Ausstellungen 2021

Was für ein denkwürdiger Einstieg. Kaum hatte Christina Végh (siehe Bild links) im vergangenen Frühjahr ihre Stelle als neue Direktorin der Kunsthalle angetreten, kam der erste Lockdown. Und nur drei Wochen, nachdem sie ihre erste eigene Ausstellung eröffnet hatte, mussten die Kultureinrichtungen wieder schließen. „Aber wir machen keine Projekte, um sie vor verschlossenen Türen zu bewundern“, unterstreicht die sympathische Schweizerin. „Die Pandemie hat eine Kaskade von organisationstechnischen Fragestellungen mit sich gebracht. Durch zahlreiche Veränderungen haben wir das große Glück, das Programm halten zu können.“ Wie das konkret aussieht, stellte Christina Végh gemeinsam mit ihrem Team jetzt im Rahmen einer virtuellen PK vor.

„Die Politik hat Zeichen gesendet, dass die Museen eher vorne stehen, wenn es wieder Öffnungen gibt“, so die Kunsthallen-Direktorin. Dann hätten drei bereits im Oktober gestartete Ausstellungen doch noch Chancen auf ganz reale Besucher*innen. Sowohl „Monica Bonvicini. Lover’s Material“ (siehe Bild unten) als auch „Raum, Zeit, Architektur, Gender. Blick in die Sammlung #1“ und „Jeremy Deller. Wir haben die Schnauze voll“ werden bis zum 30.5. verlängert.

So oder so sichtbar ist der leere Sockel vor der Kunsthalle. Seit 1968 stand die Skulptur „Der Denker“ von Auguste Rodin unbewegt neben dem Eingang. Am 23. November 2020 hat sie erstmals ihren Platz verlassen und ist als Leihgabe in die Fondation Beyeler gereist. Die Kunsthalle nutzt diese Leerstelle bis zur Rückkehr der Bronzefigur im November 2021, um Fragen zu stellen, die rund um das Thema des Sockels in der Kunst kreisen. Geplant sind künstlerische Projekte und Gespräche. „Der leere Sockel soll dazu dienen, den Fokus auf Kunst im öffentlichen Raum zu richten“, erklärt Kuratorin Linda Walther. Geplant sind unter dem Titel „Wessen Denkmal? Wer steht auf dem Sockel?“ etwa ein Künstlergespräch mit Jeff Wall (17.3., 18 Uhr), ein Rundgang durch den Skulpturenpark (28.4., 18 Uhr), aber auch kreative und spielerische Aktionen für die ganze Familie.

Jacoba van Heemskerck

Statt wie geplant im März (siehe BIELEFELDER 1/21) eröffnet die Ausstellung „Jacoba van Heemskerck. Kompromisslos modern“ jetzt am 19.6. Die Kunsthalle Bielefeld präsentiert in Kooperation mit dem Kunstmuseum Den Haag und den Museen Stade die erste Einzelausstellung der niederländischen Künstlerin (1876-1923) in Deutschland seit fast vierzig Jahren. Jacoba van Heemskerck hat in weniger als zwei Jahrzehnten ein kraftvolles OEuvre geschaffen, das Gemälde, Holzschnitte und Glasarbeiten umfasst. Rhythmische Kompositionen des Bildraums, schwarze Umrisslinien und ein intensiver Farbeinsatz prägen ihre expressiven Landschafts, Stadt und Hafenmotive. Nach ihren künstlerischen Anfängen in den Niederlanden, u. a. im Umfeld des Malers Piet Mondrian, gehörte sie von 1913 bis 1923 zur avantgardistischen Bewegung des „Sturm“ von Herwarth Walden in Berlin. Der namhafte Galerist und Verleger machte auch Künstler*innen wie Franz Marc, Wassily Kandinsky, Gabriele Münter oder Alexej Jawlensky bekannt. Kunst war für van Heemskerck nicht nur Ausdruck subjektiver Empfindung, sondern auch ein Weg der Erkenntnis, vor allem über die elementare Wirkung von Licht und Farbe auf die Betrachter*innen. Die Leuchtkraft und zunehmende Transparenz ihrer Werke machen dies deutlich.

Wir waren im Sturm

Parallel dazu wirft die Kunsthalle in der ersten Etage unter dem Motto „Wir waren im Sturm“ einen Blick in die eigene Sammlung, u. a. mit Werken von Heinrich Campendonk, Marc Chagall, Robert und Sonia Delaunay, Paul Klee, August Macke und Gabriele Münter. Dabei entstehen zuvor nicht gesehene Zusammenstellungen und Nachbarschaften, die neue und überraschende Aspekte der vermeintlich bekannten Kunstwerke zum Vorschein bringen. Generell möchte Christina Végh den Blick häufiger auf die eigene Sammlung lenken. Ein Umdenken, das derzeit viele Museen vollziehen und das nicht zuletzt mit dem Thema Nachhaltigkeit zu tun hat. Schließlich verschlingt es Ressourcen, wenn Kunstwerke um die halbe Welt reisen.

