Feuer, Wasser, Eis

Die Namen unaussprechlich, die Landschaft unbeschreiblich. Unzählige Naturschönheiten verteilen sich über das gesamte Land. Und versprochen: In dem weiten und dünn besiedeltem Land gibt es sie, die stillen Orte. Sie haben auch uns auf unserer dreiwöchigen Rundreise durch Island immer wieder innehalten lassen. Auch wenn immer mehr Reisende das Land knapp unterhalb des Nordpolkreises entdecken und Kreuzfahrtschiffe längst den Hafen Reykjaviks ansteuern.

Einmal rund um die Insel. Unsere Tour führt uns entlang der Ringstraße. Die Unterkünfte – mal auf Campingplätzen, mal in rustikalen Hütten – sind gebucht. Ebenso wie unser Auto: Ein Dacia. 4 Wheel Drive – ohne Allrad sind einige Straßen in Island Tabu. Und wir wollen zumindest ab und zu die Ringstraße verlassen und ins Landesinnere vordringen. Wir starten vom Keflavik International Airport – die Drehscheibe für Isländer, um andere Teile Europas und der Welt zu entdecken. Für uns das Tor, um in die einzigartige Welt der Insel einzutauchen. Auf einer Fläche von 103 000 Quadratkilometern erstreckt sich das von Vulkanen und Gletscherlandschaften geprägte Land. Reykjavik liegt eine gute Dreiviertelstunde Fahrt vom Flughafen entfernt. Von den 356 991 Einwohnern (Stand 2019) leben allein 128 793 in Reykjavik. Die Bauarbeiten an vielen Stellen der Stadt zeigen, dass immer neuer Wohnraum entsteht. In Akureyri, der Perle im Norden, sind es gerade mal 18925 Menschen. Entsprechend lebendig ist Islands Metropole.

Kuriositäten wie ein Briefkasten der Weihnachtstrolle – es gibt gleich 13 ihrer Art, die die Briefe beantworten, die in dem roten Briefkasten am Laugavegur 8 landen – inklusive. Oder das Penismuseum, für das der 95-jährige Isländer Páll Arson nach seinem Tod sein bestes Stück spendete, das jetzt neben den Phallen diverser isländischer Tierarten dort ausgestellt wird. In die Katakomben einer ehemaligen öffentlichen Toilette steigt man wiederum für einen Besuch in Reykjaviks Punkmuseum hinab. Und für alle, die Islands Musikgeschichte interessiert, dürfte auch das Rokksafn Íslands einen Abstecher nach Reykjanesbaer drin sein. Wer da an Björk denkt, liegt genau richtig. Doch in Island wurde und wird – hier findet jährlich das … größte Festival statt, neben Musik- auch Weltgeschichte geschrieben. Im Höfdi nahm das Ende des Kalten Krieges seinen Anfang. Wir standen hier als die USA und Russland genau diesen Abrüstungsvertrag beendeten. Unberührt davon thront die Hallgrimskirkja über der Stadt, die mit ihren bunten Häuserfassaden, gemütlichen Cafés, Bars und Restaurants einlädt. Für den kleinen Hunger zwischendurch sollte man, wie viele Einheimische auch, den Baejarins-Beztu-Stand ansteuern. Das Anstellen vor dem kleinen roten Kabuff, aus dem in akkordverdächtigem Tempo ein Hotdog nach dem anderen rausgereicht wird, lohnt sich. Traditionell garniert mit reichlich Zwiebeln, Ketchup, süßem Senf und Remoulade. Die Kleckergefahr für Ungeübte: exponentiell hoch!

