Ja, ist denn schon wieder Weihnachten? Noch nicht ganz, aber sehr bald. Zeit für ein paar Geschenke-Tipps.

Ferdinand von Schirach – Der stille Freund
Luchterhand, 22 €
Literatur kann so spannend sein. Davon zeugen die Geschichten, die der Erzählband „Der stille Freund“ vereint. Meisterhaft schreibt Ferdinand von Schirach von Begegnungen, die in aller Welt stattfinden, aber alles andere als Allerweltsgeschichten sind. Sie graben sich tief ins Gedächtnis ein. Mit vordergründiger Leichtigkeit, ohne überflüssiges Beiwerk, bringt von Schirach das auf den Punkt, was er sagen will. Es geht um zutiefst menschliche Regungen, um Erfolge und um das Scheitern. Wie der Zufall Schicksal spielen kann und darum, wie verletzlich das Sein ist.
Es geht um Gewissheiten, die plötzlich keine mehr sind. Die überraschenden Wendungen, die den meisten Geschichten innewohnen, bringen zum Nachdenken. (E.B.)
Yrsa Sigurdardóttir – Blut
btb, 18 €
Die Arbeit auf den Fisch-Trawlern vor der Küste Islands ist hart. Dennoch jubiliert Gunndís, als sie ganz kurzfristig als Aushilfsköchin engagiert wird. Doch an Bord schlägt ihr eine eisige Stimmung entgegen. Gunndís ist davon überzeugt, dass jemand aus der Besatzung Rache üben will. Denn ihr Vater gilt als Schuldiger eines verheerenden Schiffsunglücks mit mehreren Toten. Viele Seeleute haben damals ein Familienmitglied verloren. Doch dann macht Gunndís eine Entdeckung, die alles auf dem Kopf stellt. Ihr Vater war in der Unglücksnacht gar nicht an Bord. Aber wo war er? Und wo ist er jetzt?

Auch wenn das Verknüpfen aller loser Enden zum Schluss gelingt, wirkt das ein wenig zu gewollt. Nichtsdestotrotz ist der isländischen Bestseller-Autorin wieder ein absolut lesenswerter und spannender Krimi vor atmosphärischer Kulisse gelungen. (E.B.)

Yulia Marfutova – Eine Chance ist ein höchstens spatzengroßer Vogel
Rowohlt, 22 €
Wir glauben, unsere Eltern zu kennen und wissen doch oft herzlich wenig über sie. Wie war ihre Kindheit, was hat sie bewegt und angetrieben? Wer die Geschichte seiner Familie erforscht, stößt immer wieder auf Lücken und Ungereimtheiten. Warum dann nicht gleich auf unzuverlässige Erzähler setzen, wie Yulia Marfutova es mit einem erstaunlichen und phantasievollen Kniff tut? Sie macht eine Schar von Mäusen zu Chronisten. Nahezu allgegenwärtige Zeugen, die nun ihre Beobachtungen – oft bruchstückhaft und konfus – an Marinas Töchter weitergeben.
Die versuchen nämlich die Geschichte ihrer Mutter zu rekonstruieren, die in der Sowjetunion aufgewachsen ist und davon träumt, die unwahrscheinliche Chance auf ein anderes Leben in einem anderen Land zu ergreifen. Dass die selbst in Moskau geborene Autorin weiß, worüber sie schreibt, schimmert in der bewegenden russisch-jüdischen Familiengeschichte immer wieder durch. (S.G.)
Jane Gardam – Tage auf dem Land
Hanser, 24 €
Mit ihrer verbohrten Schüchternheit steht sie sich oft selbst im Weg. Sie hält sich für dumm und hässlich und hat keine Ahnung, dass es Menschen gibt, die das ganz anders sehen. Weise und komisch erzählt Bestseller-Autorin Jane Gardam über die Grausamkeiten der Adoleszenz. Im Mittelpunkt steht Marigold Green, die allein durch die äußeren Umstände die geborene Außenseiterin ist: Sie wächst ohne Mutter und ohne Freunde im Jungeninternat auf, dem ihr schweigsamer Vater vorsteht. Als ihre einzige Kindheitsfreundin zurückkehrt, scheint sich das Blatt zu wenden. Doch die umwerfend schöne und rätselhafte Grace entpuppt sich als höchst zweischneidiges „Geschenk“. (S.G.)