Miteinander Gegenüber

Zu neuen Erkenntnissen führt vielleicht auch „Konstantin Grcic ⎮ Jorge Pardo. Das Museum, ein Stuhl, eine Lampe“. Die Reihe „miteinander gegenüber“ stellt Kunstwerke verschiedener Epochen, Formate, Stile und Inhalte unter einer thematischen Fragestellung einander gegenüber. Im Frühjahr 2021 fällt die Auswahl auf zwei Werke, die mit den Grenzen von Kunst und Design umgehen und damit auch die Frage nach der definierenden Macht ihres Kontextes aufwerfen: ein Stuhl und eine Lampe, die in einem Kunstmuseum präsentiert werden? Der Designklassiker „Chair_ONE“ von Konstantin Grcic befindet sich seit 2016 in der Variante mit Betonfuß in der Sammlung der Kunsthalle Bielefeld. Er wird in einer dazu entworfenen Rahmenkonstruktion gezeigt. Auch Jorge Pardo arbeitet in seinem künstlerischen Werk mit der Figur der Rahmung. Seine Werke, die in Form von Lampen, Stühlen oder anderen Gegenständen gemeinhin eine Gebrauchsfunktion suggerieren, dringen offensiv in den Bereich von Architektur und Design vor. Die spezifische Betrachtungsweise, die in Kunstraum und Museum praktiziert wird, nutzen Konstantin Grcic als Industriedesigner wie auch Jorge Pardo als bildender Künstler auf unterschiedliche Weise für ihre Arbeiten, die umgekehrt unseren Blick auf die Kunsthalle und ihre Architektur von innen wie außen schärfen. Ein Videogespräch zwischen Jorge Pardo und Konstantin Grcic, moderiert von Christina Végh, ist in Planung.

Ebenfalls ab dem 19.6. stellt sich John Miller unter dem Titel „Öffentlichkeit / Gegenöffentlichkeit“ der Frage nach dem mediatisierten Bild und dessen normativer Wirksamkeit auf die Wahrnehmung von „Welt“ oder „Realität“.

Im Herbst startet schließlich die Ausstellung „Köpfe, Küsse, Kämpfe. Nicole Eisenmann und die Modernen“. Nicole Eisenmans (*1965, lebt in New York) Werk besticht durch seine Faszination für die Conditio humana, Fragen nach zwischenmenschlicher Interaktion und die präzise Beobachtung zivilisatorischer Entfremdungsprozesse. In ihrem zeichnerischen, malerischen und skulpturalen Werk verbindet die Künstlerin Elemente aus popkulturellen Zusammenhängen (politische Satire, Comic) mit tradierten kunsthistorischen Referenzen zu einer neuen Einheit.

„Beuys war nie in Bielefeld?!“ heißt es parallel dazu ab dem 9.10. Im Beuys-Jubiläumsjahr wirft die Kunsthalle einen Blick auf die Bäume, die direkt vor dem Eingang stehen. Sie wurden im Jahr 1985 im Kontext der legendären Aktion „7000 Eichen“ des Ausnahmekünstlers Joseph Beuys gepflanzt, der im Mai 2021 seinen 100. Geburtstag begehen würde. Wie genau kam es zu dieser Pflanzung? Warum wurden für Bielefeld Linden statt Eichen gewählt? Was haben Andy Warhol und Robert Rauschenberg damit zu tun? Und warum ist die Aktion heute aktueller denn je? Spannende Fragen im Rahmen eines abwechslungsreichen Programms, das hoffentlich nicht nur virtuell stattfinden kann.

www.kunsthalle-bielefeld.de

Termine auf einen Blick:

19.6-.5.9. 2021

Jacoba van Heemskerck: Kompromisslos modern

Wir waren im Sturm Blick in die Sammlung #2

John Miller Öffentlichkeit / Gegenöffentlichkeit

Konstantin Grcic Jorge Pardo Das Museum, ein Stuhl, eine Lampe miteinander gegenüber #2

9.10.2021-9.1.2022

Köpfe, Küsse, Kämpfe. Nicole Eisenman und die Modernen

„Beuys war nie in Bielefeld?!“

Vorschau

3.6.-4.10.2022

Following Water⎮Dem Wasser folgen