
ausführlichen Beratung. ✔
DAS PROJEKT BIENE
Projektträger sind die Biologische Station Kreis Paderborn – Senne e.V. und der Naturwissenschaftliche Verein für
Bielefeld und Umgegend e.V. Gefördert wird BieNe im Bundesprogramm Biologische Vielfalt durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Hauptziel des Projektes ist die Aufwertung des Siedlungsraumes im Bereich der Stadt Bielefeld als Lebensraum für blütenbesuchende
Insekten. Eine Informationskampagne – von Flyern bis zu Vorträgen und Ausstellungen – sowie ein umfassendes Beratungsangebot sollen möglichst viele gesellschaftliche Gruppen für das Problem des Insektenrückgangs sensibilisieren. www.projekt-biene.de