Medienkompetenz in einer von Digitalisierung durchdrungenen Gesellschaft ist heute ein Muss. „Die Digitalisierung ist ein Teil unserer Lebenswelt, steht nicht daneben, sondern gehört dazu. Kinder wachsen damit auf“, unterstreicht Friederike von Gross. Die Geschäftsführerin der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur e. V.in Bielefeld sieht die Chancen, die neue Medien bieten und plädiert für eine bewusste Medienbildung. Denn: Kinder benötigen Orientierung in der digitalen Lebenswelt.

Smartphones, Tablets, PCs und Konsolen sind allgegenwärtig. Kinder wachsen mit digitalen Technologien auf und bedienen diese intuitiv. „Und entdecken häufig viel schneller einzelne Features als wir“, weiß Friederike Gross aus eigener Erfahrung. Die Erziehungswissenschaftlerin, die seit vielen Jahren in der Wissenschaft und Praxis der Medienpädagogik aktiv ist, ist selbst zweifache Mutter und stellt fest: „Die Kinder von heute gehen nicht mehr ins Internet: Es ist einfach da.“ Und, die Bandbreite der Plattformen ist groß. Reicht vom eigenen Instagram-Profil und YouTube-Kanal über Clips mit der Video- und Musik-App TikTok bis hin zu Online Games. Zudem folgen viele Influencern und bleiben über Apps wie der bildlastigen Messenger-App Snapchat mit ihren Freunden in Kontakt. Die digitale Welt spielt eine große Rolle im Leben von Kindern und Jugendlichen. Friederike von Gross sieht die Aufgabe darin, dass Eltern und Lehrkräfte sie dabei begleiten. „Tun bedeutet nicht gleich Können“, betont die 41-Jährige. „Es ist ein Experimentier- und Orientierungsraum, aber es braucht eine Begleitung, eine reflexive Ebene, das Hinterfragen, um zum kreativen Nutzen hinzuführen und neue Nutzungsszenarien über den Konsum hinaus zu ermöglichen.“ Eine Aufgabe und Herausforderung, die Familien und Schulen gleichermaßen betrifft.

Wir müssen Kinder im Umgang mit den Dingen, die ihnen im Alltag begegnen schulen, ebenso wie ihre digitalen Kompetenzen.

Friederike von Gross

Eltern sind es, die ihre Kinder zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Medien erziehen sollten. Gemeinsame Medienzeiten und ein Familien-Tablet bieten Kindern gerade am Anfang einen geschützten Raum. Nutzungszeiten durch Regeln zu begrenzen und den Surfraum zu sichern, gehören ebenso dazu. „Wie lange ein Kind Smartphone oder Tablet nutzt, ist aber nur individuell und altersabhängig zu klären. Früher hat man ja auch beim Malen ein Hörbuch gehört und das ist heute nun einmal über das Smartphone möglich“, weist die Expertin auf die Tücken einer zeitlichen Begrenzung hin. Abend- und Nachtzeiten sollten aus ihrer Sicht allerdings handyfreie Zeiten sein, ebenso wie Mahlzeiten. „Eltern sollten mit ihren Kindern im Gespräch bleiben, über Sicherheitseinstellungen, aber auch, wie sie sich jenseits der Privatsphären-Einstellung im Netz darstellen“, so Friederike von Gross. Medienkompetenz bedeutet aber auch zu wissen, was es bedeutet, wenn Kinder über das Handy geortet werden können. „Da sollte sich jeder fragen, ob es gut ist, dass jeder sehen kann, wo sich sein Kind gerade aufhält“, so Friederike von Gross.

