Zu Gast bei den Pfadfindern

Ein leichter Rauchgeruch liegt in der Luft, Kinderstimmen hallen über die weite Wiese in der Senne. Es klopft, klappert und knistert – hier ein Hammer, der auf Holz trifft, dort ein Feuer, das entfacht wird. Rund 80 Kinder und Jugendliche sind an diesem Samstagnachmittag zusammengekommen, um das zu tun, was für Pfadfinder typisch ist: Zelte bauen, Holz hacken, am offenen Feuer kochen – kurz: Abenteuer in der Natur erleben. Die Bielefelder Royal Rangers, so nennen sich die christlichen Pfadfinder, treffen sich hier jede Woche. Und schon der Beginn folgt einem festen Ritual: Im großen Kreis stellen sich die Kinder nebeneinander, es wird gesungen, gebetet, ein Impuls geteilt. „Der Nachmittag beginnt stets mit dem Anfangskreis“, erklärt Stammleiter Markus Wöstenfeld. Danach ziehen sich die Gruppen, sortiert nach Altersstufen, auf ihre selbst gestalteten Plätze zurück. Nägel sucht man auf dem Gelände ebenso vergeblich wie Smartphones. Stattdessen wird mit Holz, Stricken und Knoten gearbeitet – die einzige Ausnahme: Stammleiter Markus trägt für den Notfall ein Handy in der Tasche. „Man kann nur richtig abschalten, wenn man auch mental offline geht“, sagt der 58-Jährige.

2009 gründete der Bankkaufmann gemeinsam mit Mitstreitern aus seiner freikirchlichen Gemeinde den Bielefelder Stamm – offiziell der 421. in Deutschland. Heute sind auch seine beiden Söhne als Teamleiter dabei.

Das „Royal“ im Namen bezieht sich nicht auf das britische Königshaus, sondern auf den „König im Himmel“. Die Royal Rangers sind eine internationale christliche Pfadfinderschaft, offen für alle Kinder – ob mit oder ohne kirchliche Zugehörigkeit oder muslimischen Glaubens spielt, dabei keine Rolle. „Wir missionieren nicht“, betont Markus – bei den Pfadfindern ist man per Du. „Wir wollen vielmehr zeigen, dass Glaube auch Spaß machen kann. Wichtig ist uns, dass die Kinder in allen Bereichen wachsen: geistlich, geistig, körperlich und gesellschaftlich.“

Beim Feuer machen, Schnitzen oder Holzhacken wird schnell klar: Abenteuer braucht Regeln. „Jugendarbeit funktioniert nur mit klaren Strukturen – und das aus gutem Grund. Beim Umgang mit der Axt oder dem Messer geht Sicherheit immer vor“, erklärt der Stammleiter. Doch das Ziel bleibt, Kindern Freiheit und Verantwortung zu geben. Sie lernen, wie man Feuer entfacht, Heringe schnitzt, Zeltstangen im Wald sucht – und sie lernen, einander zu helfen.

Die Kluft – Hemd, Halstuch, Aufnäher und der heiß begehrte Hut, auch „Zitronenpresse“ genannt – sorgt dafür, dass alle gleich sind. Den Hut gibt es allerdings erst ab neun Jahren, wenn aus den „Forschern“ die „Kundschafter“ werden.

Die Altersgruppen tragen sprechende Namen: „Entdecker“ (4–5 Jahre), „Forscher“ (6–8), „Kundschafter“ (9–11), „Pfadfinder“ (12–14) und schließlich die „Pfadranger“ bis 21, die bereits Leitungsaufgaben übernehmen. Jede Stufe endet mit kleinen Prüfungen – ein Highlight ist für viele Pfadfinder der Hike mit Übernachtung im Wald.

Vom 2. Advent bis Ostern ruht der Betrieb, damit sich die Wiese erholen kann. Zwei Landwirten stellen sie kostenfrei zur Verfügung, weil sie die Jugendarbeit unterstützen möchten – einzige Bedingung: Die Fläche muss gemäht werden. Dabei wechseln sich die Eltern ab. „Wir sehen uns als Naturschützer“, betont Markus Wöstenfeld. „Bei uns gilt: Ein Ranger verlässt den Platz sauberer, als er ihn vorgefunden hat.“

Besonders beeindruckend sind die „Schwarzware“-Zelte aus wasserfestem Baumwollstoff. Mit wenigen Handgriffen entstehen aus den einzelnen Bahnen kleine „Kröten“ für zwei Personen – oder ganze Jurten für 200 Teilnehmer. Praktisch: Das Gewicht verteilt sich beim Wandern auf viele Schultern. Bei den Royal Rangers gibt es eine Mischung aus Naturerlebnis, Abenteuer und Gemeinschaft nach christlichen Werten. Wer dabei ist, lernt nicht nur, wie man Feuer macht oder ein Zelt aufbaut. „Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen, sich gegenseitig zu unterstützen und sich selbst zu entdecken“, fasst Markus Wöstenfeld zusammen. „Die Kinder erleben hier Abenteuer in einem geschützten Rahmen.“