Ist es draußen grau und kalt, kann einem ein gutes Buch den Tag retten. Wir haben ein paar Tipps für Sie.

Jo Nesbø: Eifersucht

Eifersucht, Ullstein 22,90 €

Was der norwegische Bestseller-Autor – bekannt für seine Harry-Hole-Reihe – mit seinen sieben Storys zu Papier bringt, ist großes Kino. Jo Nesbø erzählt von sieben Verbrechen, denen ein Motiv zugrunde liegt: Eifersucht. Dieses kaum erklärbare Gefühl wird bei Nesbø greifbar und er versteht es, mit so einigen Twists den Leser zu überraschen. Die titelgebende Geschichte „Eifersucht“ ist mit über 100 Seiten zugleich seine längste. Hier verschlägt es den  Athener Ermittler Nikos Balli, ein Spezialist für das Mord-Motiv Eifersucht, auf die kleine Insel Kalymnos. Er soll den vermissten US-amerikanischen Touristen Julian finden. Er und sein Zwillingsbruder Franz – beide passionierte Kletterer –  waren in dieselbe Frau verliebt, Helena, Tochter eines Gastwirts der Insel. Nach einem Streit der Brüder ward Julian nicht mehr gesehen. Ist er tatsächlich beim frühmorgendlichen Schwimmen ertrunken, wie das verwaiste Handtuch am Strand nahelegt? Balli begibt sich auf die Suche und begegnet seinen eigenen Dämonen. Nach dieser Geschichte erwartet man voller Ungeduld den neuen Roman von Jo Nesbø. (E.B.)

Claire Fuller: Unsere unendlichen Tage

Piper, 22 €

Zuerst klingt es wie ein Abenteuerurlaub, aber eigentlich ist es eine Entführung. Als James, der sich in der Prepper Szene auf das Ende der Welt vorbereitet hat, mit seiner achtjährigen Tochter in die Wildnis aufbricht, stehen ihr Jahre der Einsamkeit und Entbehrungen bevor. Den Überlebenskampf in der und gegen die Natur beschreibt die britische Autorin mit unglaublichem Sog. Mit kühler, präziser Sprache entwickelt sie eine schaurig-schöne Schreckensgeschichte, die nicht gut enden kann. (S.G.)

Antti Tuomainen: Der Kaninchen-Faktor

Rowohlt, 16 €

Die Finnen sind für schräge Geschichten bekannt, aber kaum jemand vermag es besser, Komik, Tragik und Spannung zu verbinden als Antti Tuomainen. Mit viel Liebe begleitet er seine Figuren durch die absurd anmutende Geschichte. Da wäre der  Versicherungsmathematiker Henri Koskinen, der zutiefst davon überzeugt ist, dass alles im Leben berechenbar ist. Bis er von seinem verstorbenen Bruder einen Abenteuerpark erbt, dessen Leitung ihn an seine Grenzen treibt. Zumal das Erbe nicht unbelastet ist, da sein Bruder ob finanzieller Schwierigkeiten Kredite aus dubiosen Quellen besorgt hatte. Außerdem tritt Laura, die sich bislang um das Tagesgeschäft des Parks gekümmert hat, in Henris Leben und bringt seine sorgsam aufgestellten Berechnungen, wie das Leben zu funktionieren hat, völlig aus der Gleichung. Ein höchst vergnüglicher Lesespaß. (E.B.)

Emma Stonex – Die Leuchtturmwärter

S. Fischer-Verlag, 22 €

Basierend auf einem realen Fall schildert der Roman das Mysterium von drei Männern, die auf dem Leuchtturm Maiden Rock 15 Seemeilen entfernt vom Festland arbeiten und Ende 1972 spurlos verschwinden. Der Leuchtturm steht auf einer winzigen Felsklippe, was also ist passiert? 20 Jahre später macht sich der Autor Dan Sharp daran, das Geheimnis aufzuklären. Er interviewt die Frauen, denen das Verschwinden ihrer Männer bis heute Rätsel aufgibt. Geschickt verwebt Emma Stonex die klaustrophobische Arbeitsatmosphäre eines Leuchtturms mit dem von den Frauen geschilderten bedrückenden Ehealltag an Land. Allmählich werden Konfliktlinien und Spannungen sichtbar, ohne die Unglücksursache ganz zu enthüllen. Im Grunde ein psychologisch raffinierter Roman über Einsamkeit. (H.O.)