Wenn es darum geht, welche Spiele für Kinder in welchem Alter passend sind, verweist die Medienpädagogin auf den spieleratgeber-nrw.de. „Hier gibt’s Spielerezensionen online“, so die Expertin in Sachen Medienbildung. Eine weitere Orientierung bietet der Blick auf die medienpädagogische Altersempfehlung der Spiele. Diese kann durchaus von der USK für Computerspiele abweichen. Und wer sich als Erwachsener selbst einen kleinen Einblick verschaffen möchte, kann über „Let’s Play“ eigene Erfahrungen sammeln. „Medienbildung ist aber auch ein großes Thema für Pädagogen in Schule und Co.“, betont die Medienpädagogin, die u. a. zu YouTube, Social Media und Computerspielen lehrte und forschte. Das setze aber voraus, dass sich Erzieher und Lehrkräfte mit dem Thema Digitalisierung auseinandersetzten. Dabei geht es ihr auch, aber nicht vorrangig, um die Ausstattung mit digitalen Tools wie die Nutzung von Tablets im Matheunterricht. „Medienbildung heißt, sich auch inhaltlich auseinanderzusetzen, sich mit ethischen Fragestellungen zu befassen und Kindern auch in Schule zu vermitteln, wie man sich in sozialen Medien bewegt“, so Friederike von Gross mit Blick auf Themen wie Hate Speech und Mobbing, sexistischen, rassistischen und radikal-religiösen Inhalten. „Es gibt handlungsorientierte Methoden, die in Schule eine kreative, kritische und aktive Medienarbeit zulassen. Wir müssen Kinder im Umgang mit den Dingen schulen, die ihnen im Alltag begegnen und ihre digitalen Kompetenzen schulen. Dafür braucht es aus meiner Sicht inzwischen ein eigenes Fach Medienpädagogik und Lehrkräfte, die sich mit den neuen Medien differenziert beschäftigen.“

VERENA PAUSDER

HABA Digitalwerkstätten

Angetrieben wird sie von einer großen Vision: Alle Kinder sollen chancengleich Zugang zu digitaler Bildung erhalten. Um die digitale Welt aktiv und kreativ mitzugestalten, gründete Verena Pausder deshalb den gemeinnützigen Verein Digitale Bildung für Alle e. V. und initiierte die HABA Digitalwerkstätten. Von den bundesweit bislang acht Standorten befindet sich einer in Bielefeld. Nicht ohne Grund. Die familiären Wurzeln der dreifachen Mutter, die in Berlin das Start-up Fox & Sheep erfolgreich an den Start brachte, stammt aus der Unternehmerfamilie Delius. Auch in Bielefeld soll die HABA Digitalwerkstatt Kinder zwischen 6 und 12 Jahren befähigen, hinter die Benutzeroberfläche zu schauen. Sie sollen die digitale Welt spielerisch entdecken und wichtige Kompetenzen im Umgang mit den neuen Technologien entwickeln. Auch Eltern, Lehrkräfte und andere Bildungsinteressierte holt die Digitalwerkstatt durch Workshops mit ins Boot und gestaltet digitale Projekte angepasst an Lehrpläne. „Die Digitalisierung ist nur dann eine Chance, wenn die digitale Schere nicht größer wird“, erklärt Verena Pausder, die Fox & Sheep als größten Entwickler für Kinder-Apps in Deutschland etabliert hat.

DATEN SCHÜTZEN! – Digtialcourage

Die Bielefelder Bürgerrechts- und Datenschutzorganisation Digitalcourage ist thematisch auch im Bildungsbereich aktiv. Denn Datenschutz ist ein Thema, das bereits Kinder und Jugendliche betrifft. In der neu gegründeten AG Pädagogik geht es darum, aktuelle (medien)pädagogische Themen zu diskutieren, die Themen Datenschutz und Grundrechte in Schulen zu bringen und andere Wege zu finden, um Heranwachsende zum Schutz ihrer persönlichen Daten anzuregen. Die Datenschützer haben Infos und Tipps für Eltern, Kinder und Schüler zusammengestellt, die von empfehlenswerten Videos u. a. zu sicheren Passwörtern und sicherem Surfen über Tracking-Apps bis hin zu Tipps, wie die Medienkompetenz an Schulen gefördert werden kann.

Infos für Eltern, Kinder und Schulen unter www.digitalcourage.de

Buchtipp – Kids #digital #genial

Mehr Inhalt, mehr Wissen. Jessica Wawrzyniak, Autorin des Buchs „#Kids #digital genial – Das Lexikon von App bis .zip“ findet Technik, Medien und das Internet super und unverzichtbar, aber den Schutz von privaten Daten genauso. In ihrem Buch verrät die Medienpädagogin, die zum Team vom Digitalcourage e.V. in Bielefeld gehört, Tipps und Tricks, wie beides zusammengeht.