Pünktlich zur Buch-Messe gibt es immer reichlich neuen Lesestoff. Wir haben uns im Blätterwald für Sie umgesehen.

C.K. McDonnell
This Charming Man

Eichborn, 22  €

Achtung! Dieses Buch sollten Sie nur lesen, wenn Ihre Lachmuskeln wirklich gut trainiert sind. Grandiose Dialoge und eine schräge Geschichte im Geiste des 1. Bands „The Stranger Times“ garantieren beste Unterhaltung. Worum geht’s? Ganz klar, Vampire gibt es nicht, weiß jeder. Und dennoch kommt es in Manchester zu ganz charakteristischen Todesfällen. Hannah und ihre Kollegen  bei der Stranger Times – alles sehr eigenwillige Persönlichkeiten –wittern eine ganz große Story und legen sich bei ihren Recherchen mit sehr bösen Mächten an. Dabei erhalten sie u. a.  Unterstützung von einem kauzigen Alten, der nur die Wahrheit sagen kann nebst seinem sprechenden Hund, die geimeinsam auf einem Hausboot leben. Und selbstverständlich legt sich die gottesfürchtige Sekretärin Grace auch wieder regelmäßig mit dem cholerischen Chefredakteur an, der vorsichtshalber sein Gewehr bereits mit Knoblauchmayonnaise geladen hat. Das alles ist zum Schreien komisch! Jeder Satz eine Attacke aufs Zwerchfell.

Yrsa Sigurdardóttir Schnee

btb, 17 €

Ein Rettungsteam ist im Norden Islands unterwegs, um vier Vermisste zu suchen. Der Winter ist hart; Dunkelheit und Schneestürme lassen nichts Gutes für das Schicksal der beiden befreundeten Pärchen aus der Reykavik erhoffen. Warum die Städter, die nicht als Outdoor-Enthusiasten bekannt sind, zu diesem waghalsigen Abenteuer aufbrachen, ist ungewiss. Währenddessen gehen an der einsam gelegenen Radarstation in Stokksnes seltsame Dinge vor sich. Bravourös erzählt die isländische Bestseller-Autorin die packende Geschichte einer Rettungsaktion aus verschiedenen Perspektiven, die sie gekonnt miteinander verbindet. Hier ist tatsächlich die Formulierung atmosphärisch dicht angebracht. Dicht wie ein isländisches Schneetreiben. Das ist beklemmend, aber so spannend, dass man diesen Thriller definitiv nicht zur Seite legen mag.

Sacha Naspini Nives

Kein & Aber, 23 Euro

Als sie nach dem Tod ihres Mannes die Einsamkeit nicht mehr erträgt, holt Nives ihr Lieblingshuhn ins Haus. Dessen Erkrankung führt zu einem Anruf beim Tierarzt Loriano und schon bald wird klar, dass Nives mehr mit ihm verbindet als eine berufliche Beziehung. Es beginnt ein nächtliches Gespräch voller Winkelzüge und unerwarteter Wendungen. Und ganz wie im echten Leben mäandert der Dialog von Nebensächlichkeiten zu großen Erkenntnissen. Mal angetrieben von Bitterkeit und Rachelust, mal von einer vergangenen Liebe. Und so nach und nach enthüllen sich in dem intimen Gespräch zwei Lebensgeschichten, die auch ganz anders hätten verlaufen können. Unterhaltsam, nachdenklich und immer wieder überraschend hält das Buch auch die Leser*innen“ eine ganze Nacht lang wach.

