Ist das Wetter auch noch wechselhaft – ein gutes Buch ist immer ein verlässlicher Begleiter.

Jussi Adler-Olsen – Verraten

dtv, 26 €

Es wird einem schon etwas wehmütig zumute. Seit 2007 fesselt die Thriller-Reihe um Carl Mørck, Spezialermittler des Sonderdezernats Q bei der Kopenhagener Polizei, und sein syrischer Assistent Hafez el-Assad (der mit den Kamel-Metaphern) die Leserschaft. In ihrem zehnten und letzten Fall geraten die beiden tief in ein Netz aus Lügen und Geheimnissen und müssen all ihre Kräfte aufbieten, um dem Morden Einhalt zu gebieten. Dabei graben sie sehr tief in der Vergangenheit und fördern allerlei unbequeme Wahrheiten zutage. Vom ersten Band an war Jussi Adler-Olsen klar, wohin die Reise bei seinen Thrillern geht.

Im letzten Krimi verknüpft der dänische Bestsellerautor alle losen Enden zu einer stimmigen Auflösung. Wir werden das Sonderdezernat Q mit seinem eigenwilligen und skurrilen Personal sehr vermissen. (E.B.)

Malin Persson Giolito – Mit zitternden Händen

Lübbe, 22 €

Ein Jugendlicher erschießt in einem Stockholmer Vorort seinen besten Freund. Eine unbegreifliche Tat. Eindrücklich und nachvollziehbar schildert Malin Persson Giolito, die Geschichte dahinter.  Billy und Dogge sind seit Kindesbeinen eng befreundet. Während Billy, der aus einer Einwandererfamilie stammt, in einem sogenannten Problemviertel lebt, aber eigentlich wohlbehütet aufwächst, stammt Dogge aus einer vordergründig reichen Familie. Aber niemand kümmert sich um ihn. Bereits im Alter von zehn Jahren erleben die beiden Freunde ihren ersten Vollrausch.

In Billys Viertel übernehmen Gangs das Sagen und Billy und Dogge – angelockt durch das schnelle Geld, Drogen und Anerkennung – werden für kriminelle Handlungen rekrutiert, weil sie noch nicht strafmündig sind. Nach einigen Jahren will Billy aussteigen, aber das ist in diesem von Gewalt geprägten Milieu brandgefährlich. Malin Persson Giolito hat einen Roman geschrieben, der lange im Gedächtnis bleibt. Ab 31.5.2024 als Taschenbuch erhältlich. (E.B.)

Percival Everett – James

Hanser, 26 €

Die Abenteuer von Huckleberry Finn kennt (fast) jedes Kind. Percival Everett dreht die Perspektive und schildert die Geschichte aus der Perspektive des versklavten Jim – richtigerweise James. James kann lesen und schreiben, spielt für die Weißen aber den Dummen. Denn Bildung bei Schwarzen betrachten die „Besitzer“ als Bedrohung. Als James zufällig mitbekommt, dass er nach New Orleans verkauft werden soll, flieht er. Huck, der wie immer was ausgefressen hat, begleitet ihn auf seiner lebensgefährlichen Reise in den Norden. Dort will James Geld verdienen, um seine Familie freizukaufen. Everett taucht tief ein in dieses grauenerregende Kapitel der US-amerikanischen Geschichte und schildert James’ Geschichte, das exemplarisch für das Schicksal von Millionen Versklavter steht, auf unvergessliche Weise. Unbedingt lesen! (E.B.)

Martin Suter – Allmen und Herr Weynfeldt

Diogenes, 26 €

Johann Friedrich von Allmen lebt auf großem Fuß. Wie schon in den Vorgängerromanen gibt er Geld aus, das er eigentlich nicht hat. Aber darüber macht er sich keine Gedanken. In seinen Kreisen ist es verpönt, über Geld zu sprechen, man hat es einfach. Aber in diesem Falle eben nicht parat: In einer Bar stellt der Kunstexperte fest, dass er die Rechnung nicht begleichen kann und sucht diskret die Nähe eines kultivierten Herrn seines Alters, trinkt mit ihm ein Glas – wobei seine neue Bekanntschaft lediglich die Olive im Martini verspeist und das Getränk nicht anrührt – und baut darauf, dass er eingeladen wird. Die Rechnung geht auf.

