Einfach draußen sein. In der Natur. Und den ersten Kaffee begleitet von Vogelgezwitscher genießen. Camping ist der Gegenentwurf zum durchgeplanten Pauschalurlaub samt ­all-in­k.-Bändchen. Einfach da bleiben, wo man sich wohlfühlt. Viel frische Luft und ein Hauch von Freiheit. Durchatmen und selbst entscheiden, ob und wann man weiterziehen möchte.

Rund 34,5 Millionen Übernachtungen aus dem In- und Ausland – und damit das fünfte Rekordjahr in Folge – verzeichnete die
deutsche Campingwirtschaft im Jahr 2018.

Dabei ist Camping nicht gleich Camping. Mittlerweile ist (fast) jede Komfortstufe möglich. Zelten, Glamping, mit dem Bulli oder Wohnwagen unterwegs und natürlich die ganz komfortable Variante mit dem Reisemobil. Damit hat man sein rollendes Zuhause gleich dabei – samt Küche und Badezimmer und man muss nicht mit der Zahnbürste im Mund im Waschraum Schlange stehen. Auch ein eigener Herd ist nicht zu verachten. Wer schon mal bei Windstärke 6 versucht hat, Wasser für den Morgenkaffee auf dem Campingkocher zu erhitzen, weiß, wovon ich rede.

Mein erstes Camping-Erlebnis hatte ich als Teenie am Edersee. Da meine Luftmatratze völlig alt und ungeeignet war, lag ich am ersten Morgen nicht wohlig auf der LuMa, sondern platt auf dem Boden. In dem Alter ist das noch nicht so schlimm, aber gut drei Jahrzehnte weiter ist das für den Rücken kein Spaß mehr. Seither ist mit jedem Urlaub der Erfahrungsschatz und das Equipment gewachsen. Ein bisschen nett will man’s ja haben.

Lage ist alles …

Nicht nur bei Immobilien, sondern besonders beim Campen. Vor allem meide ich die parzellierten Plätze, wie man sie früher hatte. Zelt an Zelt und Wohnwagen an Wohnwagen – so bekam Camping auch sein eher piefig-spießiges Image. Ein richtig toller Platz befindet sich auf Amrum. Mitten in den Dünen kann man sein Zelt aufschlagen. Caravans und Reisemobile sind auch willkommen. Ein Naturschutzgebiet mit vielen Seevögeln und der superbreite Strand (bis zur Wasserkante muss man noch ganz schön Strecke machen) sind direkt vor der Haustür – pardon: nur einen Reißverschluss entfernt. Das schöne Dörfchen Wittdün mit Cafés und Restaurants ist nur knapp zwei Kilometer entfernt. Fast noch idyllischer ist der textilfreie Campingplatz im Naturschutzgebiet „Amrumer Dünen“. Aber da muss man FKK schon mögen.

Der Deutschen liebstes Bundesland zum Campen ist übrigens Bayern. Kein Wunder: Alpen, viele schöne Seen, Wanderwege im Bayrischen Wald, Kultur in der Landeshauptstadt München – hier lässt sich eine Menge unternehmen. In Oberbayern direkt am Waginger See – das soll der wärmste in ganz Bayern sein – befindet sich beispielsweise ein großartig gelegener Zeltplatz. Hier kann man auch die Nacht im Fass verbringen. In der Premium-Version finden sogar vier Personen darin Platz.

Im hohen Norden lockt natürlich das Meer. Die Plätze mit Blick aufs Wasser in Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern sind heiß begehrt. Baden, lange Strandspaziergänge, Radtouren, gemütliche Städtchen – alles, was das Herz begehrt.

Wer sich ganz analog inspirieren lassen möchte, der nimmt das Buch „Camping-Glück“ von Björn Staschen zur Hand. Der Camper aus Leidenschaft beschreibt hier 80 außergewöhnliche Plätze in Deutschland – gegliedert nach Bundesländern und Besonderheiten. Er schreibt lebendig und subjektiv über die Besten ihrer Art. Wer immer schon mal wissen wollte, wo es die schönsten Lagerfeuer, die grünsten Zeltwiesen oder die einsamsten Campsites gibt, wird in diesem ansprechenden Camping-Guide fündig. Außerdem führt er die besten Plätze für Schwimmer, Paddler und Kletterer auf. Abgerundet von Empfehlungen für Zeltmöglichkeiten am Meer, in Städten oder für romantische Wochenenden zu zweit. Besonders gut hat mir das Camping-Floß auf der Havel gefallen oder die Möglichkeit, sein Zelt auf einer alten Lotseninsel in Schleimünde aufzuschlagen. Das muss ich unbedingt mal ausprobieren.

Camping oder Glamping?

Echte Naturburschen und -mädels brauchen nur einen schönen Stellplatz und die Natur zum Glück. Okay – gepflegte Waschräume gehören für viele auch dazu. Wer gern ein bisschen mehr Luxus hätte, entscheidet sich für Glamping – glamouröses Camping. Oft bieten Glamping-Plätze auch Übernachtungsmöglichkeiten jenseits des eigenen Zeltes oder Reisemobils. Zum Beispiel richtig große vollausgestattete Zelte mit Teppich, Bett, Sofa und allem drumherum.

Viele Camping-Plätze in Deutschland bieten nicht nur einen Stellplatz, sondern zudem außergewöhnliche Übernachtungsmöglichkeiten an. Nicht nur für Kinder ist eine Nacht im Baumhaus ein Riesenspaß. Oder möchte man vielleicht wie einst der griechische Gott des Weines Dionysos im Fass schlafen? In Schmilau in Schleswig-Holstein gibt’s zum Beispiel ein Eisenbahnhotel, dafür leider keinen Platz für Zelte oder Bullis. Nicht ganz billig, aber dafür ein besonderes Natur-Erlebnis bietet das Baumhaushotel Solling – natürlich mitten im Wald und den raschelnden Baumwipfeln und Vögeln so nah.

