Was hilft?

Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. So heißt es immer so schön. Und damit das „Futter“ nicht ausgeht, hier ein paar Tipps aus der Redaktion.

Hjorth & Rosenfeldt: Die Opfer, die man bringt

rororo, 12 €

Kriminalpsychologe Sebastian Bergman hat es mal wieder versaut. Seine Tochter Vanja ist nach Uppsala gezogen und spricht kein Wort mehr mit ihm, weil er ihr Leben in Trümmer gelegt hat. Außerdem ist die Reichsmordkommission in Stockholm zu der Auffassung gekommen, dass sie ohne ihn besser dran ist. Bergman ist nicht gut fürs Team. Nur Ursula, verantwortlich für die Tatort-Analyse, hat den Kontakt noch nicht gänzlich zu ihm abgebrochen. Zeitgleich geschehen in Uppsala schnell hintereinander drei brutale Vergewaltigungen. Die Öffentlichkeit ist alarmiert; Vanjas neue Chefin gerät unter Zugzwang und engagiert ausgerechnet Bergmann als Profiler. Die Reichsmordkommission schaltet sich ein und gemeinsam wird trotz aller persönlichen Befindlichkeiten der Täter gejagt. Oder handelt es sich um eine ganze Gruppe von Vergewaltigern? Denn die Spermaspuren an den Opfern stimmen nicht überein. Welche Botschaft soll damit übermittelt werden? Auch im 6. Band der Bergmann-Reihe gelingt es dem schwedischen Erfolgs-Duo Hjorth & Rosenfeldt einen superspannenden Krimi mit diversen Wendungen vorzulegen, der keine Sekunde langweilig ist. (E.B.)

Julia Holbe: Unsere glücklichen Tage

Penguin Verlag, 20 €

Es sind die wirklich alten Freundschaften, die Bestand haben. Auch wenn man sich viele, viele Jahre nicht gesehen hat, hat man unendlich viele Anknüpfungspunkte. Als sei man nur gerade aus der Tür zum Einkaufen gegangen. Es gibt keine peinlichen Gesprächspausen. So ergeht es Lenica, Marie, Fanny und Elsa, die gemeinsam viele Sommer in dem Ferienhaus von Elsas Eltern an der französischen Atlantikküste verbracht haben – und sich dann aus den Augen verloren. Warum eigentlich? Einfühlsam, mit viel Verve und Gespür dafür, wie man eine Geschichte dramaturgisch entwickelt, zeichnet Julia Holbe die letzten gemeinsamen Ferien der vier Freundinnen nach. Es war der Sommer, in dem Lenica ihren Sandkastenfreund Sean mitbrachte. Stück für Stück wird deutlich, dass es sehr wohl Gründe für das Auseinanderdriften der Freundinnen gab. Aber eben auch genau so viele Gründe dafür, die Freundschaft nach all den Jahren wieder aufleben zu lassen. Auch wenn Lenica nicht mehr am Leben ist … (E.B.)

Jan Costin Wagner: Sommer bei Nacht

Galiani Berlin, € 20

Nein, dies mal ist es kein Fall für Wagners finnische Ermittlerfigur Kimmo Joentaa, dieser Fall spielt in Deutschland. Ein Junge verschwindet bei einem Flohmarkt spurlos, Zeugen erinnern sich, ihn in Begleitung eines Mannes mit einem großen Teddybären gesehen zu haben. Im Bezug auf den Teddy weist der Fall einige Parallelen zu einem früheren Fall in Österreich auf, bei dem ein Junge aus Eritrea vermisst wird. Die Kommissare machen sich an die Arbeit und müssen sich der Erfahrung stellen, dass  ihre schlimmsten Befürchtungen wahr werden. Jan Costin Wagner rührt mit intelligentem Feingefühl an diverse brisante Themen der Gegenwart, bei denen sich auch die Grenzen zwischen Gut und Böse mehr und mehr verwischen. Denn einer der Ermittler kämpft selbst mit pädophilen Neigungen.  Das Besondere an den Romanen von Jan Costin Wagner: Sie sprengen die konventionellen Genregrenzen des Krimis und loten psychologische Untiefen aus. Spannend sind sie allemal. Mit dieser raffinierten Mischung hat sich Wagner eine echte Alleinstellung erschrieben. (H.O.)