Raus aus der Stadt, rauf aufs Land Richtung Süden. Am Rande des UNESCO-Weltkulturerbes Pingvellier Nationalpark stößt man auf das ION Luxus- und Abenteuerhotel. Die auf runden Betonfeilern ruhende schmale Front öffnet sich mit seiner Glasfassade der Natur und beherbergt die „Northern Light Bar“. In unmittelbarer Nachbarschaft liegt das Geothermalkraftwerk Nesjavellir – es versorgt das Hotel mit umweltfreundlicher Energie. Die ist in Island allgegenwärtig. Vom geologischen Standpunkt aus gesehen, könnte man übrigens mutmaßen, dass Island das Geheimnis ewiger Jugend entschlüsselt hat. Nahezu pausenlos schiebt hier neues Land altes beiseite. Am Reykjanes-Rücken – hier treffen amerikanische und eurasische Kontinentalplatten aufeinander – öffnet sich die Almannagjá. Die kilometerlangen Spalten, die von Nordosten nach Südwesten verlaufen, prägen den 1928 gegründeten Nationalpark. Jedes Jahr senkt sich der Graben um bis zu acht Millimeter und dehnt sich um den gleichen Wert aus. Wie grün das Land an vielen Stellen ist, überrascht uns hier im Süden. Ein Landstrich, der mit Geschichten und Islandsagas die Fantasie beflügelt. Ein Abstecher ins Saga-Zentrum Söugusetrid in Hvolsvöllur oder ins dortige Lava Centre – ein interaktives Erlebnismuseum, wo die Erde bebt und die Lava zischt, ist im Land von Feuer und Eis ein Muss. Seit seiner Besiedlung vor 1100 Jahren kam es zu rund 250 Vulkanausbrüchen. Als der Eyjafjallajökull im Frühjahr 2010 ausbrach, überschattete dies im wahrsten Sinne des Wortes die Welt. Gleichzeitig sorgen diese Naturgewalten dafür, dass die Insel „aus Feuer und Eis“ ist, was sie ist. Feuer und Eis sind wichtige Wirtschaftsfaktoren. Sie locken Touristen ins Land, in dem es blubbert und brodelt. Bis zu 35 Meter schießt die „kochende Wassersäule“ des Strokkur-Geysirs zum Beispiel in Grindavik in die Höhe. Hier stehen wir, wie auch am Gullfoss-Wasserfall – er gilt als einer der schönsten Islands – natürlich nicht allein staunend vor dem großartigen Naturschauspiel. Soviel steht fest. Der Goldene Wasserfall markiert übrigens nur den Anfang unzähliger großer und kleiner – immer aber einzigartiger – Wasserfälle. Ob Seljalandsfoss, hinter dem ein Weg entlangführt, Skógafoss, Dettifoss, Svartifoss oder Godafoss – mal sind es haushohe Kaskaden, die nur über Treppen erreichbar sind, mal gewaltige breite Wasserfälle, die sich direkt aus dem Auto heraus bestaunen lassen.

Beeindruckend wie die Vulkane auf der Insel ragen im Süden die Felsnadeln von Reynisdrangar vor der Küste Vik í Mýrdals aus dem Meer und auch das „Türloch“ auf der Insel Dyrhólaey erzählt von der eruptiven Insel-Geschichte. Im Südosten der Insel prägt dann der riesige Gletscher Vatnajökull – übrigens Europas größter Gletscher – die Landschaft in dem gleichnamigen Nationalpark. Er erstreckt sich über 13 600 Quadratkilometer, nimmt rund 13 Prozent der Fläche Islands für sich in Anspruch und erfindet sich immer neu. Mit einer fast unwirklichen Szenerie überrascht Richtung Südosten die Gletscherlagune Jökulsárlón. Auf dem Gletschersee treiben bizarr geformte Eisberge, die mal weiß, bläulich oder schwärzlich schimmern. Über Islands kürzesten Gletscherfluss treiben sie still ins Meer oder stranden skulptural geformt auf dem schwarzen Lavastrand von Pjódvegur. Inmitten dieser surrealen Landschaft mutet Skaftafell – ebenfalls im Vatnajökull-Nationalpark – wie eine grüne Oase an. Ein kurzer Spaziergang zum Gletscher Skaftafellsjökull lohnt sich ebenso wie eine Wanderung in dem weitläufigen Gebiet. Es versprüht seinen zart-rauen Charme, beeindruckt mit seiner reichen Vegetation und belohnt auf dem Plateau angekommen mit fantastischen Ausblicken auf den Gletscher. Welche Kraft schmelzende Wassermassen haben, die sich in Island immer wieder ihren Weg bahnen, haben wir bereits gesehen: der umgeknickte Brückenpfeiler in der Schwemmlandebene von Skeidarásandur.

