Bald ist Buchmesse in Leipzig. Aber Lesestoff gibt es ja immer.

Jo Nesbø – Das Nachthaus

Ullstein, 24,99 €

Mit einer gehörigen Prise Horror würzt der norwegische Bestseller-Autor seinen fesselnden Roman, der bis zur letzten Seite spannend bleibt. Worum geht’s dabei? In der Kleinstadt Ballantyne verschwindet ein Jugendlicher. Zuletzt wurde der Vermisste mit Richard am Fluss gesehen. Die Polizei ist schnell davon überzeugt, dass dieser seinen Freund Tom von einer Brücke gestoßen hat.  Richard bleibt standhaft dabei, dass er nichts mit Toms Tod zu tun hat, seine Erinnerungen an die Vorkommnisse in der fraglichen Nacht sind jedoch so absurd, dass er sich nicht traut, darüber zu sprechen. Aber er muss, will er sich von dem Mordverdacht, der auf ihm lastet, befreien. Dem Vater der Harry-Hole-Reihe ist mit seinem Stand-alone „Das Nachthaus“ ein Verwirrspiel sondergleichen gelungen, ohne die Leserschaft abzuhängen. Ungeheuer lesenswert. (E.B.)

Stefanie Sargnagel – Iowa

Rowohlt, 22 €

Fluch und Segen eines Lehrauftrags. Die Bloggerin und Schriftstellerin Stefanie Sargnagel bekommt eine Dozentur für Creative Writing  an einem College in den USA. Der einzige Haken bei der Sache: Das College befindet sich in der Kleinstadt Grinnell im tiefsten Iowa, mitten im Corn Belt. Doch Stefanie Sargnagel und ihre Begleitung, die Ex-Lassie-Sängerin Christiane Rösinger, sind gewillt, das Beste daraus zu machen, auch wenn sie nur von Maisfeldern umgeben sind. Sie begeben sich auf Entdeckungstour, stoßen auf fettleibige Einheimische, gigantische Supermärkte, merkwürdige Essgewohnheiten und konservativste Gesellschaftsauffassungen. Wie Stefanie Sargnagel  hier reale Erlebnisse in lebenspralle Literatur verwandelt, liest sich ebenso komisch wie virtuos. Denn bei aller Derbheit und Drastik ist Sargnagel genau wie ihre Gefährtin Rösinger eine feine Beobachterin mit dem Gespür für skurrile Begebenheiten im ländlichen Amerika. Liest sich weg wie nix! (H.O.)

Bernhard Schlink – Das späte Leben

Diogenes, 26 €

Die Diagnose ist niederschmetternd. Martin (76) ist unheilbar an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt; ihm bleiben nur noch wenige Wochen. Was tun mit der verbleibenden Zeit? Was will er seiner Frau und seinem sechsjährigen Sohn David hinterlassen?  Einfühlsam und mit klugen Worten beschreibt Bernhard Schlink, wie sich sein Protagonist auf die Suche begibt – und lernt loszulassen. Es ist ein trauriges Buch, das aber darauf verzichtet, mit Macht auf die Tränendrüse zu pressen. Die Geschichte macht nachdenklich, aber auch hoffnungsfroh, dass es möglich ist, versöhnt aus dem Leben zu scheiden. (E.B.)

Erwin Grosche und Gennadi Isaak – Weltlexikon zwo

Verlag Akademie der Abenteuer, 28 €

Verschroben, bezaubernd, erhellend und immer wieder überraschend: Auch im zweiten Teil seines Weltlexikons hat es sich der Paderborner Kleinkünstler und Autor zur Aufgabe gemacht, unseren Alltag zu durchleuchten und zu erklären. Aber natürlich auf die ganz typische Grosche-Art, die mit lexikalischem Wissen wenig zu tun hat, sondern lieber mal auf erstaunliche Nebenwege führt. Von A wie „Ansteckend“ („Gähnen ist ansteckend, pupsen nicht.“) bis Z wie „Zeit“ („Obwohl wir uns dreißig Minuten unterhalten haben, sind nur fünf Minuten vergangen. Ich habe das aber auch schon andersrum erlebt.“) bringt Erwin Grosche sein gesammeltes Weltwissen komisch bis nachdenklich auf den Punkt. Auch die wunderbaren Illustrationen von Gennadi Isaak laden dazu ein, regelmäßig in dem Band zu blättern. (S.G.)