Sharon Bolton Beste Freunde

Goldmann, 11 €

Sie sind jung, clever, privilegiert und nach ihrem Schulabschluss erwartet sie eine Elite-Uni und eine glänzende Karriere. Sechs Freunde verbringen den Sommer vor dem College gemeinsam mit Partys und viel Alkohol. Aber sie sind grundgelangweilt und suchen den ultimativen Kick. Mit einer lebensgefährliche Mutprobe auf der Autobahn setzen sie alles aufs Spiel – und verlieren. Bei der sechsten und letzten Fahrt verwickeln sie einen anderen Verkehrsteilnehmer in einen tödlichen Unfall. Megan nimmt die  Schuld auf sich – und wird zu ihrem Entsetzen wegen dreifachen Mordes und nicht wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. 20 Jahre später kommt sie frei und fordert von jedem ihrer ehemaligen Freunde, die mittlerweile erfolgreich im Berufsleben stehen und zum Teil Familie und Kinder haben, ein Gefallen. Das war seinerzeit der Deal – und Megan weiß genau, womit sie die anderen treffen kann. Wie können sie Megan wieder loswerden? Sharon Bolton hat einen super spannenden Psycho-Thriller geschrieben, der mit einer ganzen Reihe von überraschenden Wendungen um die Ecke kommt. (E.B.)

Antti Tuomainen Das Elch-Paradoxon

Rowohlt, 18 €

Das Elch-Paradoxon macht da weiter, wo der Kaninchen-Faktor (Band 1) aufgehört hat. Witzig, spannend und kurios. Versicherungsmathematiker Henri Koskinen hat gerade sein Leben und den ererbten Abenteuerpark (nicht Vergnügungspark!) wieder in Ordnung gebracht, als ein Mann aus seiner Vergangenheit auftaucht und alles auf den Kopf stellt. Für Henri ein Albtraum, denn er ist ein Mann der Struktur, eine Rechnung mit zu vielen Unbekannten ist seine Sache nicht. Außerdem wird er auf höchst brutale Weise von einem ehemals loyalen Lieferanten, der Finnischen Spiele AG, erpresst. Und da wäre noch seine Beziehung zu Laura, die den Status „es ist kompliziert“ trägt. Ein mehr als unterhaltsames Lesevergnügen.

Matthias Matschke Falschgeld

Hoffmann und Campe, 24 €

In seinem autofiktionalen Roman erzählt Schauspieler Matthias Matschke von einer Kindheit und Jugend in der hessischen Provinz. Die Geschichte beginnt mit einem Sturz vom Apfelbaum – der folgenlos bleibt – und endet mit einem Blick in die Sterne. Der Protagonist, den der Autor Matthias Matschke nennt, hat im Grunde eine ereignislose und recht trübe Kindheit. Der Vater ist Pfarrer, sehr streitbar und die Mutter arbeitet beim Fernmeldewesen. Die Eltern trennen strikt „innere“ und „äußere“ Welt, bleiben gern für sich, und wenn sie Besuch haben, verhalten sie sich wie Gäste im eigenen Haus. Matschke erzählt von Schulkollegen, von Spielen auf den Commodore und von der ersten Liebe. Als sein Vater am Abend des Mauerfalls 1989 einen Schlaganfall erleidet, ändert sich für den Heranwachsenden alles. Es ist eine bedrückend-düstere Coming-of-Age-Geschichte, die im Gedächtnis bleibt.

Elisabeth Herrmann Düstersee

Goldmann, 11 €

Ein neuer Fall für Joachim Vernau. Es ist eine Urlaubseinladung mit Geschmäckle. Der machtbewusste Christian Steinhoff will Präsident der Berliner Anwaltskammer werden. Dazu braucht er jede Stimme. Und so lädt er die halbe Berliner Anwaltschaft in seine Villa in der Uckermark ein, wo er zudem als Galionsfigur einer neuen Freiheitsbewegung Seminare abhält. Vernau nimmt die Einladung an, zwei Wochen in Steinhoffs Bootshaus Urlaub zu machen – sehr zum Ärger von seiner Kanzleipartnerin Marie-Luise. Am Morgen nach der Party entdeckt Vernau  Steinhoffs leblosen Körper auf einer Bank am See. Als wenig später im Dorf eine Frau ermordet wird und ausgerechnet die Freundin seiner Mutter unter Verdacht gerät, wird es für Vernau persönlich. Zumal seine Mutter nun auch in der Uckermark auftaucht. Wie hängt das alles zusammen? Nach einigen raffinierten Volten löst Elisabeth Herrmann den Fall gekonnt auf, verbindet alle losen Enden zu einem stimmigen Ende. Lesen!

