Der it’s OWL Makeathon #horizonte OWL 2020 veränderte ihr Leben. Nach fünf Jahren im Beruf wurde aus Routine wieder Neuanfang. Als CEO von FINDIQ setzt Sina Kämmerling gemeinsam mit ihrem 5-köpfi gen Team mit einem intelligenten Assistenzsystem dem Fachkräftemangel im Servicebereich etwas entgegen.
Die Software-as-a-Service verbessert die Fehlerdiagnose und beschleunigt Serviceroutinen in der Industrie.

Sina Kämmerling

Mit dem Gedanken sich selbstständig zu machen, hatte sie schon früher gespielt. Intelligente Pflanzkästen für regionales Gemüse sind es dann allerdings nicht geworden. „Eine Mädchenidee – außerdem fehlte mir alles, was es gebraucht hätte“, stellt die 28-Jährige mit einem Augenzwinkern fest. Das Know-how, was sie als Gründerin von FINDIQ benötigt, bringt sie dagegen mit.

Sina Kämmerling studierte International Business an der FHDW in Bielefeld. Erste Praxiserfahrungen sammelte sie durch Praktika, u. a. bei Miele und Kannegiesser, schon während des Studiums. Für den ersten Job zog es die Ostwestfälin dann gen Norden. In Hamburg lag ihr Arbeitsschwerpunkt im Bereich Digitalberatung. Ein Thema, mit dem sie sich bereits intensiv während ihres Masters beschäftigte. „Ich wollte mich dieser technologischen Schiene gern nähern“, erklärt Sina Kämmerling. Nach zwei Jahren führte die Liebe sie dann wieder zurück in die Heimat. „Die Region ist mittelständisch aufgestellt, das ist sowieso meins“, sagt sie. „Vor allem aber sind die familiengeführten Unternehmen hier offen für Veränderungen, die sich dann auch schnell umsetzen lassen. Und die Beratung war für mich sowieso sicheres Terrain.“

In den Gründungsprozess ist sie allerdings per Zufall hineingeraten. „Ich wusste nicht, dass meine Teilnahme an dem Wettbewerb ‚it‘s OWL‘ zur Gründung führen würde“, erklärt sie.

Die Challenge, die auch ihr Interesse weckte, kam aus der Industrie. „2020 durften Servicetechniker durch die Pandemie nicht reisen, die Ausfälle durch die Maschinenstillstände waren enorm teuer. Es ging darum, eine Lösung zu entwickeln“, skizziert Sina Kämmerling die Aufgabenstellung des Wettbewerbs. Gemeinsam mit einem zugelosten Team entstand während des Makeathons dann ein Lösungsansatz. „Ich habe zwei Tage und Nächte lang nicht geduscht und geschlafen“, erinnert sie sich. Am Ende gewann ihr Team den Makeathon. „Wir waren als Team perfekt aufgestellt: sehr heterogen mit Softwareentwicklern, einem Servicetechniker und ich als Beraterin. So hatten wir die Qualifikation, das Problem lösen zu können.“

Der Preis für das Gewinner-Team: ein einjähriges Forschungsprojekt. Das Fördergeld diente dazu, dass die Beteiligten, die zu diesem Zeitpunkt fest angestellt waren – von ihren Arbeitgebern für das Projekt ein Jahr freigestellt werden konnten, aber weiter ihre Gehälter erhielten.

Sina Kämmerling übernahm die Leitung des Projekts, dessen Ausgang zu diesem Zeitpunkt noch völlig unklar war. Es gab viele Hochs und genauso viele Tiefs im Laufe dieser Phase, in der validiert und das Marktpotenzial ermittelt wurde. „Für uns – Patrick Deutschmann und ich sind am Ende noch im Projekt verblieben – war dann irgendwann klar, dass es bei der Lösung des Problems auch darum gehen müsste, das Wissen der Service-Expertinnen zu sammeln, zu strukturieren und intelligent für alle Mitarbeiterinnen aufzubereiten“, so Sina Kämmerling. Doch dann stand im Januar 2022 das Projektende vor der Tür. Das Duo hatte kein Eigentum an den erarbeiteten Ergebnissen, doch es wollte – überzeugt von der Idee weitermachen.

