Bücher machen das Leben bunter. Wir haben hier ein paar Ideen für Sie.

Norris von Schirach: Blasse Helden

Penguin, 13 €

„In der sechsten der elf Zeitzonen Russlands setzte die Tupelow 134 im Morgengrauen gewohnt hart auf. Als sie vom Flughafen ins Zentrum fuhren, übertünchte der Restalkohol gnädig die architektonischen Geniestreiche der Stadt.“ Mit Sätzen wie diesen beschreibt Norris von Schirach meisterlich Antons abenteuerliche Zeit in den 1990er Jahren in Moskau. Das in der Auflösung begriffene Sowjetreich bietet einen großen Spielplatz für Glücksritter, die auf das schnelle Geld aus sind. Gewalt und Korruption sind an der Tagesordnung. Und denen, die die Spielregeln beherrschen und über die richtigen Kontakte verfügen, winkt immenser, ja unanständiger Reichtum. Anton, der weder besonders arbeitsfreudig noch qualifiziert ist, passt wunderbar ins neue Russland der Jelzin-Ära. Engagiert wird der 32-Jährige Deutsche von einem Rohstoffhändler, der für seine riskanten Geschäfte in der rapide zerfallenden Sowjetunion einen zuverlässigen Mr Fix-it sucht. Anton ist dafür der ideale Mann: Er hat keine politische Haltung, stellt keine moralischen Fragen. Vielmehr genießt er das Leben im Luxus, die Hochkultur und natürlich die Frauen. Schnell erhält Anton Zugang zu den neuen Eliten des Landes. Er lässt sich treiben und führt als „blasser Held“ ein bizarres, wenngleich nicht ungefährliches Leben, das die Leserschaft in den Bann zieht. Norris von Schirach versteht es, aus dem opportunistischen Anton einen sympathischen Zeitgenossen zu machen, der sich – wenn es darauf ankommt – einen Rest an Anstand bewahrt. Absolut lesenswert!

Tove Alsterdal: Erdschwarz

rowohlt polaris, 17 €

Nach „Sturmrot“ ist „Erdschwarz“ der zweite Fall für die Polizistin Eira Sjödin, die in ihre Heimat Ådalen im nördlichen Schweden zurückgekehrt ist, um ihre an Demenz erkrankte Mutter zu versorgen. Weil sie die Gegebenheiten und vor allem die Mentalität der Bewohner bestens kennt, wird sie gebeten, an einem mysteriösen Fall mitzuarbeiten. In einem verlassenen Haus in den Wäldern von Ångermanland wird ein Mann tot aufgefunden. Er ist verhungert. An seiner linken Hand sind zwei Finger abgetrennt. Wenig später wird weiter nördlich, in der kleinen Bergbaugemeinde Malmberget, ein Mann gefunden, der in einem Keller eingeschlossen dem Tod überlassen wurde. Als ein Ermittler aus dem Team tagelang verschwindet, schwant Eira Sjödin Böses. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt … Tove Alsterdal versteht sich darauf, ihren Charakteren viel Tiefe und Menschlichkeit zu verleihen. Gepaart mit einem spannenden Plot wird daraus richtig gute Spannungsliteratur.

Judith Lennox: Die Jahre unserer Freundschaft

Piper, 24 €

Bestsellerautorin Judith Lennox hat die Gabe, Geschichten zu schreiben, die berühren, ohne in beliebigen Kitsch abzugleiten. Ihre große Stärke ist die Schilderung von Zwischenmenschlichem.  Die unverbrüchliche Freundschaft von Bea, Emma und Marissa, die sich als junge Frauen im England der Siebzigerjahre kennenlernen, ist der Kern des neuen Romans. Zwischen den Frauen entwickelt sich eine tiefe Verbundenheit, obwohl sie aus unterschiedlichen Elternhäusern stammen und jede einen anderen Lebensweg einschlägt: Um eine gute Ehefrau und Mutter zu sein, begräbt Emma ihren Traum von einer künstlerischen Karriere. Bea, von ihrer großen Liebe verlassen, gibt auf Druck ihrer Eltern ihr uneheliches Kind zur Adoption frei. Und Marissa muss sich nach der Flucht vor ihrem gewalttätigen Ehemann ein ganz neues Leben aufbauen. Aber die Vergangenheit holt die drei Frauen immer wieder ein und stellt auch ihre Freundschaft auf harte Proben.

Leon Sachs: Der Zirkel

Penguin, 16 €

Drei Tote in drei verschiedenen Ländern. Mit Blick auf die Mordmethode kann das kein Zufall sein.  Johanna Böhm, frisch gebackene Studentin an der Polizeiakademie, weiß, was die drei Mordopfer verbindet. Denn sie kennt die Opfer aus ihrer Vergangenheit, vor der sie einst geflohen ist. Und Johanna ahnt, dass sie dieses Wissen erneut in große Gefahr bringen könnte. Als der Ex-Geheimdienstler Rasmus Falk nachts in ihre Wohnung eindringt und sie beschuldigt, in den Mordkomplott verwickelt zu sein, sieht sie ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Er droht, ihre Karriere bei der Polizei zu beenden, ehe sie begonnen hat, und Johanna bleibt keine andere Wahl, als sich mit Falk zu verbünden. Doch kann sie ihm trauen? Denn Falk hat einen höchst persönlichen Grund, der Mordserie auf den Grund zu gehen.
Leon Sachs schreibt schnörkellos und höchst packend. Besonders gelungen ist die Schilderung der erzwungenen Zweckgemeinschaft zwischen Johanna Böhm und Rasmus Falk, zwischen Misstrauen und Vertrauen, Abneigung und Sympathie – ein ständiges Auf und Ab. Auf den nächsten Band der Reihe darf man gespannt sein.

