AUF DEM JAKOBSWEG Marlon Ulbort

Jakobswege gibt es in vielen Varianten. Der Bielefelder Marlon Ulbort hat sich für den Camino Portuguese mit dem kleinen Schlenker über die Variante Espiritual entschieden. Ein Weg, den man auch in gut zehn Tagen schaffen kann.

Warum haben Sie sich gerade den Jakobsweg als Fernwanderweg ausgesucht?

Für Wanderanfänger bietet die perfekt ausgebaute Infrastruktur auf den Jakobswegen beste Startbedingungen. Alle fünf Kilometer gibt es offizielle Herbergen/Albergen, in denen man für wenig Geld schlafen kann. Auch ein Verlaufen ist so gut wie unmöglich, man wird dezent mit gelben Pfeilen und Muschelsymbolen durch eine wunderschöne Landschaft geführt. Zusätzlich bieten viele private Unterkünfte und Hotels einen Ausgleich für alle, die der Kakophonie aus Geschnarche und Schlafsackgeraschel in den großen Schlafsälen mancher Herbergen überdrüssig sind.

Super sind auch die Gemeinschaftsküchen, die durch die Pandemie zeitweise leider geschlossen waren (bitte aktuell informieren). Hier findet man noch den Camino-Spirit, den es wohl so auf keinem anderen Fernwanderweg gibt. Abends wird in den offenen Küchen der Herbergen mit allen Nationen zusammen gekocht. Es bildet sich eine richtige Jakobswegsfamilie.

Was war Ihre beste Erfahrung auf der Strecke?

Ein kleiner Geheimtipp, der wohl in dieser Form nur auf der Variante Espiritual möglich ist: eine kleine Bootstour! Nach neun Tagen Wanderschaft eine Wohltat. Man folgt hier dem Weg, auf dem die frühen Christen den Leichnam Jakobus nach Santiago trugen. Da dieser auch ein kleines Stück via Boot stattfand, ist die Bootstour also auch für Pilger legitim. Heutzutage natürlich im Speedboot mit Volldampf! Ansonsten war die Landschaft ein Highlight. Wirklich fantastisch!

Während des Weges sammelt man natürlich Stempel in seiner Credentiale, seinem Pilgerausweis. Ein besonderer Spaß ist es, besonders schöne Stempel zu sammeln oder aber Stempel von möglichst unkonventionellen Orte, wie von einer örtlichen KFZ-Werkstatt, einem Hundefriseur oder aber einem Zahnarzt.

Welche Herausforderung hat der Weg für Sie mitgebracht?

Es ist ein Pilgerweg, man wird hier also oft mit seinem eigenen Glauben oder eben nicht-Glauben konfrontiert. Dass man hier auf einen urkatholischen Pilgerweg wandert, sollte einem bewusst sein und man sollte auf keinen Fall respektlos mit den Wurzeln des Pilgerweges umgehen. Ansonsten kann man auch als Atheist all die wunderbaren Vorteile dieses sehr bewegenden Fernwanderweges genießen.

Der Jakobsweg-Kosmos

„Ich bin dann mal weg“ ist durch Hape Kerkeling zu einem geflügelten Wort geworden. Und jeder weiß sofort: Es geht um den Jakobsweg. Dabei gibt es gar nicht den einen Jakobsweg, sondern es gibt viele Jakobswege und Routen. Sie sind so vielfältig, wie die Gründe dafür, sich auf den Weg zu machen.

Das Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela ist das Ziel. Wer will, kann sich – je nach Zeitkontingent – direkt von der eigenen Haustür aus auf den Weg machen. Man steuert einfach den nächstgelegenen größeren Pilgerweg an. Denn auch in Deutschland verteilen sich diese netzartig über das ganze Land.