„Das war für uns der Neustart. Wir mussten uns neu orientieren und aufstellen, brauchten einen neuen Namen, eine neue Software, sind in die Kaltakquise gestartet und, und, und“, blickt Sina Kämmerling zurück, die mit dem Data Scientist und Software Developer Patrick Deutschmann im April 2022 die FINDIQ GmbH gründete. Bereits einen Monat nach Gründung gewann das Start-up seinen ersten Maschinenbauer als Kunden. Mit seiner Software-as-a-Service verbessert FINDIQ die Fehlerdiagnose und beschleunigt Serviceroutinen unabhängig von mechanischem, elektrotechnischem oder verfahrenstechnischem Expertenwissen. Das selbstlernende System bündelt dafür innerhalb kürzester Zeit das Wissen erfahrener Kräfte und befähigt wenig Erfahrene sowie Quereinsteiger durch ein Assistenzsystem.

Mit der Gründung ging für das Duo auch das Start-up-Dasein los. „Aus der Festanstellung gings in Richtung maximale Unsicherheit“, erzählt die Bielefelderin, die die Bereiche Sales, Finance, Human Ressources und Recht verantwortet. „In einer Zeit, in der die Marktsituation auf allen Seiten schwierig ist.“ Wie viele andere Start-ups braucht es auch bei FINDIQ sehr viel Flexibilität. „Man wächst daran“, so die Erfahrung der Gründerin. In der Founders Foundation hat das Bielefelder Gründerteam erst einmal einen Ort gefunden, wo das Weiterwachsen gepusht wird.

„Und wir erhalten von den Maschinenbauern mit unserer pragmatischen Lösung viel positives Feedback“, freut sich Sina Kämmerling. „Die äußeren Umstände zwingen uns dazu, Lösungen zu finden, die einfach in der Umsetzung sind. Das sorgt für Zuspruch.“ Seine Lösung stellt FINDIQ interessierten Unternehmen als „Proof of concept“ zur Verfügung. Und macht die erfreuliche Erfahrung, dass intelligente Tech-Lösungen auf großes Interesse stoßen. Auch mit Blick auf die Investorenseite, die gerade vermehrt B2B Geschäftsmodelle mit konkret messbarem Nutzen favorisieren. Auch FINDIQ – bereits auf fünf Team-Mitglieder gewachsen – steckt mitten in Finanzierungsrunden. „Da braucht es viel Überzeugungsarbeit“, unterstreicht Sina Kämmerling, die den Nutzen klar kommuniziert. Fachlich zu überzeugen und aufzuklären, liegt ihr am Herzen. Und sie möchte als Gründerin im B2B-Tech-Bereich – die Frauenquote liegt hier bei nur 5 Prozent – andere Frauen ermutigen, sich für den Tech-Bereich zu begeistern und den Gründerinnengeist voranzutreiben. „Es braucht Mut, neu anzufangen und ja, es ist ein radikaler Einschnitt, aber es ist eine bewusste Entscheidung für Veränderung“, macht sie deutlich.

STATEMENT DOMINIK GROSS

Geschäftsführer der Founders Foundation

Der Fachkräftemangel und eine steigende technische Komplexität stellt Maschinenhersteller, -betreiber und Serviceanbieter gleichermaßen vor große Herausforderungen: Wer kann in Problemfällen Abhilfe schaffen, ohne dass es zu längeren Stillstand-Zeiten kommt, die Unternehmen bares Geld kosten? Das Gründerteam um Sina hat mit FINDIQ eine Software-Lösung entwickelt, die genau dieses Problem angeht. Dazu strukturiert das Team mit einer digitalen Lösung das Wissen von Mitarbeitern, so dass neue Mitarbeiter schneller angelernt werden können, ergänzt Informationen automatisiert und bietet ein digitales Assistenzsystem inklusive einer direkten Fehlerdiagnose. Kurzum, FINDIQ befähigt die Techniker von morgen zu Serviceexperten, mit einem wissensbasierten Assistenzsystem für den Maschinenservice.

Made in Ostwestfalen-Lippe ist bei dieser Innovation ein Vorteil, weil viele potenzielle Kunden in der Region ansässig sind. Das Team, das aktuell an unserem Accelerator Programm teilnimmt, kann so frühzeitig mit den Maschinenherstellern seine Lösung testen, umsetzen und wachsen. Diese Kundennähe ist eine ideale Voraussetzung für eine erfolgreiche Gründung.“