Gedanken von Raphaela Kula

„Have a look in times of corona“: Das künstlerische Nachbarschaftsprojekt läuft jetzt schon seit Mitte März, mehrere Haushalte aus dem Viertel um den Langen Kampe herum sind beteiligt, halten Alltagssituationen fest oder einfach das, was ihnen vielleicht gerade Freude macht. Corona bringt alles durcheinander, das tägliche Leben ist deutlich eingeschränkt für einige Menschen. Was machen die Nachbarn, wie sieht der Tag für die Kinder aus? Wie fühlt sich z. B. Ramadan an, wenn auch da alles Gemeinschaftliche wegfallen muss?

Raphaela Kula bittet die Beteiligten, Gedanken oder Erlebtes festzuhalten, als Skizze, Text, Foto, Malerei … Später, nach Corona, wenn zwischenmenschliche direkte Kontakte wieder möglich sind, dann wird zusammen geschaut, ausgewertet bearbeitet. Aber bis es soweit ist, macht die Bielefelder Künstlerin Besuche am Fenster, schaut sich Entstandenes an, bringt benötigtes Material vorbei. So war in zwei Haushalten doch tatsächlich das schöne Skizzenpapier schnell aufgebraucht. Fenstergespräche, Telefongespräche, kein wirklicher Ersatz für das Gemeinsame, denn alles natürlich mit Abstand, sicher.

Trotz Corona beginnt die kleine Schwester, gerade ein Jahr alt mit dem Laufen, die größere Schwester verliert den Wackelzahn, ein kleiner Junge lernt das Radfahren, eine Familie sucht weiter eine größere Wohnmöglichkeit. Alles passiert so wie immer, aber ist doch so anders, denn alle Erfahrungen finden relativ isoliert statt, weder die Freude noch Trauer lassen sich wirklich teilen, auch nicht die Sorgen. „Wenn jetzt alles wieder normal losgeht, dann war doch unser Opfer umsonst“, befürchtet ein Teenager, die mit vielen Geschwistern schon so lange zuhause ist. Und einer anderen ist so langweilig: „Ich kann gar nicht mehr denken, mir fällt nichts mehr ein!“ „Dann schreib doch einfach mal den Satz: „Mir ist langweilig, so wie du denkst, wie das aussehen muss.“ Erstaunlicherweise sofort freudige Aktivität. Die Erwachsenen machen sich natürlich noch mehr Sorgen, wie alles weitergehen soll, was noch passieren wird. Eine nimmt sich vor in der nach Corona-Zeit solidarischer zu leben, denn sie denkt und fühlt sich in der momentanen Situation im Verhältnis zu anderen deutlich privilegiert, eine andere igelt sich noch mehr ein. Durch das Projekt sind alle doch ein wenig verbunden und die Neugier auf die Fotos auf den Digitalkameras wächst, das fühlt sich an, wie eine spannenden Wundertüte, die noch weiter gefüllt wird. Wir warten weiterhin ab, waschen uns die Hände, tragen die Maske und freuen uns auf die zukünftige direkte Begegnung …

zur Erläuterung: An die Beteiligten aus der Nachbarschaft hat die Bielefelderin Künstlerin Raphaela Kula schon im März (natürlich sicher) Taschen mit Skizzenbuch, Stiften, Zeichenmaterial und einer Digitalkamera verteilt und ist seitdem auch via Telefon in Kontakt. „Ich möchte die Kinder, Jugendlichen, Erwachsenen, die jetzt sehr beengt und eingeschränkt leben, ermutigen und den Kontakt pflegen. So schaffen wir etwas zusammen, solange das strandprojekt geschlossen ist, das ist spannend und schön! Das, was wir sammeln, können wir später gemeinsam bearbeiten und stellen das dann im Juli/August in der Rathausgalerie aus.“ Raphaela Kula resümiert: „Ich mag nicht nichts tun und verstehe ein gemeinsames Projekt als solidarisches Miteinander.“

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