Simon Beckett – Knochenkälte
Wunderlich, 26 €
Ein von der Welt vergessenes Dorf, ein furchtbarer Wintersturm und ein Fund, der selbst hartgesottene Ermittler erschaudern lässt: Im siebten David-Hunter-Fall beweist Simon Beckett erneut, warum er zur ersten Riege der Krimi-Autoren gehört. Forensiker Dr. Hunter strandet unfreiwillig im kleinen Edendale in den Cumbrian Mountains – und stößt in einem unheimlichen Wald auf ein Skelett, das von den Wurzeln einer umgestürzten Fichte wie in einer erstarrten Umarmung umschlossen wird. Ein klarer Fall für David. Doch statt Unterstützung stößt er im Dorf auf Schweigen und unverhohlene Feindseligkeit der Bewohner.
Als der Sturm jeglichen Kontakt zur Außenwelt kappt, wird klar: Hunter ist auf sich allein gestellt und stößt auf weitere dunkle Geheimnisse. Beckett ist wieder ein Thriller der Extraklasse gelungen – Hochspannung von der ersten bis zur letzten Seite. (E.B.)
Jussi Adler Olsen, Line Holm und Stine Bolther
Tote Seelen singen nicht
Ganz ehrlich: Ich war sehr skeptisch, als ich las, dass sich Jussi Adler Olsen Unterstützung von zwei Autorinnen geholt hat, um die Reihe um das Sonderdezernat Q fortzuführen. Zu viele Köche verderben den Brei – so dachte ich. Aber weit gefehlt. Line Holm und Stine Bolther haben der erfolgreichen Reihe eine großartige Frischzellenkur verpasst, die Charaktere liebevoll und vor allem glaubhaft weiterentwickelt. Das ist ganz großes Kino und macht neugierig auf hoffentlich viele weitere Bände in dieser kreativen Dreier-Konstellation. Und darum geht’s:

Nachdem Carl Mørck ein Jahr lang unschuldig im Gefängnis verbracht hatte, quittiert er den Dienst im Sonderdezernat Q. Als Nachfolgerin taucht die toughe, geheimnisvolle Französin Helena Henry aus Lyon im Keller der Kopenhagener Polizei auf und legt die Füße auf Carls Tisch. Rose hasst die neue Kollegin vom ersten Augenblick an, Assad ist einigermaßen verwirrt von dieser faszinierenden Frau. Dass Helena ein dunkles Geheimnis mit sich herumträgt, macht es nicht leichter, ihr als neuer Kollegin zu trauen. Doch eine grausame Mordserie lässt keinen Raum für solche Überlegungen. Das Team muss handeln, und zwar schnell, denn das Motiv des Mörders liegt weit zurück in der Vergangenheit. Und es ist stark. Und ausgerechnet Carl liefert dem Team die erste heiße Spur – die Jahrzehnte zurückführt, in ein Sängerinternat, in dem Entsetzliches geschehen ist. (E.B.)

Ernie Reinhardt – Waren Sie nicht mal Lilo Wanders
Goldmann, 20 €
Pünktlich zu seinem 70. Geburtstag blickt Ernie Reinhardt auf sein Leben zurück, auf das Aufwachsen in der niedersächsischen Provinz in den 1950ern, auf die Suche nach der sexuellen Identität als junger Mann in Hamburg, auf die Karriere als Bühnenkünstler und schließlich auch auf die Erschaffung von Lilo Wanders, die sich in das kollektive Gedächtnis einer ganzen Generation einbrannte.
Seine Lebensgeschichte ist von Höhen und Tiefen gekennzeichnet. Mal urkomisch, aber auch tieftraurig. Ernie Reinhardt erzählt mit entwaffnender Offenheit, wie er vom schüchternen Jungen zur schillernden Diva wurde, warum er sich die meiste Zeit seines Lebens in die zweite Reihe gestellt hat, und wie er es geschafft hat, nach jedem Tiefschlag wieder auf die Beine zu kommen – auch dank seines Publikums. Er schreibt über Selbstzweifel und Euphorie, Erfolge und Krisen. Mit feinem Gespür zeigt er, wie Befreiung, Kunst und Verletzlichkeit zusammengehören. Entstanden ist ein kluges, warmherziges Buch, das nicht nur Fans von Lilo Wanders berührt, sondern auch ein Stück deutscher Kulturgeschichte lebendig macht. (E.B.)
Kim Faber & Janni Pedersen – Eisland
blanvalet, 18 €
Ein verurteilter Kindermörder wird entlassen. Die Ermittler Juncker und Kristiansen können es nicht fassen. Haben sie vor sieben Jahren tatsächlich den Falschen erwischt? Der Justizirrtum schlägt hohe Wellen. Der Fall wird neu aufgerollt, schließlich ist der Mörder eines elfjährigen Jungen noch immer auf freiem Fuß. Entgegen der Anweisung von oben versucht Juncker, Beweise für die Schuld des gerade Freigesprochenen zu finden. Dabei handelt er sich eine Menge Ärger ein. Indizien für den Mord findet er nicht, doch dafür stößt er auf ein monströses Verbrechen. Parallel beschäftigt sich die Polizei mit dem Verschwinden eines Staatsanwalts und zwei rätselhaften Haaren auf einer Leiche.