Kerstin Hensel: Regenbeins Farben

Luchterhand, 18 Euro

Auf einem Friedhof in der Nähe der Einflugschneise eines Flughafens treffen sich regelmäßig drei Frauen, um die Grabstätten ihrer verstorbenen Männer zu pflegen: Lore Müller-Kilian, eine kapriziöse Industriellengattin mit Hang zur Champagner-Einsamkeit; die 80-jährige Kunstprofessorin Ziva Schlott sowie Karline Regenbein, eine bescheidene, im Abseits des Kunstbetriebs wirkende Malerin. Was zuerst wie eine zufällige Schicksalsgemeinschaft erscheint, entpuppt sich im Laufe der Novelle als ganz andere Geschichte. Die Autorin enthüllt nämlich nach und nach die Biografien des ungleichen Trios und damit auch die Verbindungen der Damen untereinander. Klug beobachtet und mit teilweise beinahe kaltem Blick beschreibt Kerstin Hensel dabei die Tücken des Kunstbetriebs ebenso wie des Ehelebens. Komisch-bissiger Humor kommt ins Spiel, als das Damentrio um einen weiteren Trauernden buhlt: den ebenfalls verwitweten Galeristen Eduard Wettengel. (S.G.)

Benjamin Myers: Offene See

Dumont, € 20

Ein wahrer Sehnsuchtsroman über das Ausbrechen aus vorgeschriebenen Lebensläufen. Wir befinden uns im England des Jahres 1946, also unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg. Der junge Robert möchte einmal die offene See erleben, bevor ihm ein Arbeitsleben unter Tage bevorsteht. Also macht er sich zu Fuß auf. Bald darauf lernt er die unkonventionelle Dulcie kennen, die ihm eine ganz andere Welt eröffnet, einen Zugang zu Kunst, Leidenschaft, Freundschaft, aber auch Schmerz. Bereichernde Erfahrungen, die allemal wertvoller sind als ein Leben voller Pflichterfüllung und Wohlanständigkeit. Mit glänzenden und poetischen Naturbildern erweckt Benjamin Myers das Verlangen nach dem einfachen Leben auf dem Land. Wer also in diesem Sommer aus objektiven Gründen seine Reisen verschieben muss, sollte sich das Reisen mit diesem hervorragenden Roman gönnen. Wie gesagt: Ein wahres Sehnsuchtsticket. (H.O.)

Sarah Bailey: Into the Night

C. Bertelsmann, 15 €

Die Straßen Melbournes werden von Zombies bevölkert, die es auf einen jungen, gutaussehenden Mann abgesehen haben. Nach kurzem Kampf können sie ihn überwältigen. Als die Film-Szene vorüber ist, ist der aufstrebende Schauspieler Sterling Wade aber tatsächlich tot. Erstochen vor laufenden Kameras. Jede Menge Verdächtige – und alle waren maskiert. Da liegt ein hartes Stück Arbeit vor Detective Sergant Gemma Woodstock. Wade hatte viele Fans und war allseits beliebt. Aber war er tatsächlich der Sonnyboy, den alle mochten? Eher nicht, den mindestens ein Mensch wollte seinen Tod. Aber wer? (E.B.)

Sharon Bolton: Das Gift des Bösen

Goldmann, 10 €

„Das Gift des Bösen“ ist sowohl Folgeroman als auch Vorläufer des bereits erschienenen „Der Schatten des Bösen“. Klingt kompliziert, ist es aber nicht. Auch ohne den ersten Band mit Florence Lovelady zu kennen, funktioniert der neue Krimi der englischen Bestseller-Autorin ganz wunderbar. Im stimmungsvollen Setting der englischen Kleinstadt Sabden werden vier Kinderskelette nahe eines ehemaligen Waisenhauses gefunden. Angeblich sind die Funde schon sehr alt, die sterblichen Überreste schnell im Krematorium verbrannt. Doch Florence Lovelady, heute ranghöchste Polizistin Großbritanniens, glaubt nicht daran und nimmt die Ermittlungen auf, die sie in ihre Heimat zurückführen. Dort, wo sie vor 30 Jahre als Polizeineuling bei einem Fall ihr Leben riskiert hat. Dorthin, wo sie nie mehr hin wollte. (E.B.)

Michael Chabon: Moonglow

KiWi, 14 €

Während in Deutschland die Mauer fällt, sitzt Michael am Bett seines Großvaters, der in der letzten Woche seines Lebens plötzlich gesprächig geworden ist. Der Enkel erfährt, wie der Großvater einmal seinen Chef fast mit einer Telefonschnur erdrosselt hätte, warum er eine Brücke in Washington in die Luft sprengen wollte, wie er in Deutschland den verhassten Wernher von Braun jagte, warum von Braun und er dieselbe Leidenschaft teilten und wie er nach dem Tod seiner Frau eine neue Vertraute fand. In seinem von den Kritikern hochgelobten Roman erzählt Michael Chabon die unglaublichen Abenteuer seines unkonventionellen Großvaters und behandelt dabei die großen Themen der amerikanischen und europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts – von der Mondraumfahrt bis zum Mauerfall. (E.B.)

