Dr. Christiana Bauer im Gespräch

Am 1. November 2025 hat Dr. Christiana Bauer die Amtsgeschäfte von Pit Clausen übernommen. Bei ihrer Einführungsrunde durch die Verwaltung hatte sie ein dickes Notizbuch dabei, um sich Ideen und Anregungen der Mitarbeitenden zu notieren. Im Gespräch mit dem BIELEFELDER berichtet sie von ihren Plänen für die Stadt.

Frau Dr. Bauer, was hat Sie persönlich motiviert, Oberbürgermeisterin zu werden?

Mein größter Antrieb, mich für das Amt zu bewerben, war der Wunsch, aktiv gestalten zu können. Als ich schließlich das Amt der CDU-Kreisvorsitzenden in Bielefeld übernahm, sprachen mich immer wieder Menschen darauf an, ob ich mir nicht auch die Aufgabe der Oberbürgermeisterin zutrauen würde. Viele haben mir Mut gemacht und ihre Sehnsucht nach Veränderung zum Ausdruck gebracht. Ab diesem Moment habe ich mich intensiv mit dem Gedanken vertraut gemacht. Ich dachte: Wenn so viele Menschen hinter dir stehen, kannst du es schaffen. Für das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler bin ich sehr dankbar und gehe mein Amt mit großer Demut und Verantwortungsbewusstsein an.

Mit Blick auf die Bielefelder Wirtschaft: Welche drei Themen stehen ganz oben auf ihrer Agenda? Welche Chancen zur Entwicklung sehen Sie?

Ich habe immer betont: Wirtschaft ist Chefinnensache – und daran halte ich fest. Mein Ziel ist es, der Wirtschaft in Bielefeld eine verlässliche Ansprechpartnerin zu sein, die zuhört und gemeinsam Lösungen entwickelt. Deshalb werde ich zeitnah einen Runden Tisch einberufen, um Sorgen, Herausforderungen und Ideen direkt mit den Unternehmen zu besprechen. Ein weiteres zentrales Thema ist die Entwicklung einer klugen Flächenpolitik für unsere Stadt. Der interkommunale Ansatz, den wir bereits mit Herford und Bad Salzuflen verfolgen, ist ein vielversprechender Weg, den wir weitergehen sollten. Darüber hinaus setze ich mich in den laufenden Koalitionsverhandlungen dafür ein, dass eine Erhöhung der Gewerbesteuer in den kommenden Jahren ausgeschlossen wird. Unsere Unternehmen brauchen jetzt Unterstützung und Planungssicherheit – keine zusätzlichen Belastungen. Die Entwicklungsperspektiven für den Wirtschaftsstandort Bielefeld sind aus meiner Sicht hervorragend. Wenn wir das Potenzial unseres überwiegend familiengeführten Mittelstands und unserer starken Hochschullandschaft konsequent nutzen, können wir gemeinsam eine erfolgreiche Zukunft gestalten.

Wie wollen Sie konkret lokale Unternehmen, Start-ups und den Einzelhandel in der Innenstadt unterstützen?

Ich werde aktiv auf die Wirtschaft zugehen und ihr den Raum geben, den sie braucht, um nachhaltig erfolgreich zu sein. Denn eine starke Wirtschaft bedeutet eine starke Stadt – davon profitieren Unternehmen, Bielefeld und unsere gesamte Stadtgesellschaft. Das Bielefelder Start-up-Paket ist ein wichtiger Baustein für Innovation und Wachstum. Es muss konsequent weiter ausgerollt werden. Gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung werde ich die notwendigen Schritte definieren, damit Gründerinnen und Gründer in Bielefeld die besten Voraussetzungen vorfinden. Dem Einzelhandel in der Innenstadt können wir sofort helfen, wenn wir die die teilweise lähmende Debatten um den Individualverkehr beenden. Wir brauchen eine pragmatische Lösung, die alle Verkehrsarten gleichberechtigt berücksichtigt. Nur so schaffen wir ein attraktives Umfeld, das Menschen in die Innenstadt zieht und den Handel stärkt.

Welche Möglichkeiten sehen Sie, Mobilität nachhaltiger zu gestalten und dabei möglichst alle Bürger:innen mitzunehmen?

Mobilität ist der Schlüssel zu Lebensqualität und Zukunft – und genau hier wollen wir in Bielefeld ansetzen. Unser Ziel ist klar: Wir schaffen eine Mobilitätspolitik, die verbindet statt trennt. Im Wahlkampf habe ich erlebt, wie viele Menschen sich durch die Verkehrspolitik der vergangenen Jahre nicht mitgenommen, ja sogar ausgegrenzt fühlten. Das darf nicht passieren. Mobilität muss alle einschließen. Das Auto wird auch künftig eine wichtige Rolle spielen. Wer glaubt, es einfach verdrängen zu können, irrt. Wir geben ihm seinen Platz – genauso wie dem Fahrrad, das im gesamten Stadtgebiet sicher und attraktiv nutzbar sein muss. Der öffentliche Nahverkehr muss sich konsequent an den Bedürfnissen der Menschen orientieren. Stadtbahnprojekte können eine große Chance sein, aber sie dürfen nicht zur finanziellen Belastungsprobe werden, die unsere Stadt an den Rand der Zahlungsunfähigkeit bringt. Verantwortung heißt: Visionen mit Realität verbinden. Überdies ist es für unsere Stadt essenziell, dass der Bielefelder Hauptbahnhof Teil des überregionalen Intercity-Netzes bleibt.

Wie möchten Sie soziale Gerechtigkeit fördern – etwa in Bildung, Integration oder Chancengleichheit?

Soziale Gerechtigkeit ist eine zentrale Aufgabe, die nicht allein durch staatliche Maßnahmen dauerhaft gewährleistet werden kann. Unser Ziel muss es sein, Bedingungen zu schaffen, die Vollbeschäftigung ermöglichen – denn Arbeit ist der Schlüssel zu Teilhabe und Chancengleichheit. Dafür braucht es eine starke Wirtschaft, und diese wiederum unsere volle Aufmerksamkeit. Integration und Bildung sind für mich untrennbar miteinander verbunden. Nur eine gute Bildung eröffnet echte Integrationschancen. Kinder aus zugewanderten Familien können unsere Sprache oft sehr schnell erlernen, während Erwachsene in der Regel mehr Zeit benötigen. Beiden Gruppen müssen wir gezielt Unterstützung bieten. Denn Sprache ist der Schlüssel, um Bildung, Arbeit und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.

Wie soll unsere Stadt in zehn Jahren aussehen – was ist Ihre Vision?

Meine Vision für Bielefeld in zehn Jahren ist eine offene, lebenswerte und zukunftsorientierte Stadt, in der Menschen gut miteinander auskommen und stolz auf ihre Heimat sind. Eine Stadt, die Chancen bietet – für Familien, für Unternehmen, für alle, die hier leben und arbeiten wollen. Ich wünsche mir ein Bielefeld, das wirtschaftlich stark, sozial gerecht und kulturell vielfältig ist. Eine Stadt, die Innovation und Tradition verbindet und in der sich jede und jeder willkommen fühlt.

Interview: Eike Birck

Foto: Stadt Bielefeld