Der Frühling lässt noch auf sich warten. Vertreibt Euch die Zeit doch einfach mit einem guten Buch, bis die Sonne wieder scheint.

Tuomas Oskari: Tage voller Zorn

Lübbe, 24 €

Ein wirklich spannendes Debüt, das in naher Zukunft spielt. Leo Koski ist im Jahr 2027 Ministerpräsident Finnlands. Der noch recht junge Mann wurde von einer Gilde reicher Männer an die Spitze des Landes gehievt. Und genau diese Riege erwartet von Leo, dass er ihre Interessen durchdrückt – zu Lasten der immer ärmer werdenden Bevölkerung. Es brodelt gehörig unter der Oberfläche in dem nordeuropäischen Land. Das fragile Machtgefüge gerät kräftig ins Wanken, als sich am Vorabend einer großen Massenkundgebung eine junge Frau aus Protest selbst anzündet. Die Frau hatte zuvor drei Briefe an unterschiedliche Adressaten verschickt, um das Land aufzurütteln. In dieser aufgeheizten politischen Lage wendet sich der Ministerpräsident das erste Mal von seinen Geldgebern ab. Aber auf wen kann er noch zählen? Etwa auf seine politische Opponentin, Emma Erola die Führungsfigur der Linken? Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

Thilo Winter: Der Riss

Lübbe, 16 €

Ein Thriller vor der Kulisse des lebensfeindlichsten Ortes auf Erden: der Antartkis. Wo bereits ein verrutschter Handschuh zum Verlust von Gliedmaßen führen kann. Und genau dort will die Vulkanologin Antonia Rauwolf unbedingt hin. Sie soll herausfinden, ob die kürzlich entdeckten knapp hundert Vulkane im Westen des Ewigen Eises aktiv werden könnten, denn ein Ausbruch könnte katastrophale Folgen für das Weltklima haben. Sie hat aber noch einen weiteren Punkt auf ihrer Agenda. Ihr Bruder Emilio, Biologe der Forschungsstation, ist seit fast vier Wochen verschollen. Bei ihrer Suche nach ihm stößt Antonia auf skrupellose Machenschaften, die das empfindliche Ökosystem zerstören könnten. Die furchtlose Vulkanologin lässt nicht locker und bringt sich dabei in Lebensgefahr. Thilo Winter ist ein spannender Thriller samt rasanten Verfolgungsjagden durch das ewige Eis gelungen. Bei den Dialogen hätte für meinen Geschmack etwas Feintuning dem Thriller gutgetan und an mancher Stelle wird schon zu viel vorweggenommen.

Norris von Schirach: Beutezeit

Penguin, 24 €

Als Boris Jelzin stürzt und Wladimir Putin im Januar 2000 das Amt des Staatspräsidenten übernimmt, wird die Luft für Anton dünn. Zusammen mit vielen anderen Glücksrittern hatte er die Verhältnisse in der zerfallenen Sowjetunion genutzt, um sich als Rohstoffhändler zu bereichern. In New York wird ihm bald langweilig und so übernimmt er den Auftrag, in Kasachstan im Namen eines amerikanischen Konsortiums ein Stahlwerk zu bauen. Gewalt und Korruption sind ihm aus Moskau bereits bestens vertraut, aber nun mischen auch noch die Großmächte China und Russland im Kampf um Macht und Bodenschätze mit. Eine hochbrisante Gemengelage und es droht Gefahr für Leib und Leben.

Ann Helén Laestadius: Das Leuchten der Rentiere

Hoffmann & Campe, 25 €

Rassismus in Finnland und Nordschweden ist ein in der öffentlichen Aufmerksamkeit vollkommen unterbelichtetes Thema. Dabei droht die Welt der Sámi, der dortigen Urbevölkerung immer mehr zu verschwinden. Die Rentierherden sind die Lebensgrundlage der Sámi. Rücksichtslose Jäger stellen eine existenzielle Bedrohung der Sámi-Lebenskultur dar. Vor diesem Hintergrund siedelt Ann-Helén Laestadius ihren so spannenden wie atmosphärisch dichten Roman an. Ihre Protagonistin heißt Elsa und muss im Alter von neun Jahren mitansehen, wie ein skrupelloser Jäger „ihr“ Rentier umbringt. Mit einer drohenden Geste gibt er ihr zu verstehen, über diese Tat zu schweigen. Wie belastend sich dieses Schweigen in den nächsten Jahren auf sie und ihre Familie auswirkt, beleuchtet Laestadius mit einer intensiven Sprache, die sich wie ein Brennglas auf den Konflikt ethnischer Diskriminierung richtet. Erst als sich das Problem mit den Rentierherden zuspitzt und der Täter von damals sein Augenmerk auf Elsa richtet, fasst sie den Mut, um aus dem Schatten ihrer Angst zu treten. Ein großartiges Leseerlebnis, dessen Verfilmung man gespannt erwartet.

