GAR NICHT STILL

Schon beim ersten Lockdown im Frühjahr 2020 wollten viele Kulturschaffende nicht einfach ihre Türen schließen. Sie haben Konzerte gestreamt, Theaterstücke online gestellt oder zu virtuellen Museumsführungen geladen. Mit dem zweiten Lockdown Ende des Jahres hat sich die Lage einerseits verschärft. Andererseits haben die Akteur*innen sich professionalisiert, neue digitale Formate entwickelt und Netzwerke geknüpft. Auch in Bielefeld gibt es engagierte Projekte und Initiativen, die auf die schwierige Lage der Kultur- und Veranstaltungsbranche aufmerksam machen und trotz aller Einschränkungen Kulturerlebnisse ermöglichen.

KULTURGESICHTER0521

Ob unter der Vorwahl auch in Zukunft noch Musiker, Kon zertveranstalter oder Clubbetreiber in Bielefeld erreichbar sind? „Ohne uns ist’s still.“ Mit diesem Hashtag bringt die Aktion „Kulturgesichter0521“ auf den Punkt, was auch in Bielefeld droht, wenn die prekäre Lage der Kultur- und Veranstaltungsbranche weiter anhält. Das Besondere an der deutschlandweiten Initiative: Sie stellt die Menschen in den Vordergrund, die der Lockdown besonders hart trifft.

Kulturgesichter eben, die normalerweise zu der herrlich lebendigen, diversen und offenen Kulturszene Bielefelds beitragen. Zu ihnen gehören Agenturen, Locations, Musiker*innen, DJs, Bühnentechnikerinnen, Fotografinnen, Thekenkräfte, Cateringunternehmen und viele, viele mehr, die hinter den Shows, Konzerten, Partys, Clubs und Veranstaltungen in der Stadt stehen. In Bielefeld haben sich Ende des Jahres drei Initiatoren zusammengetan, um ehrenamtlich und mit viel Engagement auf die Lage all dieser Menschen aufmerksam zu machen.

Im Dezember haben Provisuell, die Stratmann Event GmbH & Co. KG sowie der BIELEFELDER – Das Magazin für Stadtmenschen einen ersten Fototermin organsiert. „Die Resonanz war riesig“, freut sich Sandra Koch von Stratmann Event. Schon beim ersten, natürlich Corona-konformen Fototermin haben über 60 Bielefelder*innen teilgenommen. Entstanden sind starke s/w-Fotos, die auf der Website und Social Media sowie demnächst auch auf Plakaten und Postkarten zu sehen sind. Als Sponsoren machen sich die Volksbank Bielefeld-Gütersloh und die Bielefeld Marketi ng stark. Unterstützer sind Lokschuppen, Neue Westf älische sowie Fotograf Dennis Daletzki – weitere Unterstützer sind willkommen. „Wir wollen und müssen den betroff enen Existenzen ein Gesicht geben, denn wir sind keine anonyme Branche“, unterstreichen die Initiatoren im Namen all der Kulturgesichter der Stadt. „Wir sind die Menschen, denen niemand sagen kann, wann es für sie wieder weitergeht. Wir sind Bielefelder und wir zeigen unsere Gesichter, um das Ausmaß dieser Krise sichtbar zu machen. Wir sind nur ein Bruchteil der Personen, die in der Bielefelder Kultur- und Veranstaltungsbranche, vor und hinter den Kulissen, tätig sind. Aber jedes Gesicht ist ein einzelnes Schicksal und steht stellvertretend für viele Betroffene.“ Ohne ausreichende Unterstützung, ohne Planungssicherheit für zukünftige Veranstaltungen und somit die weitere berufliche Zukunft in der Veranstaltungsbranche, könnte es nicht nur in Bielefeld bald ganz schön still werden. 0521? Kein Anschluss unter dieser Nummer.


www.kulturgesichter0521.de

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Kapitän Plattes Lokalrunde

Frei nach dem Motto „Was tun, wenn’s brennt?“ hat das Bielefelder Label Kapitän Platt e in den letzten Monaten überlegt, wie es die brachliegende lokale Kulturszene während der Corona-Krise unterstützen kann. Herausgekommen ist eine Benefi z-Vinyl-Compilati on. „Kapitän Platt es Lokalrunde“ vereint neun Bielefelder Bands und gibt einen Überblick über die alternative Musikszene der Stadt. Dank der Förderung durch das Bielefelder Kulturamt können alle Einnahmen direkt an die vier Live-Clubs weitergegeben werden, die Kapitän Platte in den letzten Jahren immer wieder bei der Durchführung von Konzerten unterstützt haben: Bunker Ulmenwall, Forum Bielefeld, Movie Live Club und Nr.z.P. www.kapitaen-platte.de

