WIRTSCHAFT VON MORGEN

Von der nachhaltigen Geschäftsidee bis hin zur konsequent CSR-orientierten Unternehmensführung – Sustainable Entrepreneurs stehen für innovatives nachhaltiges Wirtschaften. Denn jedes Unternehmen – egal ob Start-up, traditionelles Familienunternehmen oder börsennotiertes Unternehmen – trägt die Verantwortung dafür, welchen Einfluss die eigenen unternehmerischen Tätigkeiten auf die Umwelt haben. Und so streben viele Unternehmen inzwischen danach, ökologische, soziale und geschäftliche Aspekte in Einklang zu bringen. Zum Glück.

CIRCULY

DER PURPOSE MOTIVIERT

„Wir wollen zum Standard in jedem E-Commerce-Checkout werden,
so wie Klarna. Das heißt, die Kunden entscheiden bei jedem Produkt
‚Ich möchte kaufen‘ oder ‚Ich möchte mieten‘“, erklärt Victoria Erdbrügger, Managing Director und Co-Founderin von circuly. Gemeinsam mit Nick Huijs gründete sie 2019 das Bielefelder Start-up, dessen
Software sich einfach in bestehende E-Commerce-Shops integrieren
lässt und alle Mietvorgänge über den gesamten Produktlebenszyklus
verwaltet. Denn das Mieten von Produkten soll, wenn es nach den GründerInnen geht, genauso einfach sein wie das Kaufen, um so den Weg von der linearen Wirtschaft hin zur zirkulären Wirtschaft zu beschleunigen. Wie viel Glück bei der Gründung im Spiel war und wie wichtig es ist, für eine Purpose-Driven-Company zu arbeiten, verrät die Co-Founderin im Interview.

Ihr habt euch über die Founders Foundation kennengelernt. Ein glücklicher Zufall?
Victoria Erdbrügger: Ich persönlich glaube nicht an Zufälle, aber ein glückliches Timing war es auf jeden Fall. Ich bin zur Founders Foundation gekommen, da ich selbst ein Start-up mit einem Miet-Modell gründen wollte – nämlich Powerbanks (Handyakkus). Der Business Case ist allerdings nicht aufgegangen. Wir haben rausgefunden, dass niemand bereit ist, dafür zu zahlen und das Projekt begraben. Nick war zur selben Zeit in den Founders Foundation Accelerator eingezogen und war gerade dabei, sein Miet-Start-up für Kinderwagen hin zu einem Software-Start-up zu entwickeln, dass es anderen Unternehmen ermöglichen soll, ihre eigenen Produkte zu vermieten. Nick war auf der Suche nach einem Mitgründer – ich auf der Suche nach einem neuen Business-Modell und einem Team. Die Founders Foundation hat uns dann ganz einfach verkuppelt und einige Monate später haben wir circuly gegründet und direkt die erste Finanzierungsrunde gestartet.

Was ist entscheidend dafür, dass eine Gründung Erfolg hat?
Victoria Erdbrügger: Ich glaube, das Erfolgsrezept ist ein Zusammentreffen aus guter Planung und viel Glück. Denn man kann noch so gut die Zukunft voraussagen – letztendlich kommt es auf unzählige Faktoren an, die den Erfolg einer Gründung beeinflussen. Entwickelt sich der Markt wirklich so, wie es in der Planung vorhergesehen ist? Schaffe ich es wirklich in der vorgesehenen Zeit die Ressourcen einzustellen, die ich geplant habe? Letztlich braucht man Glück, um zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.

