Ein Kinomuseum für Bielefeld

Einen Film könnten wir alle drei im Schlaf einlegen“, lacht Michael Wiegert-Wegener. „Frank Bell und ich haben schon als Kinder mit einem Tonbandgerät Hörspiele aufgenommen. Als Schüler durften wir bei Carl Aul, dem Gründer der Kamera, als Aushilfs-Filmvorführer arbeiten. Auch Holger Schettler hat dort später das Kamera-Virus abbekommen.“ Ihre Begeisterung für Filmkunst und -technik mündet jetzt in einem eigenen Museum. Voraussichtlich am 17. Januar soll das MuMa-Forum eröffnet werden.

Als wir uns Anfang Dezember in der ehemaligen Lagerhalle in Bielefeld-Hillegossen treffen, ist vieles noch im Aufbau. Doch bei einer Führung entsteht bereits eine Ahnung vom zukünftigen Museum. Das soll nicht nur ein Ort des Lernens und Erlebens, sondern auch der Kommunikation und des Austausches werden. Deshalb schließen sich an den Eingangsbereich ein kleines Café und ein Forum für Seminare und Vorträge an. „Es ist uns ganz wichtig, unser Wissen weiterzuvermitteln“, unterstreicht Michael Wiegert-Wegener. „Zukünftig sollen Studierende hier am Filmtisch schneiden und Schulklassen einen kleinen Trickfilm drehen können.“ Überhaupt werden die BesucherInnen vieles ausprobieren dürfen.
Wie groß seine eigene Faszination für und Kenntnis von Filmtechnik ist, wird beim Rundgang immer wieder deutlich. Zu jedem bereits aufgestellten historischen Filmprojektor kann der Filmenthusiast eine technische Besonderheit erklären. Wer sich dafür ebenso begeistert, wird in dem Schauarchiv viele interessante technische Objekte und historische Dokumente von und aus Filmproduktionen und Lichtspieltheatern finden. Jetzt geht es aber erst einmal links in die geplante Dauerausstellung. Noch im Entstehen begriffen, ist bereits sichtbar, wem sie gewidmet ist: den beiden Museums-Namensgebern Murnau und Massolle. „Zu beiden werden neben den Bildtafeln interaktive Bildschirme aufgebaut“, erklärt Michael Wiegert-Wegener. „Es gibt Vitrinen mit Originalstücken aus den 20er Jahren und wir machen Techniken wie Murnaus ‚entfesselte Kamera‘ erfahrbar. Überhaupt ist es unser Anliegen, die untrennbare Bedeutung der beiden Disziplinen Filmkunst und -technik füreinander erlebbar zu machen.“
Übrigens auch in Form von Filmen, die in dem kleinen Kinosaal laufen sollen. Was zu der etwas unfairen Frage nach seinem Lieblingsfilm von Murnau überleitet. „Das ist fies“, sagt der Bielefelder schmunzelnd. „‘Der letzte Mann‘ ist aufgrund seiner kreativen Bildgestaltung großartig. Und ‚Nosferatu‘ ist ein maßgebliches Vorbild für viele Dracula-Filme bis hin zu Polanski.“ Klares Fazit: am besten alle anschauen.

Vorher aber noch einen Schwenk nach rechts wagen, wo wechselnde Sonderausstellungen geplant sind. Die erste holt die Schau „Die große Illusion“ aus dem Historischen Museum nach, die aufgrund der Pandemie nur kurz geöffnet war. Sie erzählt Bielefelder Kinogeschichte(n) aus 125 Jahren. Eine echte Kinohochburg war Bielefeld übrigens in den 50ern. „Dass damals etwa Gary Cooper hier war, um ‚12 Uhr mittags‘ vorzustellen, ist so, als käme heute George Clooney, um einen Film zu promoten“, unterstreicht Michael Wiegert-Wegener. „Die große Illusion“ ist aber mehr als die erste Sonderausstellung, sie war auch die Initialzündung für die Gründung des MuMa-Forums. Und das darf sich zur Eröffnung mit Gästen wie Dieter Kosslick und Volker Schlöndorff ebenfalls auf hohen Besuch freuen.

HINTERGRUND

Die Wurzeln der 2015 gegründeten Stiftung Tri-Ergon Filmwerk – bestehend aus Frank Bell, Dennis Blomeyer, Dr. Holger Schettler und Michael Wiegert-Wegner – liegen in der jahrzehntelangen Sammlungstätigkeit von Frank Bell. Seit Stiftungsgründung konzentriert sich die Sammlung gezielt auf den Erhalt von film-, kino- und tontechnischen Geräten sowie Film-, Ton- und Bildmaterial mit Bezug zu Bielefeld und OWL. Daraus erklärt sich, warum das privat betriebene Museum unter anderem vom Heimat Ministerium NRW gefördert wird. Neben dem starken lokalen Bezug sind Murnau und Massolle aber auch international bekannt.

MURNAU & MASSOLLE

Stummfilmregisseur Friedrich Wilhelm Murnau hat dem Medium Film aus künstlerischer Sicht komplett neue dramaturgische Impulse gegeben und es so bis in die heutige Zeit geprägt. Der Techniker Joseph Massolle hingegen schuf das erste serienreife Tonfilmverfahren, wodurch auch er die Filmwelt für immer verändert hat. Somit sind diese beiden einmaligen Persönlichkeiten der Filmgeschichte ein absolutes Alleinstellungsmerkmal für die Stadt Bielefeld und ihre Kunst- und Kulturgeschichte.