Kim Faber & Janni Pedersen verstehen ihr Handwerk. Mit Eisland liefern sie einen hochspannenden Kriminalroman, der sehr geschickt die Grenzen der Moral auslotet. Eine Geschichte, die noch lange nachhallt. (E.B.)

Michael Robotham – Die weiße Krähe
Goldmann, 17 €
Auch der zweite Fall für Phil McCarthy hat es in sich. Als Tochter eines berüchtigten Kriminellen muss sich die junge Polizistin permanent beweisen, um sich den Respekt und das Vertrauen ihrer Kolleg:innen zu erkämpfen. Bei einem nächtlichen Einsatz findet sie ein allein auf der Straße im Schlafanzug umherirrendes Mädchen. Als Phil das Mädchen nach Hause bringt, eröffnet sich ein grausames Szenario. Die Mutter ist an einem Stuhl gefesselt und nicht mehr am Leben. Zeitgleich entdecken Phils Kollegen einen spektakulären Einbruch bei einem Juwelier. Der Besitzer sitzt buchstäblich auf einer Bombe, die bei der kleinsten Bewegung losgehen könnte.
Es handelt sich um den Vater des Mädchens. Phil wird in die Ermittlungen miteinbezogen. Schon bald beschleicht sie der unschöne Verdacht, dass ihre Familie mit dem Raub zu tun haben könnte. Michael Robotham ist bekannt für temporeiche Geschichten und überraschende Wendungen. Bei diesem düsteren Thriller hat er sich selbst übertroffen. Lesen! (E.B.)
Kate van der Borgh – Wenn die Masken fallen
Goldmann, 24 €
Ein Studium in Cambridge war sein größter Traum. Doch während den anderen die studentischen Riten und Rituale vertraut erscheinen, gehört der Ich-Erzähler mit seinem nordenglischen Akzent zu den Außenseitern. Er will unbedingt dazu gehören – zu der Clique um den charismatischen Bryn Cavendish. Will sich ebenso wenig um Regeln scheren und rauschhafte Partys feiern. Schließlich dreht sich sein komplettes Denken und Handeln nur noch um Bryn, seinem Fixstern. Doch wer diesem Stern zu nahe kommt, droht zu verglühen.

Ein intensiver Roman über die Obsession eines jungen Mannes, der leider durch den Fokus auf die Magie ausufert und für mein Empfinden nicht immer nachvollziehbar ist. Dennoch spannend zu lesen. (E.B.)

Joe Friel – High-Perfomance im Radsport
Covadonga, 26,80 €
Erfolgreich für Radrennen zu trainieren, ist herausfordernd, aber es muss nicht kompliziert sein. Joe Friel genießt weltweit enormes Ansehen als Ausdauersportexperte und ist Autor einiger der meistverkauften und -gelesenen Ratgeber zum Thema. Dieses Buch ist die umfassendste und aktuellste Zusammenfassung seiner Trainingsphilosophie und liefert Radsportlern eine Fülle bewährter Konzepte und spannender, teils überraschender neuer Ideen.
Joe Friel nimmt die Leserschaft an die Hand, um ein Trainingsprogramm zu entwerfen und umzusetzen, das die individuellen Wettkampfziele und Bedürfnisse berücksichtigt und zu Topleistungen in wichtigen Rennen führt.