Der Junge muss an die frische Luft. Die Kultur auch. Denn: Der Sommer ist draußen. Drei BielefelderInnen geben ihr Bestes, damit jedes Open-Air-Event gelingt. Holen sogar Kino und Klassik ins Grüne. Machen den Sommer. Sorgen für die Technik und den reibungslosen Ablauf. Nur eines können sie nicht planen: das Wetter.

Kultursommer

Je näher die Veranstaltung rückt, desto häufiger fällt ihr Blick aufs Regenradar. „Kurz vor dem Konzert gucke ich mehrmals täglich drauf“, lacht Merlin Maria Ledabil. Denn bei der besten Vorbereitung gibt es eine große Unbekannte: das Wetter. „Dafür haben Open-Air-Veranstaltungen aber eine ganz eigene Stimmung und Atmosphäre“, unterstreicht die Programmplanerin des Kulturamts. „Das sagen uns auch die Besucher, die dieses besondere Sommergefühl in der Stadt schätzen.“ Deshalb geht der Kultursommer auch in diesem Jahr mit zahlreichen Veranstaltungen nach draußen: Von der „Ohrenweide“ im Bauernhausmuseum über das Kinderkulturfest „Wackelpeter“ bis zum „Jazz im Waldhof“. Merlin Maria Ledabil ist für die Konzert-Reihe „Mittwochs auf der Burg“, das Sommertheater auf dem Klosterplatz und das Festival im Vogelviertel verantwortlich. Für manche Reihen gibt es zwar Ausweichmöglichkeiten bei Regen, doch das bedeutet für die Bielefelderin nicht unbedingt Entspannung: „Bei den Konzerten auf der Sparrenburg muss ich aus organisatorischen Gründen zum Beispiel einen Tag vorher entscheiden, ob ich sie in das Nr. z. P. verlege. Das finde ich sehr schwierig, weil man es bereut, wenn das Wetter dann doch besser ist als angekündigt.“ Beim Sommertheater gibt es dagegen keine Alternative zum Klosterplatz. Dennoch musste bislang noch keine Veranstaltung abgesagt werden. Kalkulierbarer als das Wetter, aber ebenfalls eine Herausforderung: Das Kulturamt bespielt keine klassischen Veranstaltungsorte. „Das bedeutet, es gibt vor Ort keine Technik und keine Bühne, wir müssen jedes Mal alles aufbauen“, so die 29-Jährige. Und das mitten im prallen Leben, an ganz alltäglichen Orten. „Gerade dadurch erreichen wir aber auch neues Publikum“, freut sich Merlin Maria Ledabil. „Wenn wir auf dem Klosterplatz die Technik aufbauen, sprechen uns viele Menschen an, was hier passiert.“ Und oft hören Ausflügler auf der Sparrenburg zufällig den Soundcheck, werden neugierig und kommen abends zum Konzert wieder. Und mit etwas Glück entsteht dann bei wunderbarer Musik an einem lauen Sommerabend diese ganz eigene Magie, die es nur unter freiem Himmel gibt. www.kulturamt-bielefeld.de

“Wenn wir
auf dem
Klosterplatz
die Technik
aufbauen,
sprechen uns
viele Menschen
an, was hier
passiert.“

Merlin Maria Ledabil,

Programmplanerin des Kulturamts

VielHarmonie

Dass die Bielefelder Open Air können, haben sie beim ersten Konzert der Bielefelder Philharmoniker unter dem Motto „vielHarmonie“ im sogenannten Sommer 2017 bewiesen. Zum Abend goss es in Strömen und bei winterlichen Temperaturen zogen die Gäste mit Regenschirm, Poncho, festem Schuhwerk und dicker Jacke bewaffnet in den Bürgerpark – und erlebten eine mitreißende musikalische Reise durch die Welt des Jazz‘ mit anschließendem sensationellen Feuerwerk. So soll es auch in diesem Jahr, am 5. Juli wieder sein – nur mit besserem Wetter. Unter dem Titel „Soul & Symphony“ werden die Philharmoniker zusammen mit dem Thilo Wolf Quartett und der Soul-Sängerin Joan Faulkner mit Nummern wie Aquarius, Cry Me A River oder Wade In The Water begeistern. Vielleicht wird es auch wieder eine heiße Sommernacht wie im vergangenen Jahr bei „Let’s Play“, als das Orchester auf dem Kesselbrink mit Computerspielmusik zu unterhalten wusste. Regen stellt die Musiker und ihre Instrumente vor besondere Herausforderungen. „Die Luftfeuchtigkeit und auch die Temperatur sind für die Instrumente, besonders für die aus Holz, schädlich. Irgendwann löst sich der Lack und die Instrumente reißen. Außerdem haben wir als Profiorchester natürlich auch einen Qualitätsanspruch, was den Klang anbelangt“, erklärt Orchester- und Konzerthausdirektor Martin Beyer.

