Impulsgeberin für Bielefelds Wirtschaft

Seit drei Jahrzehnten bringt die WEGE mbH Menschen mit Ideen, Mut und Unternehmergeist zusammen – und gestaltet so den Wirtschaftsstandort Bielefeld aktiv mit. Zum Jubiläum sprechen Geschäftsführer Gregor Moss, Oberbürgermeister Pit Clausen und Jennifer Erdmann, stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende, über die Entwicklung der Wirtschaftsförderung, aktuelle Herausforderungen und ihre Vision für die Zukunft.
Wie haben sich die Aufgaben der Wirtschaftsförderung verändert?
Gregor Moss: Seit 25 Jahren begleite ich die WEGE und die Erwartungshaltungen und die Anforderungsprofile an eine Wirtschaftsförderung haben sich in der Tat verändert – und auch wieder nicht. Geblieben ist, dass wir als Non-Profit-Unternehmen Hilfestellung für jedes Bielefelder Unternehmen leisten. Eine weitere Konstante bildet die Aktivierung von Gewerbeflächen im Bestand. Gleichzeitig hat sich Arbeitswelt in den zurückliegenden Jahren stark verändert und wir mussten darauf reagieren.
Was ist heute anders?
Moss: Unsere Netzwerkarbeit. Unterschiedliche Akteure an einen Tisch bringen und miteinander vernetzen, das haben wir schon vor 25 Jahren gemacht. Aber heute hat die digitale Welt die Netzwerkarbeit völlig verändert.
Wie haben Sie die Entwicklung über die Jahre erlebt, Herr Clausen?
Pit Clausen: Ich habe als Ratsmitglied und seit 2002 als Fraktionsvorsitzender die Gründungsphase der WEGE mitbekommen. Massenentlassungen, Sozialpläne und Unternehmensstilllegungen waren an der Tagesordnung. Ein Kernthema war, den Strukturwandel zu begleiten und zu gestalten. Damals war die Wirtschaftsförderung in die Organisation der Stadt Bielefeld integriert.
Warum wurde das geändert und die WEGE gegründet?
Clausen: Der Gründungsimpuls war, ein klares Profil als Einheit für die Wirtschaft in einer eigenständigen GmbH zu schaffen – mithilfe von externen Partnern mit Wirtschaftskompetenz, von der Sparkasse über den Unternehmerverband bis zu den Gewerkschaften. Ein entscheidender Unterschied war und ist, dass um Lösungen nicht mehr öffentlich in der politischen Arena gerungen wird. Ich glaube: Das haben wir richtig gemacht.
Wenn Sie die Arbeit der WEGE mit drei Worten charakterisieren sollten …
Moss: Unorthodox – das ist für ein überwiegend kommunal bestimmtes Unternehmen nicht selbstverständlich. Kundenorientiert – wir orientieren uns an rund 14.000 Unternehmen, die wir betreuen. Und zukunftsorientiert – wir greifen Kernthemen des Wirtschaftslebens auf und reagieren darauf.
Clausen: Erstens, nah dran an den Unternehmen. Zweitens arbeiten wir flexibel. Und drittens, verstehen wir uns als Ermöglicherin. Wir suchen nicht nach Schwierigkeiten, sondern nach Lösungen.
Frau Erdmann, welche Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht besonders effektiv?
Jennifer Erdmann: Die WEGE ist eine echte Kümmerin, die aktuelle Themen aufgreift und in die Unternehmen trägt. Sie vermittelt Kontakte, öffnet Türen und fördert den Wissenstransfer. Ein Beispiel: Ich erlebe die WEGE als Interessenvertretung für kleinere Unternehmen, die keine großen Budgets für Personalgewinnung und Marketing haben. Dank des Know-hows im Netzwerk können sie vieles mit einfachen Bordmitteln stemmen.
Steht die Entwicklung des einzelnen Unternehmens auch für die gesamte Bielefelder Wirtschaft?
Clausen: Es gibt objektive Daten, die die positive Entwicklung beschreiben: 170.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte – so viele wie noch nie. Gewerbesteueraufkommen von 300 Millionen Euro im Jahr. Als ich das Amt des OB übernommen habe, waren wir noch unter 100 Millionen. Unsere Wirtschaft ist sehr divers und hängt nicht an einer einzelnen Branche. Das macht die Robustheit der wirtschaftlichen Entwicklung in Bielefeld aus.
Bei aller Robustheit – was sind die aktuellen Themen und Herausforderungen?
Clausen: Es gibt einige Megathemen wie die Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Künstliche Intelligenz, Transformation und auch der Fach- und Arbeitskräftemangel – Gesprächsthema bei fast allen Unternehmensbesuchen. Auch hier spielen das Netzwerken und „Das kommt aus Bielefeld“ als überregionale Darstellung des Wirtschaftsstandorts eine Rolle.
Beim Thema Austausch hat sich bei den Unternehmen wirklich etwas verändert. Vor 20 oder 30 Jahren hatte keiner Lust, seine Herausforderungen mit anderen zu teilen. Man sah sich im Wettbewerb. Heute hat sich das Selbstverständnis dahin verändert, dass ich als Unternehmer auch etwas von anderen lernen kann.
Wie wichtig sind Netzwerke beim Standortmarketing?
Clausen: Es hat sich ein Markenselbstverständnis für Bielefeld durch „Das kommt aus Bielefeld“ und auch darüber hinaus für Ostwestfalen-Lippe gebildet. Denn Bielefeld ist Teil einer Wirtschaftsregion, die nicht an der Stadtgrenze endet. Dort endet auch unser Denken nicht. Wenn sich ein Unternehmen nicht in Bielefeld ansiedeln kann, schauen wir zum Beispiel nach Herford. OWL gilt heute als wirtschaftliches Schwergewicht.
Braucht es dann noch eine städtische Wirtschaftsförderungsgesellschaft?
Clausen: Die Wirtschaft ist der Motor einer Stadt, ohne sie läuft alles nicht, egal ob Kulturentwicklung, Sozialprogramme oder Hilfe für Familien. Deshalb ist Wirtschaftsförderung nach meinem Empfinden Chefsache.
Gibt es noch Potenzial für die Zukunft?
Clausen: Die Kooperation mit den Hochschulen. Unsere Hochschullandschaft ist eine Perle und ich glaube, dass die WEGE da noch mehr Anknüpfungspunkte generieren könnte. Da möchten wir Anstifter sein.
Welches der Projekte hat Sie am meisten inspiriert?
Erdmann: 2017 bin ich tatsächlich als erstes auf das Projekt „Mehr Frauen in Führung – so geht‘s“ gestoßen. Die WEGE hat mich und andere Frauen untereinander vernetzt. Ich hätte nicht gedacht, dass in Bielefeld so viele Frauen in Führungspositionen arbeiten. Und ich war begeistert, dass das so normal ist. Das war sehr einladend für einen Neuankömmling wie mich.
Moss: Ein einzelnes Projekt hervorzuheben würde den vielen anderen nicht gerecht. Doch wenn jemand zu uns gesagt hat: „Ohne die WEGE wäre das hier nicht möglich gewesen“ – das war wie ein Ritterschlag. Für uns ist das Motivation, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen.