Bücher sind die idealen Begleiter in der dunklen Jahreszeit. Sie entführen uns in andere Zeiten und Welten. Gehen Sie mit uns auf Reisen.

Jörg Juretzka: Nomade

Rotbuch Krimi, 19,90 €

Der Krüschel ist wieder da! Mann, was haben wir ihn vermisst. Und wir treffen ihn nicht an der Bar am Rhein-Herne-Kanal, sondern in der Wüste Südalgeriens. Eine unwirtliche Gegend, in der ein platter Reifen oder Sand im Getriebe ganz einfach den Tod bedeuten könneb. Meist heißt der Fehler jedoch grenzenlose Selbstüberschätzung. Und so hat es sich Ex-Privatdetektiv Kristof Kryszinski aus Bottrop zur Aufgabe gemacht, nach verschüttgegangenen Touris zu suchen. Mit seinem L312-Allradtruck aus dem Jahre 1959 und Hündin Bella durchpflügt er Dünentäler und bezwingt schroffe Berge. (Wer schon mal offroad gefahren ist, weiß, wovon Juretzka schreibt …) Wenn er, also der Krüschel, doch mal unerwartet auf Lebende trifft, bedeutet es meistens Ärger. Nicht besonders untypisch bei ihm. So muss er nicht ganz freiwillig eine improvisierte Not-OP an einem afghanischen Gangsterboss vornehmen und die 15-jährige somalische Migrantin Jamilah vor Schleusern und ihrem eigenen Übermut retten. Ein großartiger Wüsten-Trip mit einem richtigen coolen Typen, der eine ganze Menge Humor und vor allem das Herz auf dem richtigen Fleck hat. Ein wunderbarer Lesespaß. (E.B.)

Emi Yagi: Frau Shibatas geniale Idee

Atlantik, 21 Euro

Schön wär’s ja, wenn Frauen hierzulande den ebenso bösen wie komischen Kommentar auf die sexistische Struktur der japanischen Gesellschaft nicht nachvollziehen könnten. Leider ist das Gegenteil der Fall. Trotz gleicher Qualifikation immer noch für „niedere“ Tätigkeiten wie Aufräumen und Kaffeekochen herhalten müssen – na, klingelt da was? Frau Shibata jedenfalls hat das irgendwann satt. Angesicht halbleerer Kaffeetassen, in denen auch noch Zigarettenstummel schwimmen, erfindet sie spontan eine Schwangerschaft inklusive Morgenübelkeit. Prompt wird sie ebenso rücksichts- wie respektvoll behandelt. Und statt sich als letzte im Büro über Überstunden zu ärgern, hat sie plötzlich Zeit für sich – inklusive Schwangerschafts-Workout und neuer Freundinnen. Wie ihre Heldin das Spiel dann weitertreibt, beschreibt die japanische Autorin ebenso unterhaltsam wie überraschend. (S.G.)

Ingo Bott: Pirlo – Gegen alle Regeln

Scherz, 15 €

Pirlo ist anders als seine Brüder. Er ist Anwalt – sein Clan steht auf der anderen Seite des Gesetzes. Das riecht nach einem Haufen Ärger. Zumal Pirlo einen aufsehenerregenden Fall an den Hacken hat, der für großes mediales Aufsehen sorgt. Die Anklage wirft seiner Mandantin vor, ihren Mann umgebracht zu haben. Außerdem soll er die Schulden seiner Familie bezahlen. Pirlo gerät mächtig unter Druck. Um aus dem Schlamassel einigermaßen unbeschadet herauszukommen, bricht er mehr als nur eine Regel. Flott geschrieben und mit einem neuen interessanten Charakter ist dies der Auftakt zu einer Serie um dem charismatischen und chaotischen Anton Pirlo. (E.B.)

Donal Ryan: Die Stille des Meeres

Diogenes, 22 Euro

Berührend und erschütternd zugleich liefert der irische Autor reichlich Stoff zum Nachdenken. Drei Männer, drei Schicksale, die sich am Ende überraschend als miteinander verknüpft erweisen. Doch auch ohne diese Pointe haben die drei Geschichten für sich Bestand. Die des syrischen Arztes, der auf der Flucht alles verliert. Des jungen Iren, der dem Leben und der Liebe einfach nicht gewachsen ist. Und des Mistkerls, der andere immer nur manipuliert und betrogen hat. „Dieses Buch hat mich nicht mehr losgelassen“, schreibt Jonathan Franzen. Verständlich. (S.G.)

Jenny Erpenbeck: Kairos

Penguin, 22 €

Die neunzehnjährige Katharina und Hans, ein verheirateter Mann Mitte fünfzig, begegnen sich Ende der achtziger Jahre in Ostberlin, zufällig, und kommen für die nächsten Jahre nicht voneinander los. Vor dem Hintergrund der untergehenden DDR und des Umbruchs nach 1989 erzählt Jenny Erpenbeck in ihrer ganz eigenen Sprache von den Abgründen des Glücks – vom Weg zweier Liebender im Grenzgebiet zwischen Wahrheit und Lüge, von Obsession und Gewalt, Hass und Hoffnung. Jenny Erpenbeck schildert die bedrückende Beziehung von Katharina und Hans in einer Weise, dass dem Leser manchmal die Luft zum Atmen fehlt. (E.B.)

