Dr. Christine Biermann hat gemeinsam mit Eva Hartog vor über 20 Jahren die Stolpersteine nach Bielefeld geholt. „Im Mai dieses Jahres konnten wir auf 20 Jahre Stolpersteinverlegungen in Bielefeld zurückblicken, die ersten Steine sind im Mai 2005 verlegt worden“, sagt die 1. Vorsitzende der Stolperstein-Initiative Bielefeld e.V.

Inzwischen liegen in Bielefeld 300 Steine. Am 17. Juni wurde der 300. verlegt. Ein weiterer Stolperstein gegen das Vergessen. Zum Gedenken an die Menschen, die Opfer des Naziregimes wurden. Zu finden sind die Stolpersteine vor den letzten, freiwillig gewählten Wohnorten der Ermordeten oder Deportierten. Die Wurzeln des Projekts reichen in die 1990er Jahre zurück, initiiert von dem Berliner Künstler Gunter Demnig. Heute sind die 10 x 10 x 10 cm großen Betonwürfeln mit glänzender Oberfläche, mit denen er die Erinnerung an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft lebendig halten möchte, in über 30 europäischen Ländern zu finden.
„Es sind mittlerweile 130.000 Steine“, weiß Christine Biermann. Unter der Überschrift „HIER WOHNTE“ erinnern sie namentlich an die Menschen, die Widerstand leisteten: jüdische Mitbürger*innen, Mitglieder von Gewerkschaften und politischen Parteien, religiös Verfolgte, Homosexuelle oder einfach nur mutige Menschen. „Möglich wurde dies durch einen einstimmig verabschiedeten Antrag durch den Rat der Stadt am 27. Januar 2005“, erinnert sich Christine Biermann zurück. In Städten wie Berlin, Hamburg, Köln und Münster war sie auf Stolpersteine aufmerksam geworden. „In Bielefeld haben wir dann die Graswurzelarbeit geleistet, um im öffentlichen Grund auch Stolpersteine verlegen zu dürfen.“ Die Erinnerung wach zu halten, ist für die engagierte Bielefelderin und ihre Mitstreiter*innen Antrieb und Motivation. „Die ersten Bielefelder Stolpersteine waren das Geschenk zu meinem 50. Auch nach 20 Jahren macht das Thema etwas mit mir. Es ist immer eine emotionale Auseinandersetzung“, unterstreicht die heute 70-Jährige.
Um neben den Namen, Hintergründe zu den Menschen und ihren Biografien zu recherchieren, arbeitet der Verein eng mit dem Bielefelder Stadtarchiv zusammen und greift auf diverse Online-Archive zurück. „Uns ist es wichtig über die Stolpersteine die Orte und die damit verknüpften Schicksalen sichtbar zu machen, aber auch junge Menschen in die Erinnerungskultur einzubeziehen“, betont Christine Biermann, die viele Jahre an der Laborschule unterrichtete. Inzwischen pflegt die Initiative mit zehn Bielefelder Schulen Kooperationen. Selbsttätig zu werden, vorhandenes Wissen in einen Kontext zu stellen – auch mit Blick auf Täter*innen – ist aus Sicht der Pädagogin entscheidend, um Bezüge zum Hier und Jetzt herstellen zu können.
Die unterschiedlichen Aktionen rund um die Stolpersteine – von der Recherche, den Vorbereitungen für die Verlegungen über die Schulkooperationen bis hin zu Putzeinsätzen – koordinieren fünf Frauen aus dem inneren Kreis. Im Dezember steht für Christine Biermann, Eva Hartog, Gabi Hillner, Helga Kübler und Christiane Wauschkuhn die letzte Verlegung für 2025 an. Ein Anlass, der auch Gunter Demnig wieder nach Bielefeld holt. www.stolpersteine-bielefeld.de
Tipp
Ein Rundgang zu den Stolpersteinen im Bielefelder Westen findet am 25.9., 16-17:30 Uhr statt. Treffpunkt: Goldbach 16. Anmeldung: christine.biermann@uni-bielefeld.de, Eintritt frei
Buchtipp
Stolpersteine für Sinti in Bielefeld
Die Stolperstein-Initiative Bielefeld e.V. erinnert in dem im März 2025 erschienenem Buch (erhältlich in der Buchhandlung Eulenspiegel + Stadtarchiv, 12 €) an die „Opfergruppe“ der Sinti (und Roma). Prof. Dr. Bogdal beschreibt in einem Beitrag ihre jahrhundertelange Verfolgung und Diskriminierung.
Redaktion: Jupp Asdonk, Christine Biermann, Helmut Henschel, Uwe Horst, Gisela Wäschle und Gabriele Weissenborn