Wer sich für den wohl bekanntesten Jakobsweg, den Camino Francés entscheidet, hat gut 800 Kilometer vor sich. Von St. Jean Pied de Port führt der touristisch erschlossenste Weg in 32 Etappen von der spanisch-französischen Grenze ans Ziel. Nicht weniger schön ist der Caminho Portugues, der von der Kathedrale in Porto durch Portugal und Spanien auf einer Strecke von 240 Kilometern verläuft und zwei Länder und Kulturen miteinander verbindet. Weitgehend flach ist er für viele ganzjährig machbar. Für alle, die das Meer und Strände lieben, empfiehlt sich der Küstenweg Camino del Norte, der sich entlang der Nordküste Spaniens bis nach Santiago de Compostela erstreckt. Weniger Strecke machen muss man auf dem Camino Primitivo. Allerdings haben es die 300 Kilometer durch viele Höhenmetern in sich. Mit über 1.000 Kilometern punktet dagegen die Via de la Plata Vom Süden Spaniens reicht dieser Jakobsweg hinauf bis nach Santiago de Compostela im Nordwesten.

QUER DURCH EUROPA

Sie sollen Völker verbinden. Das war das Ziel der Europäischen Wandervereinigung. Und so entstanden seit 1969 zwölf große Fernwanderwege mit einer Gesamtlänge von rund 60.000 km. Manche gut markiert und bei anderen braucht es Kompass, einen guten Orientierungssinn und etwas Abenteuerlust.

So geht es munter von Nord nach Süd – wie etwa auf dem E1 vom Nordkap bis nach Sizilien – oder von West nach Ost auf dem E7. Dieser Fernwanderweg führt im Ganzen über 5.000 Kilometer von den Kanaren bis in die Ukraine. Er quert dabei die Länder Portugal, Spanien, Andorra, Frankreich, Italien, Slowenien, Ungarn, Rumänien und Moldawien. Davon gelten bereits mehr als 4.000 Kilometer als markiert. Und selbstverständlich kann man auch ganz ideal Teilstücke erwandern. Die Kanaren sind für Einsteiger bestens geeignet, denn die meisten Wanderwege sind gut in Schuss und die Wege leicht zu finden. Dank des milden Klimas und oft stabiler Wetterlagen – die meist nur, wie überall auf der Welt in den Bergen, in höheren Lagen unbeständiger sein können – ist das Wandern ganzjährig eine Freude. Klar, im Sommer ist es natürlich heißer und im Winter liegt nicht nur auf Teneriffas höchstem Berg, dem Pico del Teide, Schnee.
Wer den Kanaren führt der E7 als GR 131 über alle Kanarischen Inseln mit Ausnahme von Grand Canaria. Wer ganz im Westen beginnen will, startet auf El Hiero. Die kleinste Kanaren-Insel und vielleicht noch nicht so überlaufen wie die große Schwester La Gomera, die – wie auch La Palma – in der Wander-Community bestens bekannt ist. Besonders das abwechslungsreiche La Palma hat wunderschöne Natur auf attraktiven Routen zu bieten. Wer lieber mal in der Ebene wandert, wird auf Lanzarote und Fuerteventura fündig. Und das Beste auf allen Inseln: bis zum Meer ist es nie weit.

Great Walking
FERNWANDER WEGE IN ENGLAND

Die UK National Trails – vom Hadrianswall im Norden bis zur Bilderbuchlandschaft der Cotswolds – rauben einem von Zeit zu Zeit den Atem.

Englands längster Fernwanderweg: Der South West Coast Path von Minehead nach Pool entlang der südwestlichen Küste ist mehr als 1000 km lang, ein Wanderprojekt in Etappen. Der Küstenpfad mit atemberaubenden Aussichten geht durch die vier Grafschaften Devon, Dorset, Somerset und das wunderschöne Cornwall. Der Hadrianswall, heute Weltkulturerbe der UNESCO, dient als Kulisse für den 135 Kilometer langen National Trail durch die eindrucksvolle Landschaft des Northumberland Nationalparks. Von Wallsend an der Ostküste nach Bowness-on-Solway an der Westküste.
Der malerische Cotswold Way erstreckt sich über eine Länge von 164 Kilometern und belohnt Wanderer mit einer tollen Aussicht auf Buchenwälder, Wiesen und traditionelle Kalksteindörfer des Severn Vale. Grüne Wiesen, offene Heidelandschaften – der Glyndŵr‘s Way National Trail erschließt auf 217 Kilometern Gegenden im Herzen von Wales. Der Thames Path verläuft auf über 294 Kilometern von der Quelle der Themse in Kemble, Gloucestershire, bis nach London.
Die berühmtesten Landschaften Schottlands erschließt der West Highland Way.