Oder man hält es wie die Bienen und übernachtet in Mecklenburg-Vorpommern in überdimensionalen Holzhäusern in Form von Waben. In Brandenburg fährt man mit seinem Camper-Bulli auf ein solides Floß und schippert so den Kanal entlang. Wer etwas Besonderes erleben möchte, kann in Baden-Württemberg einen Schäfer- oder Heidewagen beziehen. Oder man verbringt seinen Urlaub im Zirkuswagen oder im Tipi.

Camping ist …
… einfach total ungezwungen und flexibel. Man kann immer losfahren, wenn einem gerade danach ist. Und zwar ohne große Planung und Koffer packen, schließlich ist das Wohnmobil stets mit den wichtigsten Dingen ausgestattet und einsatzbereit.

Beate & Thorsten Schrutek

Philosophie oder Trend?

Für viele ist es eine Glaubenssache: Nichts geht über einen Urlaub im Zelt oder Reisemobil. Neben den eingefleischten Campern kommen in letzter Zeit immer mehr Menschen auf den Geschmack. Wollen näher an der Natur sein. Hinzu kommt, dass sich das Reiseverhalten der Deutschen spätestens seit den Terroranschlägen am 9. September 2001 verändert hat. Ein Unbehagen beim Reisen in ferne Länder fliegt seither mit. Dazu die Sorge: Wie sicher sind die Urlaubsländer Bali, Tunesien und Co. überhaupt noch? Kann oder sollte man derzeit in die USA oder nach Istanbul fliegen?

Dann lieber Koffer und Zelt ins Auto oder ein Reisemobil mieten und ab in die Berge oder ans Meer.
Dass Campen nicht nur ein kurzlebiger Trend ist, belegen auch die Zahlen. Rund 34,5 Millionen Übernachtungen aus dem In- und Ausland – und damit das fünfte Rekordjahr in Folge – verzeichnete die deutsche Campingwirtschaft im Jahr 2018 nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Von 2008 bis 2018 bedeutete das ein Gesamtwachstum von 50 Prozent. Die Zahl der Übernachtungen stieg von 23 Mio. auf jetzt 34,5 Mio. an, schreibt der Bundesverband der Campingwirtschaft in Deutschland (BVCD).
Nicht zuletzt die Fantasie der Campingplatz-Betreiber sorgt für Abwechslung und wunderbare Ferien. Zelt, Bulli, Wohnmobil, Übernachten im Weinfass oder in den Wipfeln eines Baumhauses – für jeden etwas dabei ist.

Zelte lieber ungewöhnlich

Camping ist ein weites Feld: vom einfachen Ein-Mann/Frau-Zelt bis zum absolut luxuriösen Reisemobil. Hier reicht die Spanne tatsächlich von bis. Und wer Sorge hat, sein Zelt nicht mehr wiederzufinden, der wählt am besten ungewöhnliche Varianten. Die sind zum Teil echte Hingucker, aber natürlich nichts für Profis oder längere Urlaube. Aber schon schick ist das Zelt, das aussieht wie der gute, alte VW-Bulli. Die Älteren unter uns erinnern sich – damit waren früher die Hippies unterwegs. Auch die Schweizer stellen mit Funnytents ihren Humor unter Beweis: Zelte als Käse oder in Abbildung einer Schweizer Alpenlandschaft. Das können die Briten schon längst.

FieldCandy bietet unterschiedlichste Designs: Schafe oder Opas Blockhütte. Ein Spielzelt für Kids kommt als authentisches Zirkuszelt daher. Und für Regentage gibt’s auch gleich den passenden Poncho, der seinen Träger in eine wandernde Wassermelone verwandelt. Und wer es so richtig exklusiv und außergewöhnlich mag, der guckt mal bei den Franzosen – insbesondere bei Bubble Tree. Die Bubbles sind entweder komplett transparent oder ein dezent-weißer Sichtschutz an den Wänden sorgt für Privatsphäre. Die vom französischen Designer Pierre-Stéphane Dumas entwickelten Bubbles sollen für den Öko-Tourismus geeignet sein. Denn sie können überall aufgebaut werden und verursachen angeblich keine Veränderungen oder Schäden in der Natur. Bubble Hotels in Deutschland und dem benachbarten Ausland bieten Übernachtungen in der exklusiven Blase an. Das ist allerdings nicht ganz preiswert, aber auf jeden Fall etwas ganz Besonderes. Es geht selbstverständlich deutlich günstiger: Minimalisten oder Wanderer, bei denen es auf jedes Gramm Gepäckgewicht ankommt, wählen die Variante Schlafsack und Zelt in einem. Für Radfahrer gibt es die praktische Variante, das Zelt mit Lenker und Sattel zu verbinden. So ist man wirklich ganz nah dran an der Natur.

Vielleicht ist Campen nicht allein die Suche nach Freiheit und Abenteuer, sondern ein Gegenentwurf zu der Mentalität „alles, jetzt und sofort“. Denn wer mit Zelt und Gas-Kocher unterwegs ist, der weiß, dass die Zubereitung einer Tasse Kaffee, wir erinnern uns: Windstärke 6, auch mal etwas dauern kann.

Über die Autorin:
Nach einem komplett verregneten zehntägigen Norwegen-Urlaub
im winzigen Zwei-Mann-Zelt ist Eike Birck überzeugte Schön-Wetter-Camperin – vorzugsweise in Südafrika oder Australien.