Jodi Picoult: Umwege des Lebens

C. Bertelsmann, 22 €

Mal wieder so ein Beispiel für einen deutschen Titel, der die Treffsicherheit des Originals leider verfehlt. „The Book of Two Ways“ spielt nämlich wunderbar auf das altägyptische Totenbuch an, das Mumien mit in den Sarg gegeben wurde. Und um zwei verschiedene Wege, die die Heldin des Buches einschlägt, geht es dann auch tatsächlich in dem Roman. Der eine Weg hat Dawn Edelstein als Forscherin nach Ägypten geführt, der andere als Sterbebegleiterin in die USA. Und irgendwann stellt sie sich eine Frage, die schon viele Menschen beschäftigt hat. Was wäre wenn? Wenn ich einen anderen Weg eingeschlagen hätte? Mich für einen anderen Partner entschieden hätte? Zwei Wege gibt es auch dieses Buch zu lesen: einerseits als nachdenkliche Liebesgeschichte, andererseits als lehrreiche Abhandlung über das alte Ägypten. (S.G.)

Veronika Rusch: Die Dunkelheit der Welt

Piper, 12,99 €

Auch im dritten Band der Reihe um die Josephine-Baker-Verschwörung gelingt es Veronika Rusch, dasselbe hohe Niveau der beiden Vorgänger-Romane zu halten. Historisch kenntnisreich und fesselnd geschrieben entführt sie ihre Leserschaft dieses Mal in das Jahr 1942 nach Paris und Marokko. Während Tristan Nowak sich in der französischen Hauptstadt dem Widerstand gegen die Nazis angeschlossen hat und zum Schein als Leibwächter eines hochrangigen Gestapo-Beamten arbeitet, weilt seine einstige große Liebe Josephine Baker in Nordafrika, das immer mehr zum Auffangbecken für vor der NS-Diktatur Geflüchtete wird. Was (fast) niemand weiß: Die weltberühmte Tänzerin schmuggelt geheime Dokumente für die Alliierten. Als Tristan ein Attentat der Résistance auf seinen politischen Feind und Schutzbefohlenen verhindert und einen der Täter erschießt, gerät er zwischen alle Fronten und muss sich auf das perfide Spiel seines alten Widersachers einlassen: Er selbst soll zum Lockvogel für Josephine Baker werden – und damit zur Schlüsselfigur bei ihrer Ermordung. Und er hat keine Wahl: Die Nazis haben seine Tochter. Der letzte Band der Josephine-Baker-Verschwörung endet mit einem furiosen Finale. Wir sind gespannt, was sich Veronika Rusch als nächstes auf die Fahnen geschrieben hat. (E.B.)

Irene Dische – Die militante Madonna

Hoffmann und Campe, 22 Euro

Ein Transgender-Historienroman? Ja das geht. Und wenn Irene Dische ihn schreibt, kommt ein atemberaubendes Schelmenstück über einen Menschen dabei heraus, der sich der Festlegung auf ein bestimmtes Geschlecht ganz einfach widersetzt. Ein wunderbar spöttisch erzählter Abenteuerroman, der das brandaktuelle Thema „Identität“ mal ganz anders aufzäumt. Irene Dische erzählt die wahre Geschichte des Chevalier d’Eon de Beaumont, der 1728 in Frankreich auf die Welt kam und 1810 in London starb. D’Eon war Diplomat, Soldat, Bibliothekar, Freimaurer, Degenfechter, Schriftsteller und Spion – und verbrachte den größten Teil seines turbulenten Lebens als Frau. Bis zu seinem Tod rätselte ganz London, wer die militante Madonna, die in öffentlichen Degenkämpfen alle Männer in die Knie zwang, wirklich war. (S.G.)

Candice Fox: 606

Suhrkamp, 16,95 €

Ein großartiges Setting mit richtig starken Frauenfiguren. Candice Fox hat einen Pageturner geschrieben, der ein wahnwitziges Tempo vorlegt. Und darum geht’s: Mitten in der Wüste Nevadas liegt ein – naturgemäß streng bewachtes – Hochsicherheitsgefängnis. Trotzdem gelingt ein von außen genial inszenierter Massenausbruch. Mit einem Schlag sind 606 Mörder, Psychopathen, Wahnsinnige und andere Gewalttäter auf freiem Fuß. Für einen der Flüchtigen, John Kradle, ist dies die einzige Chance, endlich seine Unschuld zu beweisen, fünf Jahre nach dem Mord an seiner Frau und seinem Kind. Doch er hat nicht mit Celine Osbourne, Aufseherin des Todestrakt, gerechnet, die noch eine persönliche Rechnung offen hat. (E.B.)

