Noch sind keine Blätter an den Bäumen. Der Frühling steht in den Startlöchern. Und die Verlage bieten schon ordentlich viel Lesefutter.

Anne Mette Hancock – Grabesstern

Scherz, 15 €

Die Journalistin Heloise Kaldan geht für Storys an ihre Grenzen. Für einen Artikel über Sterbebegleitung meldet sie sich als Freiwillige und verbringt viel Zeit mit dem todkranken Jan Fischhof. Als sich seine Zeit dem Ende zuneigt, scheint eine alte Geschichte sein Gewissen schwer zu belasten. Seine Hinweise führen Heloise nach Jütland, an die Flensburger Förde, zu einem lange zurückliegenden Fall. Heloises schaltet ihren Freund Kommissar Erik Schäfer ein, um der Sache auf die Spur zu kommen. Dabei stößt sie in ein Wespennest. Und es stellt sich die Frage: Wer ist eigentlich dieser Jan Fischhof? Und was hat er getan? Anne Mette Hancock ist ein packender Kriminalroman gelungen, der den Leser auf viele falsche Fährten führt, ohne ihn dabei zu verlieren. Spannend bis zu letzten Seite. (E.B.)

Mathijs Deen – Der Holländer

Mare-Verlag, 20 €

Kurz vor ihrer Pensionierung beim niederländischen Grenzschutz entdeckt Geeske Dobbenga auf ihrer letzten Patrouillenfahrt eine Leiche. Bei den Ermittlungen stellt sich heraus, der Tote ist Deutscher, vermutlich bei einer Wattwanderung ums Leben gekommen. Doch stimmt das? Zusätzlich sorgt die Lage des Toten im Grenzgebiet dafür, dass der Streit um Zuständigkeiten sich hochschaukelt. Die Bundespolizei in Cuxhaven setzt schließlich ihren besten Ermittler ein. Der, ein wortkarger Typ und auf der niederländischen Insel Texel groß geworden, wird von den deutschen Kollegen nur „der Holländer“ genannt. Kann er den Fall lösen? Ein formidabler Kriminalroman, der mit feinem Gespür für Mentalitäten und Psychologie einen ganz eigenwilligen Zauber entfaltet. (H.O.)

Jørn Lier Horst – Eisige Schatten

Droemer, 10,99 €

Wenn der Vater Kommissar und die Tochter Journalistin ist, ergeben sich durchaus interessante Konstellationen, wenn es um ungeklärte Todesfälle geht. Dabei will Line eigentlich „nur“ eine berührende Story über die Vereinsamung in der norwegischen Gesellschaft schreiben, denn kurz vor Weihnachten wird in dem beschaulichen Hafenstädtchen Stavern eine Leiche entdeckt. Offenbar hat der alte Mann in seiner Wohnung schon seit Monaten tot vor dem Fernseher gesessen. Doch je tiefer die Journalistin gräbt, desto mehr Anzeichen findet sie, dass der ältere Herr offenbar nicht an Altersschwäche gestorben ist. Parallel ermittelt ihr Vater in den Fall einer Männerleiche, die unter einem Tannenbaum aufgefunden wurde. Die Identifizierung gestaltet sich als schwierig. War das Opfer etwa selbst Täter? Und auch das FBI interessiert sich für den Fall. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt. (E.B.)

Jens Henrik Jensen – SØG: Schwarzer Himmel

dtv, 11,95 €

Der zweite Fall für Nina Portland hat es in sich. In einer Gewitternacht trifft ein gewaltiger Blitzeinschlag die Kohlehalde von Esbjerg. Es regnet Kohlestücke. Und die Leiche eines Ermordeten taucht auf. Die Identifizierung des Opfers, der vor seinem Tod gefoltert wurde, gestaltet sich als schwierig. Als ein weiterer Mord geschieht, verdichten sich die Hinweise, dass  mehr dahintersteckt als Rache oder Leidenschaft. Geheime Mächte scheinen am Werk zu sein. Doch Portlands Vorgesetzte sehen das anders und sie ist bei ihren Ermittlungen auf sich allein gestellt – und begibt sich in große Gefahr. Jens Henrik Jensen, der Erfinder der Oxen-Reihe, hat mit Nina Portland eine weitere spannende Romanfigur geschaffen, von der man gern mehr lesen möchte. (E.B.)

