Kristina Hennig-Fast

„Nichts ist so beständig wie der Wandel.“ Der griechische Philosoph Heraklit wird oft und gern zitiert, wenn es um das Thema Veränderung geht. Schließlich ist dieser Prozess des Wandels allgegenwärtig und fester Bestandteil allen Lebens. Mit Dr. phil. habil. Dr. rer. nat. Dipl.-Psych. Kristina Hennig-Fast vom Universitätsklinikum OWL der Universität Bielefeld, Ev. Klinikum Bethel, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie haben wir darüber gesprochen, warum Veränderung manchmal schwerfällt.

Manchen fällt es leichter als anderen, Veränderung zuzulassen. Denn Veränderung heißt loslassen. Aber sie ist auch immer der Beginn von etwas Neuem. Das Bedürfnis nach Veränderung ist bei jedem Menschen unterschiedlich im Rahmen der Grundpersönlichkeit ausgeprägt. Die einen sind „abenteuerlustig“ und offen für neue Erfahrungen, andere tendieren zu Sicherheit und Stabilität und streben danach, Bekanntes aufrechtzuerhalten. „Es gibt aber auch situative Faktoren und Belastungen, die Veränderungen dringlicher machen. So wie die Corona-Pandemi, die viele sowohl beruflich als auch privat zu Veränderungen gezwungen hat. Von der Arbeit im Homeoffice bis hin zum Aufschub geplanter Reisen“, erklärt Kristina Hennig-Fast.

Auch neue Lebensbedingungen können Einfluss auf den Wunsch nach Veränderung haben, wie z. B. eine neue Liebe oder ein beruflicher Wechsel. Situative Faktoren und neue Lebensbedingungen sind oft von starken Gefühlen, wie z. B. Angst, Sehnsucht, Stolz begleitet, die bei dem Wunsch nach Wandel ebenfalls eine Rolle spielen und mit Unterschieden in der Persönlichkeit zusammenwirken. Sowohl äußere Bedingungen als auch innere Bedürfnisse beeinflussen also den „Wunsch“ oder den „Bedarf“ nach Veränderung. Dieser
Wechsel oder Neustart lässt sich entweder aktiv gestalten oder er wird im ungünstigen Fall durch äußere Einflüsse erzwungen. „Und er kann, abhängig davon, ob es einen mehr oder einen weniger veränderungsoffenen Menschen betrifft, auch hemmend wirken“, weiß die Psychologische Psychotherapeutin und Klinische Neuropsychologin.

Es gibt auch situative Hürden, dort wo Veränderung erst einmal viel zu „kosten“ scheint. Zum Beispiel beim Thema Klimawandel fällt es vielen Menschen schwer, auf ihr Auto, auf ihre bisherigen Wohlstandsgüter zu verzichten und ihr Leben umzustellen. „Vielfach sind es dann die persönlichen übergeordneten Werte und bessere Bedingungen , die uns beflügeln, den Schritt der Veränderung zu gehen“, stellt Kristina Hennig-Fast fest. „Neben Werten und Gefühlen, die uns motivieren, an der bisherigen Situation etwas zu ändern, sind Einsichten, die auf Wissen und Fakten basieren, hilfreich, um Veränderung anzustoßen. Das Wissen um die Risiken des Klimawandels spielt eine Rolle, um das tatsächliche Verhalten zu ändern“, so Kristina Hennig-Fast.

„Ob wir Veränderung als für uns kontrolllos oder kontrollierbar erleben, spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle. Die Frage´danach, was Veränderung mit sich bringt, ist dann hilfreich.“

Kristina Hennig-Fast

Informationen und Fakten sind aus ihrer Sicht ein weiterer Baustein für die Bereitschaft zur Veränderung. Doch manchmal entstehen neue Fakten und Veränderungsnotwendigkeiten quasi über Nacht und kommen mit ungeahntem Tempo daher, so wie der Krieg in der Ukraine. „Ob wir Veränderung als für uns kontrolllos oder kontrollierbar erleben, spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle“, weiß Kristina Hennig-Fast. „Die Frage danach, was Veränderung mit sich bringt, ist dann hilfreich.“ Gerade für Menschen, die nach mehr Sicherheit streben, ist der Prozess der Veränderung weniger schwierig, wenn die Folgen und Konsequenzen greifbar, definierbar und transparent sind. „Und so ist es für viele angesichts der Energiekrise zum Beispiel einfacher, kleine Veränderungen umzusetzen und den eigenen Verbrauch zu reduzieren“, erklärt Kristina Hennig-Fast. Aber auch biografisch geprägte Persönlichkeitsfaktoren beeinflussen die Bereitschaft zur Veränderung. Sogenannte Sensation Seeker suchen z. B. immer wieder starke Gefühle, Abenteuer und versuchen Langeweile zu vermeiden. Sie suchen und brauchen Veränderung und finden darin ihr ideales Erregungslevel.