Ein Open Air in klassischer Besetzung erfordert viel Flexibilität und Improvisationsvermögen. Planen, Handtücher, Gummibänder und Wäscheklammern zum Befestigen der Noten gehören mit ins Gepäck. „Auch Hitze und Sonneneinstrahlung können problematisch sein“, lacht Martin Beyer. „Bei Temperaturen von 35 Grad trocknet das Holz der Instrumente aus.“ Die Akustik spielt beim Open Air eine entscheidende Rolle. „Hat man beispielsweise 60 Musiker auf der Bühne, müssen die Einzelstimmen abgenommen werden, aber auch der Mischklang eines großen Orchesters muss stimmig sein. Dazu braucht man einen erfahrenen Tonmeister am Mischpult“, erklärt der Orchester- und Konzerthausdirektor. So muss der Meister an den Reglerknöpfen wissen, dass nun ein Oboensolo kommt oder er die Fanfare klanglich etwas anheben muss. „Der Tonmeister ist fast wie ein zusätz‑ licher Musiker, ohne ihn können die Musiker das Blaue vom Himmel spielen und der Klang würde nicht so perfekt beim Publikum ankommen.“ www.bielefelder-philharmoniker-de

“Die Luft-
feuchtigkeit und
auch die
Temperatur
sind für die
Instrumente,
besonders für
die aus Holz,
schädlich.”

Martin Beyer,

Orchester- und Konzerthausdirektor

Grosses Kino

Als Open Air Macher wird man wetterfühlig“, stellt Ronald Herzog augenzwinkernd fest. In einer durchwachsenen Spielzeit sind es rund fünf Vorstellungen, die ins Wasser fallen. Eine Ausnahme bildet das letzte Jahr. Das Wetter spielte mit und bescherte den Machern von Luna Open Air sieben Wochen lang viele glückliche Gesichter. Pannen gehören dazu. Luna Open Air ist schließlich live. Unvergessen ist für Ronald Herzog die Vorführung von ‚The Beach‘ mit Leonardo di Caprio. Obwohl es schüttete, standen 50 Besucher am Einlass. Regenfest ausgerüstet wie für eine Outdoor-Expedition. „Sie waren am Drehort gewesen und wollten den Film unbedingt sehen“, so Ronald Herzog. Und während auf der Leinwand schönstes Südseewetter vorbeizog, waren es über dem Ravensberger Park Wolkenbrüche. Ein anderes Mal hatte der Filmverleih einen falschen Zugangscode für den Film geschickt. Das Ende vom Lied: „Vor ausverkauftem Haus gab‘s stattdessen ‚Monsieur Claude und seine Töchter‘. Das war ein Knaller, die Leute haben sich vor Lachen ausgeschüttet.“ Die Idee für das etablierte Draußen-Event brachte Ronald Herzog übrigens aus Locarno mit. Dort erlebte der Bielefelder das erste Mal Kino open air. „Mitten auf dem Marktplatz saßen rund 8.000 Leute vor einer riesigen Leinwand. Das ist schon irre.“ So inspiriert stellte er gemeinsam mit Jürgen Hillmer ein lokales Konzept mit 25 Veranstaltungen auf die Beine. Das war vor 23 Jahren. Nach der Premiere im Schloßhof ist Luna Open Air im Ravensberger Park – zwischen Historischem Museum und Lichtwerk – zuhause. Über sieben Wochen bespielen Jürgen Hillmer und Ronald Herzog Bielefelds Open Air Kino und liefern viele Highlights. Aber, nicht jeder Film ist outdoortauglich. „Die Story muss besonders sein“, so der 63-Jährige. „Mit ‚Rocketman‘ sind wir außerdem hyperaktuell.“ Und manchmal fragen die Macher bei Klassikern das Publikum, wer den Film schon gesehen hat. „Bei Kultfilmen wie ‚The Big Lebowski‘ übrigens mit dem Hinweis, die Texte nicht laut mitzusprechen“, sagt Ronald Herzog mit Blick auf eines seiner persönlichen Film-Highlights. Bei „Mamma Mia“ darf das Publikum dagegen mitsingen. „Da kommen die Leute auch in 70er Jahre Klamotten.“ www.lunakino.de

“Die Story
muss besonders
sein. Mit
‘Rocketman‘ sind
wir außerdem
hyperaktuell.“

Ronald Herzog,

Open Air Macher