Na, schon gepackt? Der Urlaub steht vor der Tür. Und wer noch Platz im Koffer für etwas Lektüre hat, wir haben da noch ein paar gute Ideen für Sie.

Elisabeth Herrmann – Der Teepalast

Goldmann, 16 €

Fast wäre mir dieses wunderbare Buch durchgerutscht. Ein toller Abenteuerroman mit einer richtig starken Protagonistin. Lene Vosskamp wächst in einem kleinen ostfriesischen Dorf auf. Wir schreiben das Jahr 1834. Als Tochter einer bitterarmen Fischerfamilie muss sie schon früh mit anpacken. Als ihr kleines Boot in einen Sturm gerät, geht ihr Vater über Bord. Ihn kann Lene zwar nicht retten, dafür einen fremdartig aussehenden jungen Mann, der ihr als Dank eine Münze schenkt. Diese Münze berechtigt sie in China mit Tee zu handeln – ein unschätzbar wertvolles Privileg. Wie aber soll die mittellose Fischerstochter es schaffen, nach China zu reisen, zumal als alleinstehende junge Frau? Lene lässt sich durch keine Widrigkeiten abschrecken und setzt alles auf eine Karte. Sie tritt ihre gefährliche und aufregende Reise gen Osten an, um ihren Traum zu verwirklichen. Sie will das Luxusprodukt Tee für alle Menschen in Ostfriesland erschwinglich machen. Elisabeth Herrmann ist ein großartiger Abenteuerroman gelungen, bei dem man ganz nebenbei eine Menge über Tee und die Verhältnisse im frühen 19. Jahrhundert lernt. Ideale Lektüre für den Strandkorb! (E.B.)

Garry Disher – Hope Hill Drive

Unionsverlag, 14 €

Der australische Autor hat mit seinen Constable-Hirschhausen-Krimis eine richtig gute Reihe geschaffen. Er guckt genau hinter die Kulissen der australischen Gesellschaft und der vermeintlichen Kleinstadtidylle, in der es Hirsch mitnichten nur mit Betrunkenen und Streithähnen – was oft Hand in Hand geht – zu tun hat. Mit wenigen Worten kreiert er eine Atmosphäre, in der der Leser glaubt, den unendlich wolkenlosen blauen Himmel des Kontinents mit seiner sengenden Sonne auf der Haut zu spüren und den Staub der roten Erde auf der Zunge zu schmecken. In Hope Hill Drive wird Hirsch mit einem Attentat auf Pferde konfrontiert, das sehr schnell Stadtgespräch wird. Die Medien wittern eine Story und fallen in Tiverton ein. Hirsch muss die Gemüter beruhigen, doch als auch noch eine Leiche gefunden wird, überschlagen sich die Ereignisse. Hinter den rostigen Gattern der entlegenen Farmen stößt Hirsch auf schlummernde Leidenschaften und explosive Gewalt. (E.B.)

Jon McGregor – Stürzen Liegen Stehen

Liebeskind, 22€

Robert ist Camp-Leiter einer Antarktis-Expedition, erfahren und abgehärtet. Mit zwei Neulingen im Team wird die Crew von einem Sturm überrascht, Robert gelingt es als einzigem des Trios, zurück zum Basiscamp  zu kommen. Auf die Hilfe- und Orientierungs-Funksprüche der beiden Neuen reagiert er seltsamerweise nicht – Schnitt: Robert befindet sich im Hospital und erholt sich nur mühsam von den Folgen eines Schlaganfalls. Seine Frau Anna, ebenfalls Wissenschaftlerin, rückt in den Mittelpunkt des Geschehens. Sie kümmert sich um den störrischen Robert und muss ihre Karriere hintanstellen. Eine Frage schwebt dabei spannungsreich im Raum: Hat Robert bewusst nicht reagiert oder spielte der Schlaganfall die entscheidende Rolle? Denn einer der beiden Neuen ist bei der Katastrophe ums Leben gekommen. Hätte er gerettet werden können? Gregor gelingt es meisterhaft, die sprachlichen Klippen des Hirnschlags in Szene zu setzen und so die Fakten zu rekonstruieren – großes Lob auch für die Übersetzerin Anke Caroline Burger. (H.O.)