Es ist der Beginn einer ungewöhnlichen Freundschaft. Als Adrian Weynfeldt kurz darauf bemerkt, dass ein Bild in seiner Sammlung fehlt, schaltet er Allmen ein. Weynfeldts illustrer Freundeskreis gibt sich zugeknöpft. Nur die Kunstbuchhändlerin will reden. Doch bald schon kann sie das nicht mehr. Allmen steht vor seinem ersten Mordfall. Mit leichter Feder und viel Gespür für Charakterzeichnungen entführt Martin Suter in die Welt der Reichen und Schönen. Selbstverständlich gibt es ein Wiedersehen mit Allmens treuen Butler Carlos und seiner Frau Maria. Ein großartiges Lesevergnügen. (E.B.)

Tine Dreyer – Morden in der Menopause

Dumont, 17 €

Die Macht der Hormone sollte keinesfalls unterschätzt werden. Hitzewallungen und Aggressionsschübe brechen sich aber glücklicherweise seltener in einer Weise Bahn wie bei Tine Dreyers höchst unterhaltsam überdrehten Krimi. Die 48-jährige Liv ist Ehefrau, Mutter von drei Kindern und arbeitet erfolgreich als Küchenplanerin. Sie hat also jede Menge um die Ohren und ist darüber hinaus hormonell herausgefordert. Als ein zwielichtiger Typ ihrem pubertierenden Sohn Drogen verkaufen will, brennen bei ihr alle Sicherungen durch und sie schlägt ihm kurzerhand den Schädel ein. Aber wohin mit der Leiche? Jetzt brennt die Kerze wirklich an beiden Enden und Liv steckt ganz tief im Sumpf ihres absackenden Hormonspiegels. Mörderisch komisch – auch für Männer.  (E.B.)

Ferdinand von Schirach – Sie sagt. Er sagt.

btb, 13 €

Katharina Schlüter, eine erfolgreiche TV-Moderatorin, behauptet, ihr ehemaliger Geliebter habe sie missbraucht: Aus zunächst einvernehmlichem Sex sei eine Vergewaltigung geworden. In dem Strafprozess steht Aussage gegen Aussage – ein Dilemma, das eine ungeheure Sprengkraft entfaltet.

Es ist unglaublich gut, wie von Schirach stets so glaubwürdig beide Seiten darstellt, dass man beim Lesen überzeugt ist, sich eine abschließende Meinung über den Sachverhalt gebildet zu haben –, bis der Meister der Verknappung beginnt, die andere Seite sprechen zu lassen … (E.B.)

Louisa Luna – Abgetaucht

Suhrkamp, 18,95 €

Bei ihrem zweiten Auftrag hat es Alice Vega, Spezialistin im Auffinden verschwundener und entführter Personen, mit dem Fall des seit Jahrzehnten vermissten Football-Star Zeb Williams zu tun. Sein Verschwinden 1984 war legendär: Beim großen Cal-Stanford-Footballspiel stand es unentschieden und es waren nur noch wenige Sekunden zu spielen. Williams schnappte sich den Ball, rannte aber in die falsche Richtung: weg vom Spielfeld und aus dem Stadion. Seitdem ist er verschollen. Alice spürt seinen letzten Aufenthaltsort auf: Ilona, Oregon, eine kleine Gemeinde, die von einer lokalen Hassgruppe belagert wird. Undercover infiltriert sie die Gruppe und bringt sich dabei in höchste Gefahr. Ein spannender Thriller mit einer höchst nahbaren Ermittlerin. (E.B.)