DIE HÖCHSTEN WASSERFÄLLE

Foss, Morsájökli – 228 m
Glymur – 198 m
Hengifoss – 128 m

Die Täler gut bewachsen, die Bergregionen kahl. So zeigt sich der Osten Islands. Angekommen im Land der Fjorde und Elfen. Gletscherzungen graben sich hier tief in die Täler hinein. Und wie immer auf unserer Reise hält auch die kleinste Ortschaft Überraschungen bereit. In Breiddalsvík, umgeben von bis zu 1200 Meter hohen Bergen, ist es ein kleiner Tante Emma Laden – liebevoll ausgestattet mit einem Café – und einer kleinen Brauerei mit rustikaler Bar. Crafted Beer auch in Island. Das Markenzeichen von Seydisfjördur mit seinen norwegischen Holzbauten ist dagegen die markante blaue Kirche. Ein bunter Pfad weist den Weg und trotzt, wie die bunten Häuserfronten, fröhlich dem wankelmütigen isländischen Wetter, das auch im Sommer mal mit 10 Grad und reichlich Sprühregen daherkommt. Mit Farbe setzen die Isländer überall im Land Zeichen. Kunstobjekte, Streetart oder ein Flamenco Bett, das auf dem Monster-Pfad nahe Egilsstadir plötzlich in einem Wald auftaucht.

Weiter geht’s vom Lagarfljótsee, in dem wie im schottischen Loch Ness ein Seemonster hausen soll und um den sich der wohl größte Wald Islands schmiegt, Richtung Norden. Viel Landschaft, wenig Menschen. Ein Abstecher ins Hochland führt uns über eine Schotterpiste nach Saenautasel. Einzig Schafe sind noch vereinzelt zu sehen bis wir den Grassodenhof, der von 1843 bis 1943 bewohnt wurde und heute Museum und Café ist, erreichen. Hier erwarten uns die köstlichsten Waffeln der Welt, serviert mit Rhabarbermarmelade, Sahne, dampfend heißem Kakao und Kaffee. An den Wänden hängen handgestrickte Islandpullis zum Verkauf. Uns zieht’s weiter. Ins Krafla-Gebiet zum Leirhnjúkur Vulkan. Eine begehbare Mondlandschaft von Lava geformt. Immer noch strömt vereinzelt heißer Dampf aus dem Gestein. In unmittelbarer Nähe rund um den Námafjall ist die Erde orange, immer wieder öffnen sich bläulich brodelnde Schwefelquellen, begleitet vom Gestank fauler Eier. Ein Geruch, der uns – zwar deutlich weniger intensiv – auch beim Besuch der Mývatn-Naturbäder begleitet. Sie macht ihrer großen Schwester – der Blauen Lagune in der Nähe des Flughafen Keflavík – Konkurrenz und verwöhnt mit 40 Grad heißem Geothermalwasser. Und uns mit samtweicher Haut aus dem Becken steigen lässt.

