Den Blickwinkel erweitern

Eine Überwachungskamera auf dem Titel des Bielefelder Kultursommers – ein stiller Wächter, der sowohl Beobachter als auch Teil des Geschehens ist. Das Motiv mag auf den ersten Blick irritieren, bedeutet es doch oftmals Kontrolle oder Überwachung. Symbolisch steht die Kamera jedoch auch dafür, den Blick zu schärfen. „Genau hinzuschauen, ist eine der Aufgaben von Kultur“, unterstreicht Brigitte Brand.

Bei der sich immer mehr zuspitzenden Weltlage ist es für die Kulturamtsleiterin unabdingbar, unterschiedliche Perspektiven in den Blick zu nehmen, um sich nicht von populistischen Lösungsvorschlägen vereinnahmen zu lassen. Dazu möchte auch der Kultursommer in diesem Jahr einladen. Vom 4. Mai bis 21. September soll das Programm den Dialog über Kunst, Kultur und das gesellschaftliche Miteinander anregen, den Blick für die Vielfalt und Komplexität der Gesellschaft schärfen. „Wenn ich auf das Programm schaue, stelle ich erfreut fest, wie sehr sich Kultur mit gesellschaftskritischen Themen beschäftigt und Impulse setzt“, unterstreicht Brigitte Brand.

Bielefelds Straßen und Plätze werden zur Kulturbühne

Bewährte Veranstaltungsformate wie das Festival im Vogelviertel, das Bielefelder Sommertheater, die RadKulTour und der Wackelpeter sind fester Bestandteil des Kultursommers. Das Festival im Vogelviertel setzt am 21.6. ein starkes Zeichen für Begegnung, Austausch und die Anerkennung von Vielfalt in der Bielefelder Stadtgesellschaft und zeigt, wie bereichernd Migration sein kann. Im Zentrum steht das Bühnenprogramm, das musikalische Brücken zwischen europäischen und nahöstlichen Traditionen schlägt. Daneben finden verschiedene Workshops statt. Vereine und Initiativen bieten kulinarischen Genuss.

RadKulTour(c)Klaus Hansen

Das Sommertheater auf dem Klosterplatz erzählt mit „El Gran Final“ am 16.8. die Geschichte zweier Clowns, die durch einen Bürgerkrieg voneinander getrennt wurden. Die zentralen Themen, Liebe, Trennung und Wiedersehen, machen die Inszenierung der spanischen Gruppe Bucraá Circus zu einem zeitlosen Stück. „Ein Stück, das besonders berührt und einen aktuellen Nerv trifft“, so Programmplanerin Laura Baß. Zum Ende des Sommerprogramms führt die fünfte Auflage der RadKulTour (21.9.) das kulturaffine Publikum zudem auf Entdeckungsreise in den Bielefelder Norden. Mehr als 60 Ensembles, Bands und Einzelkünstler*innen der lokalen Kulturszene aus den Bereichen Musik, Theater, Bildende Kunst, Tanz und Literatur sind in diesem Jahr dabei.

Der Wackelpeter (Bild links) lädt am letzten Wochenende der NRW-Sommerferien zum 23. Mal zum weit und breit größten Kinder- und Familienkulturfest in den Ravensberger Park ein. Es gibt viel zu entdecken, auszuprobieren und zu bestaunen. Die Besucher*innen können sich auf kreative Performances, mitreißende Musik und vieles mehr freuen. Der Eintritt zu allen vier Veranstaltungen ist kostenlos!

