Hauptsache Süden
„Zu reisen heißt zu entdecken, dass jeder über andere Länder falsch liegt.” Das Zitat des britischen Autors Aldous Huxley dürfte in Marion Rink einen bunten Blumenstrauß an Gefühlen auslösen. Gemeinsam mit ihrem Freund Julian Hoppe reiste sie gen Süden, lebte und arbeitete drei Monate in Moncalieri – einem Vorort von Turin, der Hauptstadt des Piemonts. Und erfüllte sich einen Traum.

„Während des Studiums hatte es mit Auslandsaufenthalten leider nie funktioniert, sie fielen unglücklich ins Wasser. Dem habe ich immer hinterher getrauert“, sagt die 29-Jährige. Ihr Arbeitgeber – sie arbeitet als Projektmanagerin in einer Digitalagentur – gab schließlich grünes Licht für das Abenteuer im Ausland. Eine Reise, die auch ihr Buch „Bella Italia Chaos – Mein Winter im Süden“ auf den Weg brachte.
Hauptsache Süden. Alles andere schien am Ende nebensächlich, als es um das Reiseziel ging. „Ich hatte zunächst mit Spanien geliebäugelt, aber nach einigem Hin und Her wurde es dann Italien“, erzählt Marion Rink, die ihre Studienzeit vom Bachelor über den Master bis hin zur Doktorarbeit im Bereich E-Learning an der Uni Bielefeld verbrachte und dort Spanisch im Nebenfach belegt hatte.
„Italienisch leider nicht“, wie sie rückblickend, aber augenzwinkernd feststellt. „Aber ich habe zumindest vor der Abreise mit einem Crash-Kurs die Grundlagen geschaffen.“ Im Dezember 2023 verabschiedete sie sich zusammen mit ihrem heutigen Mann und einem vollgepackten Corsa – inklusive Werkzeugkiste, Adventskalendern, Weihnachtsgeschenken, Laptops und Co. – von der teutonischen Eiseskälte. Nach 1.161 Kilometern Autofahrt landeten sie in der piemontesischen. Schließlich gibt es auch in Italien einen Winter.

Spaziergänge durch die Turiner Parks, entlang des Pos, der sich majestätisch durch die Stadt schlängelt, Besuche in den Cafés und den Museen der norditalienischen Metropole, am Wochenende Ausflüge nach Mailand, Genua oder in die Alpen. „Mailand ist eine prachtvolle, elegante Stadt, Genua punktet durch seine Lage am Meer in Kombination mit bergiger Landschaft, der Lago Maggiore bietet Berge, Wasser und Wald“, sprudelt es aus Marion Rink heraus, deren Schreibtisch am Fenster zum Start in den Arbeitstag immer die beste Aussicht auf den Sonnenaufgang bereithielt. „Trotz des gleichen Arbeitspensums startet man doch ganz anders in den Tag. Der Alltag fühlte sich einfach anders an. Vielleicht, weil wir wussten, dass unsere Zeit auf drei Monate begrenzt ist. Wir haben jede freie Minute genutzt, um etwas zu sehen und zu erleben.“ Vom Naturpark La Mandria mit dem Castello della Mandria nahe Turin, mit rund 3.000 Hektar die größte geschützte Parkanlage mit zahlreichen Trails in Europa, wo u.a. Hirsche, Füchse, Reiher, Eichhörnchen, Wildschweine und Pferde frei auf den Wiesen und in den Wäldern leben, ist Marion Rink nachhaltig beeindruckt. Ebenso wie von den Begegnungen mit den Menschen. „Ein Kellner in einem Turiner Restaurant sprach tatsächlich Deutsch und erzählte, da er ein großer Fußballfan war, begeistert von Arminia Bielefeld“, erinnert sie sich zurück.

Eine andere Kultur aus einem neuen Blickwinkel erleben – auch das ist etwas, was Marion Rink mit dem dreimonatigen Aufenthalt in Turin verbindet. „Italiener sind impulsiver als wir, aber so schnell wie sie sich aufregen, so schnell haben sie sich wieder beruhigt“, sagt die 29-Jährige. Gewöhnungsbedürftig ist für sie nach wie vor das Autofahren in Italien. „Der Fahrstil war manchmal unglaublich. Der Platz, der da ist, wird genutzt. Und wenn man zu langsam fährt, erklingt die Hupe. Das Schienennetz ist wiederum viel besser.“
Der Titel ihres Buches kommt übrigens nicht von ungefähr. „Das Bella Chaos fing für uns eigentlich schon mit der Vorbereitung unserer Reise an, setzte sich bei der Wohnungssuche fort, spiegelte sich im Zustand der Wohnung, die durch ein veraltetes Heizungssystem teilweise kalt wie eine Gefriertruhe war, und endete im chaotischen Straßenverkehr.“ Marion Rink blickt mit einer guten Portion Humor auf ihre Workation-Zeit in Italien zurück, die das Organisationstalent der beiden Bielefelder ebenso forderte wie sie kulturelle Überraschungen bereithielt.