Alex Schulman – Die Überlebenden

dtv, 22 €

In Schweden ein Bestseller, schildert der Roman die Rückkehr dreier Brüder an einen magischen Ort: Nils, Benjamin und Pierre suchen ein einsam gelegenes Holzhaus am See auf, wo sie vor 20 Jahren ihre Jugend in den Sommerferien verbrachten. Anlass der Reise:  Sie wollen nach dem Tod ihrer Mutter deren Asche dort verstreuen. Die Liebe dieser Mutter war unberechenbar: mal geradezu zärtlich und fürsorgend, dann wieder launisch, kalt und grob. Um ihre Zuneigung haben sich die Jungen immer einen Wettbewerb geliefert. Auch jetzt treten die unterschwelligen Differenzen wieder zutage und eine verdrängte schreckliche Erinnerung ist plötzlich ganz nah. Zwischen Hoffnung, Versöhnung und endgültigem Zerwürfnis baut der Roman ein faszinierendes Spannungsfeld auf. (H.O.)

Nicci French: Ein dunkler Abgrund

C. Bertelsmann: 16 €

Für Tess ist ihre dreijährige Tochter das Wichtigste auf der Welt. Doch seit der Trennung von Poppys Vater ist sie nicht mehr ständig in ihrer Nähe, um auf sie achtzugeben. Als sie eines Tages unter all den bunten, fröhlichen Kinderzeichnungen ein verstörendes mit schwarzer Kreide gemaltes Bild Kreide findet – eine Zeichnung so simpel und brutal –, ist sich Tess sicher, dass Poppy während des Wochenendes bei ihrem Vater etwas Furchtbares passiert sein muss. Tess schlägt Alarm, doch niemand glaubt ihr. Trotz gelegentlicher Zweifel bleibt sie dran und ihre Suche führt Tess in Abgründe, die sie nicht für möglich gehalten hätte.

Packende Psychothriller sind das Markenzeichen des Erfolgsduos Nicci French. Auch beim neuen Spannungsroman rätselt der Leser mit: Was ist wahr und was Einbildung? (E.B.)

Mari Roth: Nico

Aufbau Verlag, 12,99 €

Die junge Christa Päffgen ist anders – groß, still und schön wird sie das erste Supermodel Deutschlands. Doch das genügt ihr bald nicht mehr, sie geht nach Paris und nennt sich „Nico“. In New York schließlich findet Andy Warhol in ihr seine Muse, und als düstere Chanteuse von Velvet Underground wird Nico zur Ikone ihrer Zeit. Sie arbeitet mit Leonard Cohen, Bob Dylan, Lou Reed und vielen anderen zusammen, wird jedoch häufig auf ihr Äußeres reduziert. Nico begibt sich auf der Suche nach ihrem eigenen musikalischen Stil.  Mari Roth zeichnet in Romanform den Lebensweg der nach außen schillernden Gestalt, die dabei leider etwas blass bleibt. (E.B.)

David Misch und Christoph Strasser: 1000/24 – Christoph Strasser und die Jagd nach dem perfekten Tag

Covadonga Verlag, 24,80 €

Es ist der helle Wahnsinn: 1.000 Kilometer per Rad in 24 Stunden – ist das zu schaffen? Der Österreicher Christoph Strasser, Rekordsieger des legendären Race Across America und mehrfacher Weltrekordhalter im Ultracycling, steht vor seiner größten Herausforderung. Er will im 24-Stunden-Einzelzeitfahren die magische Grenze von 1.000 Kilometern durchbrechen – eine bisher unerreichte Schallmauer, durchaus vergleichbar mit dem „Unter zwei Stunden“-Traum im Marathonlauf. In dem Buch „1000/24: Christoph Strasser und die Jagd nach dem perfekten Tag“ begleitet ihn der Autor David Misch durch das Jahr seines Lebens: die perfekte Vorbereitung, das perfekte Material, der perfekte Ort – alles muss sich nahtlos fügen, um das Unmögliche möglich zu machen. Wie geht Strasser mit der eigenen Erwartungshaltung um und gelingt es ihm, äußere Einflüsse auszublenden? Macht ihm die weltweite Corona-Pandemie am Ende einen Strich durch die Rechnung? Ausgang: unsicher. Spannung: bis zuletzt.

Rumaan Alam: Inmitten der Nacht

btb, 22 €

Amanda und Clay wollen mit ihren beiden Kindern eine unbeschwerte Ferienwoche auf Long Island verbringen. In einem Haus am Ende der Welt, weit weg von allem. Doch mitten in der Nacht steht dort plötzlich ein älteres, schwarzes Ehepaar vor der Tür. Die beiden behaupten, das Haus gehöre ihnen. Sie berichten, dass ganz New York im Dunkeln liege, das Leben an der Ostküste komplett lahmgelegt sei. Hier draußen jedoch, an diesem abgeschiedenen Ort, ohne Internet, Handy- oder Fernsehempfang, wissen Amanda und Clay nicht, was sie davon halten sollen. Können sie den beiden trauen? Mit wachem Blick und spitzer Feder skizziert Alam den ganz alltäglichen Rassismus. Eine Gesellschaftskritik, die sich mit dem Lebensstil der Moderne auseinandersetzt.