MAËL CORBOZ
Auf dem Platz ist er überall zu finden: vorne, hinten und natürlich im Mittelfeld als Regisseur. Seine Laufwerte gehören regelmäßig zu den Bestwerten der 3. Liga, etwa 12 bis 13 Kilometer läuft der Kapitän des DSC Arminia Bielefeld pro Spiel. Maël Corboz nimmt diesen persönlichen Wert aber gar nicht so wichtig. „Wir laufen als Mannschaft insgesamt unheimlich viel. Wenn du nicht ackerst, im Spiel wie im Training, dann spielst du nicht“, sagt er mit Blick auf die Philosophie des Trainer-Teams.
A m Spieltag zieht er immer erst den linken Schuh an und betritt den Rasen mit dem rechten Fuß. „Mir ist bewusst, dass das Aberglaube ist“, lacht der sympathische 30-Jährige. „Vielleicht gibt das noch den letzten Rest Vertrauen, obwohl ich weiß, dass man nicht jedes Spiel gewinnen kann.
Dafür gibt es zu viele Details, die ein Match entscheiden und die wir nicht beeinflussen können. Aber wir als Mannschaft können steuern, dass wir immer alles investieren und Vollgas geben. Das hilft dabei, Spiele zu gewinnen.“ Sein Team bezeichnet er als diszipliniert. „Wir haben klare Regeln, aber innerhalb dieses Rahmens muss sich jeder Spieler frei fühlen, damit wir als Team erfolgreich sind. Wir haben ein gutes respektvolles Miteinander. Da ist keiner dabei, der sich für etwas Besseres hält. Keiner, der die Laufwege nicht macht. Wenn etwas anliegt, wird das offen angesprochen und damit ist das Thema erledigt.“
SCHWIERIGER START
Am 10. Januar 2024 wechselte der gebürtige US-Amerikaner vom SC Verl nach Bielefeld. „Die ersten vier Spiele gingen verloren“, erinnert er sich. „Alle im Verein standen unter enormem Druck, aber in den entscheidenden Momenten haben wir als Team abgeliefert und konnten die Klasse halten. Es hat uns stark gemacht, dass wir in der vergangenen Saison zusammen gelitten haben“, sagt der Mittelfeldspieler mit Blick auf die derzeitige gute sportliche Situation. Außerdem bescherte der Gewinn des Westfalenpokals der Mannschaft nicht nur schöne Momente mit den Fans, sondern zudem die Qualifikation für den DFB-Pokal. Die Spiele gegen Union Berlin und SC Freiburg auf dem Weg zum Viertelfinale waren für Maël Corboz bislang besondere Arminia-Momente – ebenso wie Kapitän zu werden. „Das war für mich ein langer Weg. 2016 bin ich nach Deutschland gekommen. Beim MSV Duisburg habe ich gar keine Rolle gespielt. Das war ein schwieriger Start.“ Vor dem Kapitänsamt, der Schnittstelle zwischen Mannschaft und Trainer-Team, hatte er zunächst Respekt. Arminia-Legende Fabian Klos hat große Fußstapfen hinterlassen. Eine Herausforderung, die Maël Corboz angenommen hat: „Es lohnt sich nur, wenn es schwierig ist“, sagt er. „Ich habe mit der Zeit verstanden, dass ich die Werte des Vereins, so wie ich sie interpretiere, nur vorleben kann, wenn ich ganz ich selbst bin. Nur dann kann ich auch eine Mannschaft führen.“
Dabei lebt der 30-Jährige nicht „nur“ vor, sondern beschäftigt sich auch theoretisch intensiv mit seiner Rolle als Kapitän, liest Sachbücher zum Thema Führung, Teambuilding und Start-ups. Am Trainingsgelände fand er unverhofft einige Gleichgesinnte. „Die Mannschaft trifft sich jeden Morgen spätestens um 9 Uhr zum gemeinsamen Frühstück, danach gehen einige in den Kraftraum und bis zur Video-Analyse und Training ist meist noch ein bisschen Zeit. Ich habe mich in den Ruheraum zurückgezogen und gelesen, wie auch Stefano Russo und André Becker. Neulich kam Felix Hagmann mit einem Buch unter dem Arm hinzu.“
CO2-FUSSABDRUCK IM BLICK
Zu Beginn seiner Profikarriere mit Anfang 20 hatte der Mann mit der Rückennummer 6 einen für einen Fußballer ungewöhnlichen Traum. Er wollte alle Klassiker der Weltliteratur lesen. Beschäftigte sich u. a. mit Tolstoi, Dostojewski und Marcel Proust. Während der Pandemie stand Maël Corboz beim niederländischen Fußballclub Go Ahead Eagles Deventer unter Vertrag und las in dieser Zeit alle Werke von Albert Camus. Maël Vincent Lawrence Corboz – so der vollständige Name – hat neben dem Pass seines Geburtslandes USA auch die französische Staatsbürgerschaft seiner Eltern. Die haben ihn und seine beiden Schwestern stark geprägt – insbesondere im Bereich Nachhaltigkeit, der für ihn zur Herzensangelegenheit wurde. „Wenn ich früher mit meinen Eltern Ski gelaufen bin, haben sie erzählt, dass es früher mehr Gletscher gab. Das hat mich nachdenklich gemacht. Natürlich ist es nicht wichtig, ob man Ski fahren kann oder nicht. In Europa sind die Auswirkungen des Klimawandels noch nicht so spürbar wie anderswo auf der Welt. Aber es verändert sich. Prognosen zufolge werden bis zum Jahr 2050 über eine Milliarde Menschen aufgrund von Überschwemmungen, Dürren etc. ihre Heimat verlassen müssen. Wie gehen wir als Gesellschaft damit um?“ Die Erderwärmung bereitet ihm Sorgen. „Das Ziel liegt bei 1,5 Grad, die haben wir aber fast schon erreicht“, so der engagierte Fußballer. „Wenn wir eine Erwärmung von 2 Grad überschreiben, wird es lebensgefährlich.“ Der Profifußballer ergreift die Initiative, fängt bei sich selbst an und versucht, seinen CO2-Fußabdruck ständig zu reduzieren. Außerdem hat er im März 2022 „elevengreen“ gegründet. Ein Unternehmen, das Sportvereine in puncto Nachhaltigkeitsmanagement berät und Workshops durchführt. Auch bei Arminia. In drei Workshops wurden mit Mobilität, Abfall, Bildung und Gründung eines Nachhaltigkeitsclubs vier Handlungsfelder identifiziert und entsprechende Projekte auf den Weg gebracht. Seine Rollen als Klimaschützer und als Kapitän vermischt er tunlichst nicht. „Wenn mich einer der Jungs fragt, warum ich beispielsweise kein Fleisch esse, dann erkläre ich das“, sagt er. Maël Corboz hat eine Mission, ohne zu missionieren. „Ich glaube nicht, dass es etwas bringt, jemandem zu sagen, was er tun sollte. Es ist besser, wenn derjenige selbst auf die Idee kommt und davon überzeugt ist.“ ✔