Stine Pilgaard – Meter pro Sekunde

Kanon, 23 €

Aus der Not macht diese Frau eine Tugend – und das als Kummerkastentante. Zunächst mit Mann und Baby nach Westjütland verschlagen, ins Land der Kühe, Windräder und kurzen Sätze, scheint es, als habe sich alles gegen die verschworen.  Doch nur kurz ist sie irritiert von der Umgebung und der merkwürdigen Mentalität der Bewohner. Als sie für eine Lokalzeitung als Orakel und Lebensberaterin anheuert, ändert sich alles. Ihre Ratschläge und Lebensweisheiten sind pures Gold, weil unkonventionell, humorvoll und originell. Einer Frau, die sich beklagt, dass ihr Mann nur an sich selbst denkt, schreibt sie ins Stammbuch: „Liebe Märtyrerin, rede freundlich über deinen Mann, wenn Brücken gebaut werden sollen, ist jeder dafür mitverantwortlich.“ Dieser fulminante Roman war in Dänemark einer der erfolgreichsten der letzten Jahre. Man kann einzelne Kummerkasten-Ratschläge sogar nachsingen, z. B. nach der Melodie von Helene Fischers „Atemlos durch die Nacht“. (H.O.)

Åsa Larsson – Wer ohne Sünde ist

C. Bertelsmann, 22 €

Wirklich schade, dass dies der letzte Band der gefeierten Rebecka-Martinsson-Reihe ist. Hier dreht die schwedische Bestseller-Autorin noch mal richtig auf und liefert einen packenden Thriller. Der todkranke Gerichtsmediziner Lars Pohjanen bittet die Staatsanwältin ihm zuliebe einen längst verjährten Mordfall wiederaufzunehmen. Aus purem Mitleid stimmt sie zu, auch wenn sie in Gedanken ganz woanders ist. Denn privat hat sie es gründlich versaut mit den beiden wichtigsten Männern in ihrem Leben, weil sie den einen mit dem anderen betrogen hat. Doch eigentlich hat sie für diese Probleme gar keine Zeit, denn der vermeintliche Cold Case entpuppt sich als recht heiße Angelegenheit. Er fördert Unheilvolles über Rebeckas Heimatstadt Kiruna zutage. Aber vor allem zwingt er sie dazu, sich dem dunkelsten Kapitel ihrer eigenen Vergangenheit zu stellen. Und das ist höchst spannend. (E.B.)

Sebastian Fitzek & Micky Beisenherz – Schreib oder stirb

Droemer, 19,99 €

Eigentlich war ich schon so gut wie durch mit Fitzek als Autor, aber in Kombination mit Micky Beisenherz? Das musste ich dann doch noch mal probieren – und wurde definitiv belohnt. Ein rasanter und überaus komischer – im Sinne von lustiger – Thriller ist den beiden Autoren gelungen.

Aber zur Story: Carl Vorlau, mysteriöser Patient einer psychiatrischen Privatklinik, behauptet, vor Monaten die siebenjährige Pia entführt und an einen geheimen Ort verschleppt zu haben. Über seine Tat will Vorlau nur mit einem einzigen Menschen reden: dem ebenso humorvollen wie unkonventionell arbeitenden Literaturagenten David Dolla, dem Vorlau ein diabolisches Angebot macht: Der Agent soll ihm einen Verlagsvorschuss von einer Million Euro verschaffen, für einen Thriller mit dem Titel „Ich töte was, was du nicht siehst“. Ein Geständnis in Form eines True-Crime-Romans über das Schicksal der kleinen Pia.

Fazit: Überdreht unterhaltsam. Und wer über Karsten Dusses achtsamen Mörder lachen könnte, wird bei „Schreib oder stirb“ seine oder ihre helle Freude haben. (E.B.)

