Die Tage werden wieder kürzer, aber vielleicht wird dadurch die Lesezeit wieder länger.

Eva Lohmann – Das leise Platzen unserer Träume

Eisele, 22 €

Was passiert, wenn sich die Liebe auf leisen Sohlen davonschleicht? Die Gefühle füreinander werden immer weniger, weil sich der Traum – ein gemeinsames Kind – nicht erfüllt. Jule hatte den großen Traum von der Freiheit, auf dem Land. Voller Entusiasmus gehen David und sie ans Werk, um aus dem verfallenen Bauernhaus ein Nest für eine kleine Familie zu bauen. Doch es kommt anders: der Kinderwunsch erfüllt sich nicht, Jule hat die dörfliche Enge unterschätzt und David eine Affäre mit Hellen aus der Stadt. Erfrischenderweise will Hellen auch nur eine Affäre und keine Beziehung mit David. Mit viel Feingespür und Empathie lässt Eva Lohmann auch die „andere Frau“ zu Worte kommen – und sie meint es wirklich gut mit Jule. Berührend und gänzlich ohne kitschige Klischees hallt dieser Roman noch lange nach. Absolut lesenswert. (E.B.)

Katrine Engberg – Glutspur

Piper, 18 €

Der erste Band der Liv-Jensen-Reihe verspricht gute Unterhaltung – so, wie man es von skandinavischen Krimis gewohnt ist. Mit gleich drei Toten steigt Katrine Engberg ein: Der Selbstmord eines Häftlings auf Freigang, der Tod einer Museumsangestellten und ein dreieinhalb Jahre zurückliegender Mord an einem Journalisten – diese Fälle können keine Gemeinsamkeit haben. Oder doch? Die ehemalige Polizistin Liv Jensen, die sich gerade als Privatdetektivin in Kopenhagen selbstständig gemacht hat, versucht genau das herauszufinden. Unterstützung erhält sie dabei von Hannah Leon, einer Krisenpsychologin, die gerade selbst einen Schicksalsschlag erlitten hat, und Nima Ansari, einem iranischen Automechaniker, der in einem der Fälle unter Mordverdacht gerät. Gemeinsam stoßen sie auf eine dunkle Vergangenheit, die jemand unbedingt geheim halten will. Sehr geschickt entwirrt Katrine Engberg die diversen Handlungsstränge und sorgt für eine überraschende und überzeugende Auflösung. (E.B.)

Elisabeth Herrmann – Der Teegarten

Goldmann, 18 €

Bremen, 1874: Die abenteuerlustige Helene Vosskamp, einst ein armes Fischermädchen, das in die Welt hinauszog und letztlich in Bremen mit dem Teepalast ein gut fluorierendes Geschäft begründete, hinterlässt ihrer Enkelin Bettina eine Teeplantage in Indien. Diese ist wild entschlossen, in die Fußstapfen ihrer Großmutter zu schlüpfen. Doch sie ahnt nicht, dass sie vor einer gewaltigen Herausforderung steht: wirtschaftliche Nöte, Naturkatastrophen, die die Ernte bedrohen, und der Kampf, sich in einer harten Männerwelt zu behaupten, verlangen ihr alles ab.

War der erste Band – Der Teepalast – noch ein reiner Abenteuerroman, so startet der Nachfolger leider etwas schmonzettig. Dennoch erfährt die geneigte Leserschaft viel über die gesellschaftlichen Zwänge, denen Frauen zum ausgehenden 19. Jahrhundert unterworfen waren, bis der Roman dann  richtig Fahrt aufnimmt und ins ferne Indien entführt. Dann wird es wieder verdammt spannend. Dranbleiben lohnt sich. (E.B.)

Sanaka Hiiragi – Die Erinnerungsfotografen

Hoffmann und Campe, 22 €

Der Weg in Jenseits führt durch ein Fotostudio. Eine ungewöhnliche Idee, die Sanaka Hiiragi poetisch und herzerwärmend umsetzt. Dass angeblich kurz vor dem Tod unsere wichtigsten Lebenserinnerungen wie ein Film vor unserem inneren Auge ablaufen, nimmt die japanische Autorin wörtlich. Im Fotostudio von Herrn Hirasaka können die BesucherInnen aus Fotografien ihren persönlichen Lebensfilm zusammenstellen. Hirasaka bietet dabei einen besonderen Service: Die BesucherInnen erhalten die Möglichkeit, zu einem bestimmten Moment ihrer Vergangenheit zu reisen und eins der Fotos aufzufrischen. Mit diesem Kniff verbindet der Roman drei ganz unterschiedliche Lebensgeschichten, die aber auch ohne diese magische Komponente erzählenswert sind: die einer einstigen Erzieherin, eines ermordeten Yakuza-Mitglieds und eines vernachlässigten Mädchens. Und bei allen stellt sich die Frage: Was brauchen wir für ein geglücktes Leben? (S.G.)

Fredrik Backman – Der Handel Deines Lebens

Wunderraum, 18 €

Gelesen ist die berührende Erzählung schnell, doch sie hallt noch lange nach. Der schwedische Bestsellerautor („Ein Mann namens Ove“) fragt nämlich nach nichts weniger als dem Wert des Lebens. In einer einfachen, gerade dadurch poetischen und zu Herzen gehenden Sprache erzählt er von einem Krankenhaus in einer kalten Winternacht. Hier begegnet ein erfolgreicher, aber einsamer Mann einem mutigen kleinen Mädchen – mutig und klug genug, um zu wissen, dass Buntstifte nicht gegen den Krebs helfen. Das aber trotzdem weitermalt, um die Erwachsenen glücklich zu machen. Wird der Mann die einzigartige Chance ergreifen, das Schicksal des Mädchens für immer zu verändern? (S.G.)