Open-Air-Konzerte von Folk bis Funk

Egal ob familienfreundliche Sonntagsmatinee am Bauernhausmuseum, lauer Sommerabend über den Dächern Bielefelds oder Jazzklänge in gemütlicher Atmosphäre – der Sommer ist die Zeit der Open-Air-Konzerte. Den Auftakt machen Old Salt am 11.5. bei der Ohrenweide. Im Sound der Americana-Band finden sich Folk Traditionen aus den USA, Schweden, Frankreich und Schottland wieder. Gegründet 2015 zeichnet sich Old Salt durch Spontanität, Unbekümmertheit und dynamische Kompositionen aus. Weiter geht der Konzertsommer am 11.6. mit Tante Friedl im Innenhof der Sparrenburg. Das Welt-Folk-Roots-Duo aus Berlin überzeugt mit einem dynamischen und unverwechselbaren Sound. Mit Akkordeon, Banjo und zwei kraftvollen Stimmen erzählen sie feinsinnige, politische und ironische Geschichten und reisen durch die musikalischen Traditionen internationaler Volksmusik. Das Konzert wird durch den Bielefelder Musiker Rondiva eröffnet. Fans des Jazz können sich auf den 28.6. freuen. An diesem Abend tritt die kleinste Brass Band der Welt, die Bielefelder Band Bonsai, im Garten des Bielefelder Kunstvereins auf. Ihre Arrangements kennzeichnen sich durch die fantasievolle Verbindung zwischen Jazz, Funk und weiteren Musikstilen. Die Spielfreude der jungen Musiker*innen und eine gute Portion Humor machen ihre Konzerte zu einem unvergesslichen Fest.

Tante Friedl(c)Agni Miguel

Dass die bewährten Kultursommer-Reihen mit weniger Terminen daherkommen, hat inhaltliche wie finanzielle Gründe. „Wir möchten das Programm auf den Prüfstand stellen, um neue Reihen zu entwickeln und den Kultursommer auf zeitgemäße Beine zu stellen“, so Brigitte Brand. „Da wir finanziell und personell am Anschlag sind, geht das aber nur, wenn wir unserer eigenen Reihen etwas reduzieren.“

Trotzdem ist jede Menge los in diesem Sommer – nicht zuletzt dank der zahlreichen Projekte der vom Kulturamt unterstützten Kooperationspartner. So gibt es mittwochs auf dem Kesselbrink an vier Nachmittagen im Rahmen der Reihe Kesselkidz ein vielfältiges Programm für Familien. Von Juli bis September gibt es dort außerdem abends mit der Reihe Summer Soundz und den Weltnächten Konzerte verschiedenster Musikrichtungen mit überwiegend lokalen Künstler*innen zu erleben.

Kunst und Kultur für die Gesellschaft von Morgen

Doch das war noch nicht alles: Auch die Freie Bielefelder Kulturszene beschäftigt sich in diesem Sommer auf vielfältige Weise mit dem gesellschaftlichen Zusammenleben in unserer Stadt und darüber hinaus. Den Auftakt macht das Rochdale Festival am 10.5., veranstaltet von Leises Rauschen, Teutopia e.V. und MARLA. Zwei Bühnen und ein vielfältiges Programm mit Musik, Streetart und Spielangeboten laden Groß und Klein auf das ehemalige Kasernengelände an der Oldentruper Straße ein.

Ebenfalls im Mai (23. – 31.5.) veranstaltet das Theaterlabor ein Festival mit dem Titel „Future Prepping“ (Bild links), das in verschiedenen künstlerischen Formaten Themen wie Nachhaltigkeit, Diversität und Kultur mit aktueller Kommunalpolitik zusammenbringt. Der 26. Bielefelder Carnival der Kulturen verwandelt die Innenstadt am 14.6. in ein Zentrum kultureller Vielfalt. Unter dem Motto „Colorful Tomorrow“ setzt die Veranstaltung des Shademaker Carnival Club e.V. ein Zeichen für Vielfalt und Weltoffenheit. Ab dem 31.8. beginnen zudem die Jüdischen Kulturtage. Zum vierten Mal geben Ausstellungen, Konzerte, Lesungen, Filme und Workshops Einblicke in die Vielfalt des jüdischen Lebens gestern und heute.

Mehr als 50 Veranstaltungen laden in diesem Kultursommer dazu ein, den Blick zu schärfen und verschiedene Perspektiven einzunehmen. Das gesamte Programm findet sich unter www.kulturamt-bielefeld.de oder im Kultursommer-Programmheft des Kulturamtes.