Florian Gottschick: Henry

Penguin, 20 €

Das ist ganz großes Kino, das Florian Gottschick hier zwischen zwei Buchdeckel packt. Kein Wunder, denn der Autor ist auch preisgekrönter Filmemacher. Er schickt in seinem ersten Roman die 12-jährige Henriette, genannt Henry, auf einen ungewöhnlichen Roadtrip. Denn Henry wird ganz aus Versehen entführt. Als ihre überbehütende Mutter ihren nagelneuen BMW – samt auf dem Rücksitz schlafender Tochter – kurz unabgeschlossen stehen lässt, kommt ein fremder junger Mann, setzt sich ins Auto, fährt davon. Eigentlich nur, um eine Runde damit zu drehen.  Doch als Henry wach wird, überredet sie Sven einfach weiterzufahren. Zwischendurch laden sie noch Svens Freundin Nadja ein. Voller Übermut, mit Spaß am Verbotenen und einem ganz besonderen Gefühl der Zusammengehörigkeit beginnt für alle drei eine Reise, die ihnen eine neue Sicht auf das Leben eröffnet. Das ist anrührend – und vor allem ein richtig guter Lesespaß. (E.B.)

Kim Faber & Janni Pedersen: Winterland

Blanvalet, 15 €

Ein schrecklicher Mord erschüttert die verschlafene dänische Provinzstadt Sandsted: Ein Mann wird brutal erschlagen aufgefunden, seine Ehefrau ist verschwunden. Keiner hat etwas gesehen, es gibt keine Spuren, kein ersichtliches Motiv. Martin Juncker, einer der besten Mordermittler Dänemarks, übernimmt den Fall. Wegen eines verhängnisvollen Fehlers aus Kopenhagen nach Sandsted versetzt, leitet er dort die kleine Polizeistation und kümmert sich darüber hinaus noch um seinen dementen Vater. Eigentlich ist die Geschichte nicht neu. Wäre da nicht Junckers ehemalige Kollegin Signe Kristiansen, die noch immer in Kopenhagen arbeitet. Sie freut sich auf ein beschauliches Weihnachtsfest mit der Familie, als eine Bombe auf dem Weihnachtsmarkt in der Innenstadt explodiert. Ein terroristischer Anschlag? Aber wer war es: Islamisten, Rechtsextreme? Oder eine ganz andere Gruppierung? Wie das Autorenduo Faber & Pedersen die beiden Erzählstränge verbindet, das ist richtig fesselnd. Die Figuren sind klasse, bringen ihre eigene Geschichte mit – und laden den Leser zum Mitfiebern ein. Freuen wir uns auf weitere Fälle für Juncker und Kristiansen! (E.B.)

Philippe Djian: Die Ruchlosen

Diogenes, 22 €

Djian kommt immer gleich zur Sache. Wirft die Leserschaft ohne Vorspiel in die Geschichte: Marc lebt mit seiner Schwägerin Diana in einer Stadt am Meer und kümmert sich seit dem Tod ihres Mannes leicht manisch, aber liebenswert um sie. Eines Tages findet er am Strand drei prallvolle Päckchen mit Koks. Er möchte die Ware für gutes Geld verkaufen, doch bald läuft alles aus dem Ruder. Freundschaften zerschellen, Liebe flirtet mit Verbrechen – und mitten aus dem Chaos erwachsen überraschende neue Bindungen und Gefühle. Der französische Bestseller-Autor bringt es auf den Punkt, verzichtet auf Schnörkel und jeglichen Schnickschnack. Der typisch verknappte, reine Djian-Stil. (E.B.)

Henning Mankell: Der Verrückte

Zsolnay, 26 €

Ein kleiner Ort in Norrland nach dem Krieg. Bertil Kras kommt aus Stockholm, um hier sein Glück zu machen. Er findet Arbeit im Sägewerk. In einem Lager in der Nähe waren in den letzten Kriegsjahren Kommunisten und andere politische Oppositionelle interniert. Bertil, selbst überzeugter Kommunist, und eine Gruppe Gleichgesinnter wollen diese Vergangenheit an die Öffentlichkeit bringen. In einer kalten Januarnacht brennt das Sägewerk ab und man verdächtigt Bertil, den Brand gelegt zu haben. Er droht alles zu verlieren und läuft auf dem Rangierbahnhof Amok. „Der Verrückte“ ist der erste Spannungsroman des späteren Beststeller-Autors. Setting, Figuren und politischer Hintergrund sind interessant, ein Roman mit Ecken und Kanten, der jedoch nicht alle losen Fäden überzeugend zusammenführt. (R.R.)

Anne Mette Hancock: Narbenherz

Scherz, 15 €

Der Alptraum jeder Eltern. Das eigene Kind ist verschwunden. Lukas’ Mutter macht sich schwere Vorwürfe. Investigativ-Journalistin Heloise Kaldan hat gerade eine Recherche zu traumatisierten Soldaten begonnen, als sie mit der Story um den Fall des 10-Jährigen betraut wird. Vor Ort trifft Heloise ihren guten Freund Kommissar Erik Schäfer, der in dem Fall ermittelt.Welche Rolle spielt der Vater? Und was hat die Mutter zu verbergen? Unfall oder Entführung? Die Spuren zu dem Jungen sind verwirrend, nichts passt zusammen. Eigentlich liegen die entscheidenden Fakten auf dem Tisch. Es gilt, das Muster zu erkennen und Lukas’ Leben zu retten. Ein spannender Wettlauf gegen die Zeit. (E.B.)