GREGOR ZÖLLIG

Künstlerischer Leiter und Chefchoreograf des Tanztheaters am Staatstheater Braunschweig

Journalistische Standardfrage am Gesprächsende: Was liegt Ihnen noch am Herzen? „Mir ist wichtig, dass mir Bielefeld wichtig ist“, lacht Gregor Zöllig. Ein Bekenntnis, das während des gesamten Interviews durchscheint.

Wir Theaterleute sind Nomaden“, sagt der sympathische Choreograf. „Umso wichtiger ist es, Verbindungen zu halten.“ Genau das ist ihm in Bielefeld gelungen. Nicht nur, weil er noch eine Wohnung vor Ort hat, sondern vor allem, weil hier viele Freundschaften entstanden sind, vieles gewachsen ist, das Bestand hat. „Das ist jetzt meine 25. Spielzeit als Leiter eines Tanzensembles, da wagt man den Blick zurück“, verrät Gregor Zöllig. „Die zehn Jahre am Theater Bielefeld waren künstlerisch sehr wichtig für mich. Ich habe viele schöne Dinge machen können. So waren wir als eine der ersten im Bereich Tanzvermittlung und mit Laien-Projekten wie ‚Zeitsprung‘ aktiv. Aber es sind die Menschen, denen ich mich besonders verbunden fühle.“ Dass er trotzdem ans Staatstheater Braunschweig gewechselt ist, hat verschiedene Gründe. „Hier gibt es von allem ein Quäntchen mehr: Mehr Tänzer, einen höheren Etat, den ich selbst verwalten kann, und damit einen größeren künstlerischen Spielraum“, so der Chefchoreograph. Mindestens ebenso entscheidend war es für ihn, nicht in Bequemlichkeit und künstlerische Routine zu verfallen. „Ich wollte mich selbst überraschen, mich ins kalte Wasser werfen, um in der Entwicklung nicht stehen zu bleiben. Ein Ortswechsel bringt das automatisch mit sich. Die Komfortzone zu verlassen, erfordert Kraft. Veränderungen“, resümiert Gregor Zöllig schmunzelnd „sind etwas für Mutige.“

Der gebürtige Schweizer begann seine Tänzerausbildung an der Folkwang Universität der Künste in Essen und studierte an der Ballettakademie der Stuttgarter John Cranko-Schule. Von 1989 bis 1995 arbeitete er als Tänzer und Solotänzer in Aachen und Münster. 1995 gründete und führte Gregor Zöllig seine eigene Compagnie. Von 1997 bis 2005 leitete er zusammen mit Christine Biedermann das Tanztheater Osnabrück. Von 2005 bis 2015 war er Leiter des Tanztheaters Bielefeld, gründete außerdem viel beachtete Vermittlungsprojekte wie „Zeitsprung“ und „tanzwärts“. Seit der Spielzeit 2015/16 ist Gregor Zöllig Künstlerischer Leiter und Chefchoreograf des Tanztheaters am Staatstheater Braunschweig, wo er u. a. die neue Sparte „tanz JUNG!“ gründete. Gerade in Corona-Zeiten, in denen viele freie Künstler*innen existentiell bedroht sind, empfindet er seinen Job als „großes Privileg“.