Marie Hermanson Die Pestinsel

Insel Verlag, 16,95 €

Göteborg, 1925: Kommissar Nils Gunnarson wird zum Fluss gerufen, ein Mann wurde stranguliert. Die Todesumstände decken sich in erstaunlichen Details mit einem Krimi, den Nils gelesen hat. Er macht sich auf die Suche nach dem Autor. Selbst der Verleger weiß nicht, um wen es sich handelt. Deshalb nimmt der junge Kommissar Kontakt zu Doktor Kronborg auf, der die Belange des unbekannten Krimi-Autors vertritt. Zugleich ist der Doktor zuständig für die medizinische Versorgung der Bewohner der ehemaligen Quarantäneinsel Bronsholmen, die „Pestinsel“ genannt wird und die nur einem einzigen Zweck dient: den Mörder Arnold Hoffmann zu beherbergen. Nils will sich davon überzeugen, dass Hoffmann tatsächlich sicher hinter Schloss und Riegel sitzt und damit als Täter für den aktuellen Mord ausgeschlossen werden kann. Bei einem Besuch auf Bronsholmen scheint alles seine Richtigkeit zu haben, aber Nils wird seine Zweifel nicht los. Also wird die Reporterin Ellen Grönblad inkognito als Hausmädchen eingeschleust. Ein Auftrag, der sie bald schon in höchste Gefahr geraten lässt …

„Die Pestinsel“ ist ein Kriminalroman, der langsam beginnt, aber dafür umso mehr Fahrt aufnimmt. Mit Kommissar Nils Gunnarson und der Reporterin Ellen Grönblad – bereits bekannt aus „Der Sommer, in dem Einsstein verschwand“ –  hat Marie Hermanson zwei liebenswerte Charaktere geschaffen, von denen man gern mehr lesen möchte.

Andrea Abreu So forsch, so furchtlos

Kiepenheuer & Witsch, € 20

Manchmal braucht die Lektüre nur ganz wenige Seiten und man ist schon drin im Sog einer ganz besonderen Sprache. Andrea Abreu erzählt temporeich eine Geschichte von zwei pubertierenden Mädchen, die in einem Bergdorf auf Teneriffa in einfachsten Verhältnissen leben. Sie sehnen sich danach, aus der bergigen Einöde mal hinunter ans Meer zu kommen. Doch der Weg ist weit und niemand nimmt sie mit. Wie die Ich-Erzählerin und ihre bemerkenswerte Freundin, die dickliche Isora, versuchen, die tödliche Langeweile zu bekämpfen, wie sie zwischen Spielen mit Barbie-Puppen, erwachender Sexualität und purem Lebenshunger ihren Weg machen, das liest sich wie im Rausch. Die sinnliche Geschichte einer speziellen Freundschaft, die an einem tragischen  Schicksal zerschellt. Umwerfend. (H.O.)

Katie Kitamura Intimitäten

Hanser, € 24

Die Protagonistin, eine etwas heimatlos umherirrende Dolmetscherin, kommt zum Internationalen Gerichtshof nach Den Haag. Nach kurzer Zeit soll sie für einen afrikanischen Despoten übersetzen, der sich wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten muss. Irgendwie nimmt dieser Kriegsverbrecher sie besonders wahr, er schaut sie öfters an. Privat ist die Situation ebenso undurchsichtig. Adriaan, der Mann, den sie liebt, verschwindet kurzfristig nach Lissabon und lässt nichts mehr von sich hören. Daraus hätte man etwas machen können. Doch Katie Kitamura verschenkt den Plot, sie bauscht zufällige Begebenheiten zu Unheimlichkeiten auf, der Prozess verläppert sich bis zum Freispruch und das mühsam angeklebte Happy End wirkt auch wenig überzeugend. (H.O.)