Arnaldur Indridason: Verborgen im Gletscher

Lübbe, 22,90 €

Eigentlich ist Kommissar Konráð schon in Rente. Doch eines nachts schreckt ihn der Anruf der Pathologin auf: Deutsche Touristen haben in den Tiefen des Langjökull-Gletschers – die durch die Erderwärmung immer flacher werden – einen seit 30 Jahren vermissten Geschäftsmann namens Sigurvin entdeckt. Ein Fall, der Konráð seinerzeit zur Verzweiflung getrieben hat. Und auch trotz seiner Pensionierung nun das Potenzial hat, es wieder zu tun. Denn der Exkommissar rollt den Fall noch mal von vorn auf. Und was er rausfindet, kann ihm nicht gefallen.

In der nordischen Krimi-Literatur ist der Isländer eher einer der Autoren der leisen Töne. Blutrünstige Action sucht man bei Arnaldur Indridason vergebens. Und dennoch – oder gerade deswegen – gelingt es ihm mit seinen Krimis um Kommissar Konráð eine tiefe Sogwirkung zu entfalten. Man muss einfach weiterlesen. (E.B.)

Arne Dahl: Vier durch vier

Piper, 16,90 €

Sam Berger und Molly Blom sind ein höchst ungewöhnliches Ermittler-Duo. Berger, von vorherigen Erlebnissen schwer traumatisiert sucht nun endlich eine Therapeutin auf, die ihn wieder in die Spur bringt. Wenig später bittet sie ihn um einen Gefallen: Eine ihrer Patientinnen, eine ehemalige Zwangsprostituierte, wurde entführt. Die Geiselnehmer setzen ein Ultimatum, bis sie Nadja den Kopf abschlagen. Die Zeit läuft. Berger hat 74 Stunden. Gut, dass er bald schon von der verschollen geglaubten Molly Blom, die zwischenzeitlich eine gemeinsame Tochter zur Welt gebracht hat, Unterstützung erfährt. Hilfe hat er bitter nötig, denn Berger hat sich mit der Russenmafia angelegt. Der Wettlauf gegen die Zeit und bitterböse Dämone läuft. (E.B.)

Thomas Engström: Die Ludwig-Licht-Reihe

C. Bertelsmann, jeweils 15 €

Wer der Meinung ist, Spionage-Thriller funktionieren nur gut, wenn sie zu Zeiten des Kalten Kriegs spielen, dem sei die Ludwig-Licht-Reihe ans Herz gelegt. Der schwedische Autor bringt mit Ludwig Licht einen neuen spannenden Anti-Helden auf die Krimi-Bühne. Ludwig Licht, einst einflussreicher Doppelagent für die Stasi und die CIA aus Ostberlin, kommt seit der Wende nicht mehr klar. Säuft zu viel und ist zu viel allein. Die Pleite vorprogrammiert, muss er hin und wieder Aufträge für die CIA annehmen. Im ersten Band („West of Liberty“) – wurde bereits leider nicht besonders gut verfilmt – soll Licht eine Amerikanerin überwachen, die als Anwältin der Whistleblower-Organisation Hydraleaks arbeitet. Und das wird alles andere als ein Spaziergang. In Band zwei („South of Hell“) schaltet Autor Engström noch mal einen Gang hoch. Ein schmutziger amerikanischer Wahlkampf und eine akute Terrorwarnung stehen dieses Mal auf dem Programm. Ludwig Licht wird von der CIA nach Pennsylvania gerufen, um zu retten, was zu retten ist. Denn der demokratische Kandidat Ron Harriman wird beschuldigt, eine Affäre zu haben – mit einem Sechzehnjährigen, der sich daraufhin das Leben nahm. Brisante Enthüllung oder perfide Verleumdung? Licht entdeckt bald, dass die Wahlkampf-Affäre nur die Spitze eines Eisbergs darstellt. Denn eigentlich geht es um eine Terrorgruppe, die das ganze Land zerstören will.

Im dritten Band („North of Paradise“) ermittelt Ludwig Licht im Milieu der Exil-Kubaner in Miami. „East of Inferno“ bildet den furiosen Abschluss der Serie. Wer also mal wieder eine Nacht mit einem richtig spannenden Spionage-Thriller durchmachen möchte, ist bei Ludwig Licht bestens aufgehoben. (E.B.)