Helena Janeczek: Die Schwalben von Montecassino

Berlin-Verlag, 19,99 €

„Italienisches Stalingrad“ – so wird der in den Bergen gelegene Ort mit dem Kloster Montecassino auch oft genannt. Zwischen Januar und Mai 1944 tobte hier eine äußerst verlustreiche Schlacht. Auf der einen Seite deutsche und österreichische Truppen, auf der Angriffsseite die Alliierten unter Führung der US-Army, die Truppen aus fast 20 Nationen ins Feld führten. Darunter auch ein polnisches Exil-Bataillon. Diese „Völkerschlacht“, die bis heute als Symbol für die Sinnlosigkeit des Krieges gilt, forderte insgesamt über 80.000 Tote und Verwundete. Helena Janeczek knüpft von dort aus souverän ein Netz in die Gegenwart: 2007 fahren zwei jüngere Männer an den Ort der Schlacht, um die Vergangenheit ihrer Familien besser zu verstehen. Bezüge von Geschichten entstehen, ein dichtes Geflecht aus Schicksalen, Orten und Epochen. Um vollständig in diesen Roman einzutauchen, bedarf es allerdings schon eines ausgeprägten historischen Interesses.

Alexander Oetker & Thi Linh Nguyen – Die Schuld, die uns verfolgt

Piper, 18 €

Zeitgleich ereignen sich zwei Verbrechen. In Berlin-Wedding wird ein kleines Mädchen entführt und im brandenburgischen Rheinsberg kommt es in zu einem Banküberfall mit Geiselnahme. Als an diesem Morgen bei Linh-Thi Schmidt, Deutsch-Vietnamesin und Polizeioberkommissarin in Rheinsberg, und ihrem Ehemann Adam Schmidt, Kriminalhauptkommissar der Berliner Polizei, die Diensthandys klingeln, ahnen sie noch nicht, was ihnen bevorsteht: Ein Tag, der sie beide an ihre Grenzen bringt und Erinnerungen weckt an jene alte Schuld, die Adam und Linh-Thi zusammengeführt hat und seither verfolgt. Nach einem etwas ruckeligen und eher konventionellen Beginn, entfaltet der Kriminalroman eine ungeahnte Sogwirkung, denn es bleibt spannend bis zur letzten Seite.

Phillip P. Peterson: Nano

Fischer/Tor, 18 €

Das Forschungszentrum in Köln ist das fortgeschrittenste seiner Art und das Vorzeigeprojekt der deutschen Regierung. Hier wird an Nanotechnologie experimentiert, um winzige Maschinen zu schaffen, die unser Leben von Grund auf verändern können. Das Versprechen ist groß, das Restrisiko vernachlässigbar. Heißt es. Doch gerade als der Bundeskanzler zu Besuch kommt, gelingt es Terroristen, die Anlage mit einer explosiven Drohne zu beschädigen. Sämtliche Sicherheitsvorkehrungen versagen und Nanomaschinen gelangen in die Umwelt. Als sie anfangen, sich unkontrolliert zu vermehren, ahnen nur wenige, welch ungeheure Katastrophe sich anbahnt. Peterson entfaltet auf gut 700 Seiten eine Science-Fiction-Horrorszenario. Das ist ziemlich spannende und wer sich von den etwas hölzernen Dialogen nicht abschrecken lässt, der wird richtig gut unterhalten.

Eva-Maria Bast: Zuckerjahre

atb, 14 €

Bielefeld, 1914: Das Unternehmen der Familie Meister floriert, die Entwicklung des Backpulvers war ein riesiger Erfolg. Julius, der Sohn des Firmengründers, hat in Chemie promoviert und will die Firma übernehmen, doch zuvor heiratet er Lotte, seine große Liebe. Kurz darauf bricht der Erste Weltkrieg aus – Julius wird eingezogen, während Lotte das gemeinsame Kind erwartet. Sie ist voller Sorge, als eine schreckliche Nachricht sie erreicht. Und auf einmal muss sie ihre Ideen einbringen, um das Unternehmen zu retten … Soweit zum Klappentext. Die Anlehnung an die Geschichte der Familie Oetker ist nicht zu übersehen. Der Titel „Zuckerjahre“ – auch mit Blick auf die Kriegsjahre – ist eher suboptimal gewählt. Für Fans von bitter-süßen Schmökern ist der Roman sicherlich genau richtig.