Jens Henrik Jensen: EAST – Welt ohne Seele

dtv, 13,95 €

Seit dem gewaltsamen Tod seiner Frau und seiner Tochter ist CIA-Agent Jan Jordi Kazanski dem Alkohol verfallen – und vom Dienst suspendiert. Zu seiner eigenen Überraschung erhält er noch mal eine letzte Chance. Dank seiner polnischen Wurzeln soll er in Krakau jemanden ausfindig machen, der unter dem Decknamen „Die Witwe“ agiert. Die Situation in Polen um die Jahrtausendwende ist unübersichtlich. Korruption und Gewalt bestimmen das Geschehen. Geheimdienste und mafiöse Banden sorgen für Chaos und Ordnung gleichermaßen. Und Kazanski mittendrin – und das ist brandgefährlich.

Im ersten Band der EAST-Trilogie, die bereits 1997 auf Dänisch erschien, blitzt Jensens außergewöhnliches Talent für spannende Thriller (u. a. Oxen) bereits durch. Leider nehmen die geheimdienstlichen Verstrickungen in „Welt ohne Seele“ für meinen Geschmack einen zu großen Raum ein. Da wären ein paar Wendungen weniger mehr gewesen. Dennoch ist EAST ein spannendes Lesevergnügen.

Andreas Eschbach: Solarstation

lübbe, 13 €

Erstmals 1996 erschienen besticht „Solarstation“ durch eine fesselnde Geschichte von höchster Aktualität. Es geht um die Energieknappheit und damit das Überleben des Planeten Erden. Der Amerikaner Leonard Carr ist Besatzungsmitglied der japanischen Solarstation NIPPON, deren hauchdünnen Sonnensegel die kostbare Energie an die Erde liefern. Als die Energieübertragung mehrfach versagt, vermutet der Kommandant der Station Sabotage und beauftragt den unauffälligen Leonard in seiner Funktion als Facility Manager und Security Chef mit diskreten Ermittlungen. Als ein Mord geschieht, wird die Luft dünn, denn der Täter kann nur zur Crew gehören. Während der fieberhaften Suche nach dem Täter dockt ein fremdes Raumschiff ohne Genehmigung an. Bald wird deutlich, dass die Piraten einen höheren Plan verfolgen, der zu einer nie dagewesenen Bedrohung für die Erde gerät. Leonard hat nur eine Chance gegen die kalte Präzision, mit der seine Widersacher vorgehen: Er kennt alle Geheimnisse der Solarstation und weiß, die Gesetze der Schwerelosigkeit für sich zu nutzen. Ein hoch spannender Pageturner angereichert mit reichlich anekdotenhaften Infos über das Leben im Weltraum.

Arnaldur Indriðason: Wand des Schweigens

Lübbe, 22,90 €

Dieser Fund, mitten in Reykjavík, ist ein Schock für die Bewohner: Hinter der Kellerwand ihres Wohnhauses entdecken sie ein menschliches Skelett. Offenbar wurde hier vor Jahrzehnten ein Mordopfer eingemauert und vor der Welt verborgen. Die Kripo Reykjavík nimmt die Ermittlungen auf, eine Vermisstenmeldung, die passen würde, finden sie jedoch nicht. Wer bloß ist das Opfer? Welches Verbrechen wurde hier begangen? Als der pensionierte Kommissar Konráð sich einschaltet, blocken die ehemaligen Kollegen ab. Sie vermuten, dass Konráð ihnen wichtige Infos bei früheren Ermittlungen verschwiegen hat. Konráð forscht daraufhin auf eigene Faust weiter. Hat das lange zurückliegende Verbrechen tatsächlich etwas mit seiner eigenen Familiengeschichte zu tun – mit dem Mord an seinem Vater? Der isländische Bestseller kommt bei seinen Krimis ohne actionreiche Szenen aus und versteht es dennoch seine Leserschaft zu fesseln.

Claire Winter: Kinder des Aufbruchs

Diana-Verlag, 22 €

Sechs Jahre nach dem Mauerbau lernt die erfolgreiche Dolmetscherin Emma in West-Berlin die aus dem Ostteil der Stadt geflohene Sängerin Irma Assmann kennen. Als sie ihrer Zwillingsschwester Alice davon erzählt, reagiert diese beunruhigt. Alice schreibt als Journalistin über die Studentenbewegung und steht in Kontakt mit verschiedenen Fluchthilfe-Organisationen. Ist Irma mit ihren ehemaligen Beziehungen zum KGB als Informantin im Westen? Oder sind die Schwestern und deren Männer Julius und Max durch ihre Verbindungen zur DDR zu Zielscheiben geworden? Kurz darauf wird die Sängerin ermordet, und die vier geraten inmitten der Studentenunruhen zwischen die Fronten der Geheimdienste. Ein spannender und unterhaltsamer Roman, der deutsch-deutsche Geschichte ganz lebendig werden lässt.