Fabian Navarro – Miez Marple und die Kralle des Bösen

Goldmann, 13 €

Fabian Navarro bietet beste Unterhaltung im Bereich Cozy Crime. Seine Detektivin Miez Marple ist so liebenswert, wie es nur eine Katze sein kann. Zusammen mit ihrem Freund Watson ermittelt sie gegen die Betreiber eines Katzengras-Onlineshops. Was für die überzeugte Hauskatze so gemütlich beginnt, entpuppt sich bald als knallharter Fall. Navarro unterhält mit witzigen Wortspielen und einer runden Geschichte. Dass seine tierischen Protagonisten so bissig und schlagfertig sind, mag daran liegen, dass ihr Herrchen Slam Poet ist. Eine famose Sommer-Lektüre.

John Grisham – Der Verdächtige

Heyne, 24 €

Die Gerichtsaufsichtsbehörde in Florida ist kein Traumposten. Im Gegenteil – eigentlich versuchen alle Anwälte so schnell wie möglich von dort wegzukommen und einen besseren Job zu bekommen. Nur Lacy Stoltz zögert, zu unsortiert ist ihr Privatleben und ihre Vorstellung von der Zukunft. Doch dann bekommt sie einen absolut außergewöhnlicher Fall auf den Tisch. Hat sie es sonst mit (vermeintlich) korrupten Richtern zu tun, so ist dieser Vorwurf einzigartig: Ein Richter soll über die Jahre mehrere Menschen kaltblütig ermordet haben. Eine Frau, die anonym bleiben will, hat Lacy Stoltz auf die Spur gebracht. Aber kann die Anwältin der mysteriösen Frau trauen – oder verfolgt diese eine ganz eigene Agenda? John Grisham ist in „Der Verdächtige“ wieder voll in seinem Element.

David Lagercrantz – Der Mann aus dem Schatten

Heyne, 24 €

Stockholm 2003: Ein Schiedsrichter der Fußballjugend wird erschlagen aufgefunden. Der Verdacht fällt sofort auf einen überengagierten Vater, doch es fehlen Beweise. Der neue Polizeichef holt daraufhin zwei Außenseiter ins Team: die junge Streifenpolizistin Micaela Vargas, die aus demselben Problemviertel wie der Verdächtige stammt, und den renommierten Psychologen Hans Rekke, ein brillanter Beobachter und Spezialist für Verhörtechniken. Rekke folgt bald einer ganz anderen Spur und gibt nicht nur Vargas Rätsel auf. Doch nur wenn beide an einem Strang ziehen, haben sie eine Chance gegen übermächtige Gegner. Denn dieser Fall ist weit größer, als anfangs angenommen.

Seit sich Lagercrantz von den Fesseln der Milleniums-Serie (ursprünglicher Autor war Stieg Larsson) um Lisbeth Salander gelöst hat, werden seine Thriller immer besser – tolle Plots, gute Spannungsbögen und glaubhafte Charaktere. Fesselnd bis zum Schluss. Lesen!

Guillaume Martin – Die Gesellschaft des Pelotons

Covadonga, 16,80 €

Als Individualsport, der in Mannschaften ausgeübt wird, führt uns der Radsport zurück zu unseren tiefsten Widersprüchen. Wie jede menschliche Organisation besteht auch das Peloton aus verschiedenen „sozialen Klassen“ – von den beschützten, hofierten Kapitänen bis hin zum Velo-Proletariat der Wasserträger. Es ist ein streng hierarchisches Universum geprägt von Machtspielen, Koalitionen auf Zeit und gegenseitiger Hilfe, in dem alle Emotionen sich verschärfen und man dennoch irgendwie miteinander auskommen muss.

Guillaume Martin, Achter der Tour de France 2021, hat im Laufe seiner Profikarriere gelernt, wie man sich in dieser Welt zu bewegen hat. Und so formuliert der französische Radrennfahrer, der sich durch seine Erzählung „Sokrates auf dem Rennrad“ und als Kolumnist von „Le Monde“ einen Namen als „Velosoph“ gemacht hat, nun anhand des Pelotons eine Philosophie des Einzelnen in der Gruppe – und findet dabei Antworten auf hochaktuelle Fragen, die weit über den Sport hinausreichen. Eine lesenswerte Milieu-Studie – nicht nur für Rad-Enthusiasten.