KULTURCOOKIES.DE

„Ein Leben ohne Kultur ist undenkbar. Wenn die lebendige Kulturszene wegbräche, wäre das eine gesellschaftliche Katastrophe“, unterstreicht Dirk Rehlmeyer. Auch die direkte Interaktion zwischen Künstler*innen und Publikum ist für den Geschäftsführer von Kanal 21 durch nichts zu ersetzen. Zugleich ist der Bielefelder überzeugt, dass die Corona-Pandemie eine Entwicklung zu digitalen und hybriden Kunstformen angestoßen hat, die uns noch lange begleiten wird. So ist auch die Plattform Kulturcookies.de entstanden, die im Dezember an den Start gegangen ist.

Wenn die Menschen nicht zur Kultur kommen dürfen, dann kommt die Kultur eben zu den Menschen. So lässt sich die Idee der Kulturcookies auf den Punkt bringen. Sie liefern Veranstaltungen für wirklich jede Zielgruppe – von Klein bis Groß, vom Jazzliebhaber bis zum Comedy-Fan – direkt ins heimische Wohnzimmer. Seit Anfang Dezember haben Bielefelder Künstler*nnen wie Heinz Flott mann, die Leptophonics, Rondiva, Bulli Grundmann und die Stereotypen regelmäßig kulturelle Leckerbissen serviert. Ganz Corona-konform als Video oder Live-Stream. In diesem Jahr wird es weitergehen, perspekti visch auch in Form von Hybrid-Veranstaltungen, also live und online.

Hinter der Idee der Kulturcookies steckt die im Spätsommer ins Leben gerufene Initi ati ve „Bielefeld ist Back on Stage“. Und hier kommt wieder der Kanal 21 ins Spiel. Er zählte zu den ersten, die im Frühjahr 2020 Konzerte live gestreamt haben. Aufgrund der bereits vor Corona regelmäßig ausgestrahlten Fernsehkonzerte verfügte der Kanal 21 ganz einfach über das nötige Know-how und technische Equipment. Gemeinsam mit MSS-Audio entstand im Sommer dann die Idee einer Open-Air-Bühne, um wieder Live-Publikum zu ermöglichen. „Die Musikerinnen waren total dankbar, im professionellen Setting mit vernünft iger Tonqualität auft reten zu können“, erinnert sich Dirk Rehlmeyer. Der Grundstein für ein noch größeres Netzwerk aus Partnern und Sponsoren wie der Sparkasse, Beckmann & Partner CONSULT und Sven Stock von Free2move sowie Kulturschaff enden wie Frieda Wieczorek, vom Bunker Ulmenwall war gelegt. Alle zusammen haben die Kulturcookies entwickelt. Eine großarti ge Idee, aber nur ein Baustein von vielen, um die Kultur- und Veranstaltungsbranche langfristi g zu rett en. „Ein zentrales Thema ist, wie es gelingen kann, der Kultur im Internet einen Wert zu verschaff en“, so Dirk Rehlmeyer. „Noch gibt es keine Bezahlmodelle, aber Künstlerinnen müssen auch mit Streaming Geld verdienen.“ Einen Wunsch an die Politik hätt e er außerdem: eine staatliche Grundsicherung für alle Kulturschaff enden.
www.kulturcookies.de

Digitale KulturBar

„Kultur ist ein Lebenselexier für unsere Stadt“, davon ist Johanna Trockels vom Kulturamt überzeugt. „In diesen Zeiten ist es umso wichtiger, in die Zukunft zu schauen und gute Grundlagen für eine lebendige und starke Kulturszene in Bielefeld zu entwickeln.“ Zum Auftakt der 2. Kulturentwicklungsplanung sind daher alle Kulturinteressierten eingeladen, ihre Ideen, Themen und Anregungen in der „Digitalen KulturBar“ einzubringen und mit anderen Akteuren zu diskuti eren. Gesucht sind Ideen für die Kulturstadt von morgen!

Wann? Ab sofort bis 31. Januar 2021

Wo? www.bielefeld.de/KulturBar