Antti Tuomainen – Die Bibermethode

Rowohlt, 20 €

Versicherungsmathematiker Henri Koskinen hat von seinem halbseidenen Bruder eine Abenteuerpark geerbt – und damit auch die unfreiwillige Verbindung zu zwielichtigen Kriminellen, von denen es in der finnischen Abenteuerpark-Branche reichlich gibt. Aber der korrekte Henri, mit leichtem Hang zum Autismus, schlägt sich wacker als Direktor des Parks und auch privat läuft es gerade richtig gut, denn er zieht bei der Malerin Laura Helanto und ihrer Tochter ein. Doch dann versucht die Konkurrenz ihn mit Gratisangeboten in den Konkurs zu treiben. Und ganz unabsichtlich wächst die Anzahl der Leichen. Ein Abenteuerpark ist eben ein sehr gefährliches Pflaster. Wieder ein absolut schön-schräger Roman von Antti Tuomainen. Unschlagbar witzig sind die Szenen, in denen Henri Lauras Tochter zuliebe an Aktivitäten der Väter-Gruppe teilnimmt. Das ideale Buch gegen den Herbst-Blues: spannend und ungeheuer humorvoll. (E.B.)

Sharon Bolton – Das Dunkle in dir

Goldmann, 12 €

Mit einem furiosen Auftakt beginnt Sharon Bolton ihren neuen Spannungsroman um Lacey Flint. Mitten in London wird ein Baby aus dem Kinderwagen gerissen und auf einem Floß in die Themse gestoßen. Lacey Flint von der Flusspolizei ist gerade noch rechtzeitig zur Stelle, um eine Katastrophe zu verhindern. Aber wer könnte ein unschuldiges Kind töten wollen? Für DCI Mark Joesbury kommt der Angriff nicht überraschend. Schon lange hat er eine Gruppe junger Männer im Visier, die vom pathologischen Hass auf Frauen angetrieben wird. Joesbury und sein Team befürchten, dass weitere Gewalttaten folgen werden. Und Lacey Flint könnte das nächste Opfer sein, denn der Anführer der Gruppe kennt ihr Geheimnis, das nicht nur das sofortige Ende ihrer beruflichen Laufbahn bei der Polizei bedeuten würde, sondern auch privat weitreichende negative Konsequenzen hätte. Wieder ein spannende Geschichte rund um die unberechenbare Themse mit ihren reißenden Strömungen und dunklen Abgründen. (E.B.)

Kim Faber & Janni Pedersen – Mörderland

blanvalet, 17 €

Eine Explosion erschüttert ein Kohlekraftewerk in Dänemark. Waren hier tatsächlich militante Klimaaktivisten mit einer Kampfdrohne am Werk? Das Land ist in heller Aufregung. Werden doch noch weitere Anschläge befürchtet. Weitere Brisanz erhält der Anschlag, als bekannt wird, dass der Sohn des umstrittenen Klimaministers am selben Morgen in Kopenhagen ermordet aufgefunden wurde. Martin Juncker und Nabiha Khalid ermitteln in dem Fall und schon bald deuten Hinweise daraufhin, dass beide Verbrechen miteinander in Verbindung stehen. Als der Autopsiebericht die schwere Kokainabhängigkeit des Ministersohnes nachweist, stößt Signe Kristiansen zu den Ermittlungen. Diese ist inzwischen bei der Abteilung für Organisiertes Verbrechen und beschäftigt sich mit Drogengeschäften im großen Stil. Mit gewohnt leichter Feder entführt das erfolgreiche dänische Bestseller-Duo die Leserschaft in dunkle Machenschaften und hält die Spannung gekonnt bis zur letzten Seite aufrecht. (E.B.)

Hanni Münzer – Honigland

Piper, 17 €

Stettin 1928: Heiraten und an der Seite eines adeligen Ehemannes ein komfortables Leben führen? Für die burschikose Daisy von Tessendorf kommt das keinesfalls in Frage. Sie will ihren eigenen Weg gehen – wie der aussehen soll, ist ihr allerdings noch nicht so ganz klar. Ihre nicht standesgemäße Freundin, das selbstbewusste Küchenmädchen Mitzi, hat dagegen eine genaue Vorstellung ihrer Zukunft: Sie will nach Berlin und dort eine erfolgreiche Künstlerin werden. Doch schon bald wird die politische Atmosphäre immer bedrohlicher. Die Konfrontationen zwischen der extremen Rechte und Linke wird immer erbitterter und blutiger. Und Daisys Bruder Louis, der rettungslos in den undurchschaubaren Willi verliebt ist, sitzt zwischen allen Stühlen. Vor dem Hintergrund der aufziehenden Nazi-Herrschaft versuchen viele ihre Schäfchen ins Trockne zu bringen und flüchten sich in den Opportunismus. Eine Zeit der Ränkespiele und Intrigen, in der Daisy versucht, allen gerecht zu werden. Etwas ärgerlich ist, dass dieser erste Band mit einem Cliffhanger endet und nur in Kombination mit dem im Dezember erscheinenden zweiten Teil gelesen werden kann. (E.B.)