Vorbei am Mývatn, dem viertgrößtem See Islands, erreichen wir Akureyri. Die Stadt des Nordens erstreckt sich entlang Islands längstem Fjord und empfängt uns ausgesprochen herzlich. Nach vielen ampelfreien Kilometern halten wir in Akureyri erstmals wieder vor einer roten Ampel. Die zeigt uns ein rotes Herz. Der Abstecher nach Húsavik beschert uns zwar nicht das erhoffe Wal-Erlebnis, dafür sind wir Islands Papageientauchern endlich ganz nah. Nordisland lässt aber auch das Herz von Pferdeliebhabern höherschlagen. Auf den schier endlos scheinenden Wiesen sind immer wieder Herden zu sehen. Wir wagen einen Ausritt mit Hermann, unserem Gastgeber nahe Saudárkrókur. Querfeldein, vor großartiger Kulisse bevor es uns weiterzieht gen Hvammstangi, dem Sitz des isländischen Robbenzentrums. Während der Fahrt rund um die Halbinsel Vatnsnes sehen wir zahlreiche Robben, bestaunen den Felsen Hvitserkur, der ein versteinerter Troll sein soll, und erleben unberührte menschenleere Natur. Und es wird noch einsamer Richtung Westen. Mit Hólmavik erreichen wir die Westfjorde. Die wohl einsamste Gegend Islands. Schotterpisten statt Asphaltstrecken, dazu grüne Berge, die sich immer wieder neu um die Fjorde erheben. Tatzenförmig ragt die durch Fjorde geformte Halbinsel ins Meer. Wer Ísafjördur erreichen will, braucht Zeit. Entlegene Höfe, teils verlassen, säumen den Weg. Wir steuern Djúpvegur an. Hier stemmt sich das Siedehaus von Saltverk, das zur Salzherstellung eine klimaneutrale Methode aus dem 17. Jahrhundert nutzt, einsam Wind und Wetter entgegen. Ein letzter Abstecher nach Stykkishólmur auf der Halbinsel Smaefellness beschert uns noch einmal viele Highlights Islands in kompakter Form: rauschende Wasserfälle wie der Kirkjufellfoss ebenso wie Hellissandur, die Hauptstadt isländischer Streetart kurz vor dem Snaefellsjökull Nationalpark. Ein schöner Wanderweg führt von Arnarstapi nach Hellnar und auch die meistfotografierte Kirche Islands in Búdir ist einen Stopp wert. Denn wer sich die Mühe macht einige hundert Meter gen Meer zu laufen, steht plötzlich an einem hellen Sandstrand. Eine letzte großartige Wanderung nehmen wir auf dem Rückweg gen Reykjavik mit. Früher galt der der Glymour Wasserfall als der höchste. Heute bietet er Natur- und Wandergenuss pur. Mit einem Ausflug zur Brücke zwischen den Kontinenten verabschieden wir uns von Island. 18 Meter überspannt sie und verbindet in Reykjanesbaer Europa und Nordamerika

DIE GRÖSSTEN GLETSCHER

Vatnajökull – 8.100 km²
Langjökull – 953 km²
Hofsjökull – 925 km²

Von Island nach Grönland

Ob Tagesausflug oder ein mehrtägiger Aufenthalt – wenn man Urlaub in Island macht, lohnt sich ein Ausflug nach Grönland. Nur rund zwei Flugstunden vom Keflavík Airport in Reykjavik entfernt – alternativ kann man auch von Akureyri starten –, lockt die mit 2.175.600 km2 größte Insel der Welt. 85 % der Fläche sind von Eis bedeckt. Da Grönland größtenteils vom Inlandeis bedeckt ist, liegen fast alle Städte und Dörfer an der Küste. Ob auf einer Hundeschlittentour, einer Bootstour zwischen Eisbergen, einer Wanderung durch die grandiose Berglandschaft Grönlands oder ein Besuch des Inlandeises – jeder Ausflug nach Grönland offenbart eine vollständig andere und faszinierende Welt. Bei einer Bootstour in Grönland eröffnet sich eine Welt aus Fjorden, Walen und pittoresken Siedlungen an der Küste. Während einer Hundeschlitten-Tour fliegt man im Tempo der Hunde über den Schnee. Beim Schneeschuhlaufen oder auf Skier bestimmt jeder selbst seinen Rhythmus. Großartige Natur- und Tiererlebnisse – hier leben Eisbären, Buckelwale, Moschusochsen, Walrosse, Rentiere und Seeadler – prägen einen Aufenthalt ebenso wie die Inuit-Kultur.