Thomas Christos – 1966

blanvalet, 20 €

Wie schon bei seinem Vorgänger „1965“ ermittelt der junge Kommissar Thomas Engel in einem neuen Fall. Gerade nach Berlin gekommen, findet er jedoch keine Arbeit bei der Kripo, sondern verbringt seine Tage damit, „verdächtige Elemente“ zu observieren. Dazu zählt nach Meinung seiner Vorgesetzten der Studentenführer Spanowski. Die „langhaarigen Gammler“ sind in das Visier der politischen Polizei in der geteilten Stadt geraten. Verdächtigt man sie doch gemeinsame Sache mit den Kommunisten aus der „Ostzone“ zu machen. Als Spanowski im Rahmen einer Demo gegen den Krieg in Vietnam im Amerika-Haus neben der Leiche eines erschlagenen amerikanischen Arztes entdeckt wird, bekommt Thomas Engel hautnah die Arbeit der Geheimdienste der Alliierten zu spüren. Wem kann er trauen und warum sind alle so daran interessiert, den wahren Mörder zu schützen? Thomas Christos hat wieder ein äußerst interessantes Setting für seine Geschichte gewählt. Leider überzeugt die Darstellung der zwischenmenschlichen Beziehungen nicht auf ganzer Linie, die Dialoge sind zuweilen sehr hölzern. Trotzdem ist 1966 ein absolut lesenswertes Buch. (E.B.)

Michael Wäser: Das Wunder von Runxendorf

Axel Dielemann Verlag, 20 €

In einem kleinen saarländischen Dorf ringt der ehemalige Bergmann Müller um die Anerkennung seiner Nachbarschaft. Um diese zu erreichen, zwangsverpflichtet er seinen kleinkriminellen Sohn, baut einen Party-Keller, damit alle gemeinsam die Spiele der Fußball-WM 1974. Klingt so weit nett, aber nett ist da mal so gar nichts, denn was in dem Keller neben dem Sport-Event passiert, wird einigen jungen Frauen das Leben kosten.

Michael Wäser hat sich auf eine verstörende Zeitreise in die bundesrepublikanische Provinz der Siebziger Jahre begeben und die dunkle Grundierung unter der vermeintlichen disco-Ungezwungenheit freigelegt: Gewalt, Alkoholsucht und Missbrauch als Rückzugsgefecht des ländlichen Patriarchats. Und das ist ihm grandios gelungen, aber nichts für schwache Nerven und manchmal sehr schwer auszuhalten. Wer Heinz Strunks „Goldenen Handschuh“ schon heftig fand … Wäser legt noch eine Schippe drauf. (R.R.)

Matthias Rickling – Ostwestfalen. 55 Meilensteine der Geschichte

Sutton, 19,99 €

Der Historiker Matthias Rickling richtet seinen Blick auf Ostwestfalen – eine Region, die  auf eine lange und wechselvolle Geschichte zurückblickt. In dem reich bebilderten Band präsentiert er schlaglichtartig 55 außergewöhnliche Menschen, Orte und Begebenheiten, die Geschichte schrieben, Impulse gaben und unsere Region in ganz unterschiedlicher Weise bis heute prägen: zum Beispiel Bischof Meinwerk, Moritz von Büren oder Friedrich Wilhelm Weber, das UNESCO-Welterbe Kloster Corvey, die Senne, der Desenberg und die Barockorgel von Borgentreich, die Glashütte Gernheim, die Kaiserpfalz in Paderborn, das Steinkammergrab von Atteln oder die Sparrenburg in Bielefeld – diese kurzweilige Reise in die Vergangenheit wartet mit klangvollen Namen, stolzen Bauwerken und kulturellen Highlights auf.

Kent Haruf – Ein Sohn der Stadt

Diogenes, 24 €

Der 2014 verstorbene amerikanische Schriftsteller ist einer der wenigen Autoren, die ich blind empfehlen würde. Leider hat er nur sechs Romane geschrieben, die allesamt in der fiktiven Kleinstadt Holt in Colorado spielen. Was sie ebenfalls eint, ist ihre schroffe, klare Sprache und ihr Blick auf die Menschen, der nichts beschönigt, aber Härten dennoch erträglich erscheinen lässt. So auch bei der Geschichte des einstigen Lieblings der Kleinstadt, der über Nacht verschwand und um ihr Geld betrogene Farmer sowie seine schwangere Frau zurückließ. Als er nach acht Jahren unerwartet zurückkehrt, verheißt das nicht Gutes. (S.G.)