Was war für Euch wichtig bei der Umsetzung Eurer Geschäftsidee?
Victoria Erdbrügger: Ein offenes Ohr bei unseren Kunden! Denn schließlich entwickeln wir nicht nur einfach eine Idee, die wir bzw. Nick hatte, sondern lösen ein Problem, dass Nick im Markt erkannt hat. Und unsere Kunden kennen das Problem am besten und von denen konnten und können wir immer noch lernen, wie eine Lösung auszusehen hat. Gleichzeitig ist für uns der Purpose bei der Umsetzung unserer Business-Idee wichtig. Nick und ich kommen beide aus Unternehmerfamilien und wissen, dass man nicht nur ideologisch kommen kann mit ‚Wir müssen jetzt alle nachhaltiger werden‘, sondern es muss ein wirtschaftlicher Benefit daraus entstehen, der Unternehmen motiviert, in diese Richtung zu gehen. Und genau das bringen wir mit unserer Lösung von circuly zusammen:
Wir helfen Unternehmen dabei, innerhalb von wenigen Monaten kosteneffizient ein nachhaltiges Geschäftsmodell zu entwickeln und zu pilotieren. Und zwar durch ein Abo- oder Mietmodell. Durch das Mieten von Produkten kann ein und dieselbe Ressource die Nachfrage mehrerer Konsumenten decken und spart letztendlich Ressourcen und CO2 ein. Diesen Purpose in der Unternehmenskultur zu verankern, war uns sehr wichtig. Wir haben beide vorher in großen Unternehmen und Konzernen gearbeitet, wo uns genau das gefehlt hat. Und aus eigener Erfahrung und auch aus dem Feedback meiner 20 Kolleginnen und Kollegen kann ich sagen: Für eine Purpose-Driven-Company zu arbeiten, motiviert.

UMFRAGE

NACHHALTIG UNTERWEGS

Nachhaltigkeit ist in aller Munde und längst ein Megatrend, der dazu dient, Unternehmen zukunftssicher aufzustellen. Den Bedarf an echter, transformativer Sustainability haben viele Unternehmen längst erkannt. Natürlich auch in Bielefeld. Sie nehmen ihren Einfluss auf die Umwelt immer ernster – dazu gehören CO2 -Emissionen ebenso wie der Ressourcenverbrauch. Daher wächst auch die Bedeutung eines betrieblichen Nachhaltigkeitskonzeptes als Teil der Firmenkultur. Wir haben nachgefragt.

  1. Wie weit sind Sie in Sachen Nachhaltigkeit?
  2. Wie lautet Ihr Tipp für andere Unternehmen, um das Thema anzugehen?

Dr. Michael Six, Chief Sustainability
Officer der Goldbeck GmbH

Zu Frage 1:
Wir sind bereits auf einem guten Weg. Unsere Bauweise – das elementierte Bauen mit System – spart im Vergleich zur konventionellen Bauweise einen erheblichen Teil der üblicherweise anfallenden CO2 -Emmissionen ein. Zudem sind unsere Systeme für Produktions- und Logistikhallen sowie für Bürogebäude von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) mit Gold vorzertifiziert. Unsere jüngsten Erfolge sind die Erstellung einer CO2 -Bilanz für das Gesamtunternehmen sowie die Zertifizierung unseres Umweltmanagements. Darüber hinaus haben wir die Abteilung Group Sustainability gegründet und wollen bis zum Geschäftsjahr 2023/24 auf Unternehmensebene bilanziell CO2 -neutral agieren. Wir haben bereits eine gute Basis geschaffen, aber damit beginnen die Herausforderungen erst – sowohl für das Unternehmen als auch für unsere Produkte und Services.
Mit unserem ersten Nachhaltigkeitsbericht sehen wir deutlich, wo wir stehen und was noch getan werden muss.

Zu Frage 2:
Kurz gesagt: Nehmt es ernst! Im Thema Nachhaltigkeit stecken viele Chancen, die es zu nutzen gilt. Das kann und darf nicht „nebenbei“ laufen, sondern muss überall beachtet werden. Ganz wichtig ist die Transformation im Denken des gesamten Unternehmens – hier müssen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an einem Strang ziehen und nachhaltiges Denken und Handeln in ihren Alltag integrieren.

Michael Deitert, Vorstandsvorsitzender
Volksbank Bielefeld-Gütersloh.