„Im Gegensatz dazu erleben zum Beispiel traumatisierte Menschen Veränderungen viel stressreicher und das Gefühl der Kontrolllosigkeit führt bei ihnen zu handlungsblockierender Panik“, stellt Kristina Hennig-Fast Unterschiede heraus. „Eine sichere Ausgangsbasis durch Wissen und Erfahrung ist beim Veränderungsprozess förderlich, denn sie führen zu einem erhöhten Erleben von Selbstwirksamkeit. Ganz nach dem Motto: Ich bin die Steuerfrau oder der Steuermann meines Lebens, auch bei Veränderungen.“ Menschen, die ihre Umwelt als Kind als nicht steuer- und regulierbar erlebt haben, empfinden Veränderungsprozesse dagegen oft als schwierig und verunsichernd und reagieren hilflos. „Allerdings reagieren auch gesunde Menschen mit Stresssymptomen wie Hilflosigkeit und Panik, wenn sie überfordert sind“, weiß Kristina Hennig-Fast.

„Da hilft das Aufzeigen von Chancen und die Vermittlung von Wissen, um konstruktiv agieren zu können.“ Gleichzeitig brauchen Menschen in solchen Situationen Erholungsphasen, um neue Kraft und Energie zu gewinnen. Und natürlich lernt man aus Krisen, die man bewältigt hat. „Positive Erfahrungen der Bewältigung von Veränderungen oder Neuanfängen machen einen resilienter. Allerdings können auch Menschen, die schon viele Krisen durchlebt haben, neue Krisen trotzdem als krisenhaft erfahren, nämlich dann, wenn die Veränderung schlicht und einfach zu stark ist und zu viel fordert“, erklärt die Bielefelder Psychologin. „Ob persönlich, familiär oder beruflich – Veränderungen lassen sich besser bewältigen, wenn man weiß, dass ein Neuanfang möglich ist.“

Aus psychologischer Sicht geht mit einem „Neuanfang“ auch ein sogenannter Annäherungs-Vermeidungs-Konflikt einher. „Der Konflikt entsteht, wenn sowohl positive als negative Aspekte mit einer Veränderung verknüpft sind. Daher sitzen viele Menschen Veränderungen, auch wenn sie gewünscht sind, aus und gehen nicht in den Prozess. „Am Ende steht dann gegebenenfalls Stagnation“, sagt Kristina Hennig-Fast und hat gleich ein Beispiel parat. So gerät der Wunsch beruflich ins Ausland zu gehen, je mehr man sich diesem Gedanken und Prozess annähert, zu einem immer größer werdenden Konflikt, wenn Ängste vor dem Fremden und Neuen größer werden und das Verlusterleben sich erhöht.

Darüber hinaus bestimmen durch Erfahrung erworbene Schemata, die unsere Werte und Grundannahmen ausmachen, wie gut sich Neues in vorhandene Schemata integrieren lässt. Das heißt, inwiefern Veränderung sich assimilieren lässt. Oder ob wir unsere erfahrungsbasierten Schemata verändern müssen, um Veränderung und Neues integrierbar zu machen. Dann müssen wir unsere Schemata aktiv verändern und adaptieren. „Letzteres ist viel schwerer und gelingt oftmals nur durch die Annährung in kleinen Schritten und die Setzung von Teilzielen“, macht die Psychologin deutlich, die auf dem Weg in und durch die Veränderung auf Einsicht, Information und praktische Umsetzungsplanung setzt, um diese bewältigen zu können.

Ein erzwungener Neuanfang, der nicht auf einer autonomen Entscheidung fußt, ist viel schwererieriger als eine freiwillige Veränderung, die einsichtsbasiert ist und deren notwendige Maßnahmen mir gut bekannt sind, da im Zweifel Grundbedürfnisse wie Autonomie oder Sicherheit gefährdet und die konkrete Zukunft nicht planbar erscheint. „Umso wichtiger sind die eigenen Ressourcen und der Support, den man aus der Familie und der Gesellschaft erfährt“, resümiert Kristina Hennig-Fast.