Patrick van Odijk – Der falsche Vermeer

Pendragon, 26 €

Nach der Befreiung von den Nazis 1945 herrscht in den Niederlanden ein Klima des Aufbruchs. Aber auch eines der Abrechnung mit Kollaborateuren. Der Maler Jan van Aelst gerät dabei in die Optik. Ihm wird vorgeworfen, klassische niederländische Kunst an die Nazis verkauft zu haben.  Laut van Aelst verhält es sich ganz anders, er habe die Besatzer raffiniert betrogen und somit einen Akt des Widerstands geleistet. In diesem Dickicht an Verdächtigungen und Verteidigungen braucht es einen Verstand mit klarer Kante. Über den verfügt die junge Journalistin Meg van Hettema. Sie treibt ihre Ermittlungen hartnäckig voran und lässt sich auch von konservativen und autoritär geprägten Berufsstrukturen nicht einschüchtern.  Mal angesehen von der feinen Mischung  aus Fakten und Fiktion überzeugt Patrick van Odijk, selbst Journalist, nicht nur durch die präzise Recherche dieses auf wahren Begebenheiten beruhenden Falles, sondern vor allem mit einer kantigen weiblichen Hauptfigur, von der man gerne wieder lesen würde (H.O.)

Arne Dahl – Stummer Schrei

Piper, 17 €

Das vermeintlich friedliche Schweden wird von einem Bombenattentäter heimgesucht, der höchst professionell vorgeht. Erst trifft es einen Konzernboss der Stahlindustrie, dann einen Marketingmanager im Dienst der Autolobby. Ist dafür ein Klimaaktivist, der auf radikal-kriminelle Art, auf seine Ziele aufmerksam machen will, verantwortlich? Dagegen sprechen die Bekennerschreiben, die eher religiösen Übereifer vermuten lassen. Sünde, heiliger Zorn und Rache sind die Leitmotive. Kein einfacher Fall für  Eva Nyman, Kriminalkommissarin und Vorgesetzte eines kleinen Teams, denn es gibt Hinweise darauf, dass Eva den Täter kennt. „Stummer Schrei“ ist der Auftakt einer neuen Serie um Kommissarin Nyman. Allerdings muss ich mit dem Personal noch ein wenig warm werden. Für meinen Geschmack bleiben die Figurenzeichnungen in diesem ersten Band zugunsten von – nicht selten bei Arne Dahl – zu eingehenden Schilderungen der Verantwortlichkeiten verschiedener Behörden auf der Strecke. (E.B.)

Malin Stehn – Nur eine Lüge

Scherz, 16 €

Ein perfektes Setting für einen Psycho-Thriller. Emily Brandt will heiraten – und hat ihre Traumhochzeit auf einem Schloss perfekt durchgeplant. Schließlich soll es der schönste Tag in ihrem Leben werden. Aber, man ahnt es schon, die Feier entwickelt sich zu einem Alptraum, denn kurz nach Mitternacht liegt eine Leiche am Ufer des Öresunds. Zwiebelartig entfaltet Malin Stehn das Porträt zweier Familien, bei denen ganz viel im Argen liegt und ausgerechnet am Tag der Hochzeit kommen Ereignisse ans Tageslicht, die besser verborgen geblieben wären. Und das ist hochspannend. (E.B.)

Arnaldur Indridason – Das dunkle Versteck

Lübbe, 24 €

Kommissar Konráð ist noch immer auf der Suche nach dem Mörder seines Vaters. Dieser Handlungsstrang zieht sich nunmehr durch diverse Bände des isländischen Bestseller-Autors. In seinem neuen Fall taucht eine Waffe auf, aus der in einer anderen ungeklärten Ermittlung ein tödlicher Schuss abgegeben wurde. Dem pensionierten Konráð fällt auf, dass sein Vater einst ein solches Modell besessen hat. Seine Neugierde ist geweckt und die Spur führt zu einem Arzt, der wegen Kindesmissbrauchs im Gefängnis sitzt. Konráð findet heraus, dass sein Vater mit dem Häftling in Kontakt war. Aber wie hängt das alles zusammen? Auch wenn die Geschichte von Konráðs Vater nun bald auserzählt ist, bleibt man als Leser dabei. Der neue Fall birgt ausreichend Spannung, aber eine baldige Aufklärung, wer denn nun für Tod des Vater verantwortlich ist, wäre schon wünschenswert. (E.B.)

Luca Brosch – Bevor die Welt sich weiterdreht

dtv, 23 €

Die vermeintlich neutrale Schweiz bildet inmitten des vom Ersten Weltkriegs verwüsten Europas eine Oase des Friedens. Aber nur scheinbar, denn Davos wird 1917 zum Tummelplatz der Geheimdienste der verfeindeten Kriegsparteien, die erbittert nach einem Durchbruch an den erstarrten Fronten suchen. Zwischen diese Fronten gerät die junge Krankenschwester Johanna. Um ihre uneheliche Tochter zurückzubekommen, die ihr gleich nach der Geburt genommen wurde, setzt sie ihr Leben aufs Spiel und spioniert für die Deutschen. Ein facettenreicher Roman voller Spannung, unerwarteter Wendungen – und bereits unter dem Titel Davos 1917 grandios verfilmt. (E.B.)