Zu Frage 1:
Nachhaltiges Wirtschaften ist das zentrale Element unserer langfristig angelegten genossenschaftlichen Strategie. Bei der Volksbank Bielefeld-Gütersloh treibt unser gesamtes Team daher bereits seit vielen Jahren den verantwortungsbewussten Umgang mit den endlichen Ressourcen unserer Erde in unterschiedlichen Projekten intensiv voran. Mit großem Erfolg:
Bereits im vergangenen Jahr ist es uns gelungen, eine neutrale Klimabilanz für unsere Bank zu erreichen. Den Weg, unsere Umweltemissionen auf das absolute Minimum zu reduzieren, werden wir auch in den kommenden Jahren konsequent weitergehen. Wir entwickeln und optimieren unsere Prozesse, unsere Produkte, unsere Gebäude und unseren Fuhrpark fortlaufend digital und nachhaltig weiter. Eines unserer nächsten Ziele ist es, zum ersten Mal klimapositiv zu werden. Das heißt, wir wollen perspektivisch mit allen unseren eingeleiteten Maßnahmen mehr Treibhausgase der Atmosphäre entnehmen, als durch unser gesamtes wirtschaftliches Handeln freigesetzt werden.

Zu Frage 2:
Ich glaube, es geht gar nicht darum, anderen Unternehmen „gute Ratschläge“ zu geben. Viele erfolgreiche Unternehmen haben sich längst nachhaltig positioniert. Bedingt durch die Energiekrise erleben wir derzeit eine immense Beschleunigung dieser Entwicklung. Die Kostenexplosion im Energiesektor ist zum Treiber der ressourcenschonenden Transformation ür viele Unternehmen geworden, die jetzt mit hohem Druck an einer ökologischen Neuausrichtung ihrer Produktionsprozesse arbeiten. Für die Unternehmen geht es darum, zu erkennen, welche Chancen und langfristig positiven Effekte gerade jetzt durch eine verstärkt nachhaltige
Weiterentwicklung der eigenen Prozesse vorhanden sind. Die großen Herausforderungen werden wir allerdings nur dann lösen, wenn alle gemeinsam anpacken, innovative nachhaltige Lösungen erarbeiten und dann konsequent realisieren. Ganz wichtig ist auf jeden Fall die Erkenntnis: Nachhaltigkeit im Unternehmen ist nicht die Aufgabe von einem oder wenigen, sondern von vielen oder optimalerweise von allen. Auch darin entdecken wir übrigens unsere genossenschaftliche Idee wieder.

Peter Ellerbrock, Nachhaltigkeitsbeauftragter
der Delius GmbH & Co. KG

Zu Frage 1:
Unsere 300-jährige Firmengeschichte ist vielleicht der beste Beleg für nachhaltiges Agieren. Seit 2021 steht dafür auch unsere Kollektion Ecoline, die aus Garnen aus recycelten PET-Flaschen hergestellt wird, GRS-zertifiziert und mit dem Öko Tex Standard 100 ausgezeichnet ist. Darüber hinaus arbeiten wir mit dem Faserinstitut Bremen zu „Recycling Altware“ nach dem Cradle-to-Cradle Prinzip zusammen. So haben wir zum Beispiel auch ein Rücknahmekonzept „Altware bei Kauf von Neuware“ eingeführt. Über mögliche Recycling-Konzepte hinaus – den Recyclingprozess der Altware zu Vlies übernehmen externe Dienstleister – beschäftigen wir uns aber auch mit alternativen Materialien.

Zu Frage 2:
Ganz wesentlich ist es aus meiner Sicht, im Unternehmen eine Projektgruppe „Nachhaltigkeit“ zu bilden und dabei alle Unternehmensbereiche mit einzubeziehen. Gleichzeitig spielt das Thema Information eine entscheidende Rolle und damit auch das Networking. Und zwar intern wie extern. Man sollte schauen, wie andere es machen, und natürlich auch bei Verbänden oder der IHK anfragen. Zur Ermittlung des CO2-Footprints empfehle ich die kostenlose und dennoch seriöse Lösung ecocockpit – CO2-Bilanzierung für Unternehmen.