Er hat sich geirrt. Und ist glücklich darüber. Seit letztem Frühjahr ist Lucean Barros-Hemfort Stipendiat der START-Stiftung. „Ich hatte nicht erwartet, dass ich genommen werde“, erzählt der 16-Jährige, der jetzt die 11. Klasse des Oberstufenkollegs besucht. Er ist damit einer von 19 Jugendlichen aus Nordrhein-Westfalen, die für den neuen Stipendien-Jahrgang ausgewählt wurden

Lucean Barros-Hemfort

Bundesweit sind es rund 190 junge Menschen, die in das dreijährige Bildungsstipendium der START -Stiftung aufgenommen wurden. Lucean Barros-Hemfort erfuhr durch Lehrer, aber auch Schulfreunde, die sich bewerben wollten, von dem Programm. „Sie haben mich angesprochen. Vorher hatte ich von der Start-Stiftung noch nichts gehört und wusste nicht, dass man darüber ein Bildungsstipendium erhalten kann“, erzählt der junge Bielefelder, dessen Vater aus Chile stammt und dort zurzeit der Militärdiktatur aufwuchs. Die Geschichte seines Vaters, der vor mittlerweile 28 Jahren sein Heimat verließ und der Liebe wegen in Bielefeld blieb, war und ist auch für den 16-Jährigen prägend. „Die Geschichte meines Vaters definiert auch mich. Aber die Bewerbung habe ich speziell für mich gemacht.“

Ein schriftliches Motivationsschreiben stand am Anfang des anspruchsvollen, zweistufigen Auswahlprozesses. Ebenso wie ein Empfehlungsschreiben. Das Motivationsschreiben hat er als echte Herausforderung empfunden, denn am Ende der 10. Klasse standen zahlreiche Abschlussklausuren an. „Und mit einer Seite ist man ja nicht fertig. Man schreibt über sich, was man macht, was man verändern möchte und wo man sich engagiert“, erzählt Lucean Barros-Hemfort, dessen Leidenschaft dem Sport gehört. Wasser ist sein Element. Drei Mal in der Woche ist er beim Schwimmtraining. Außerdem engagiert er sich bei den Naturfreunden Bielefeld. Demnächst macht er den Betreuerschein. „Ich mache gern etwas mit Kindern“, so der 16-Jährige, der auch den schriftlichen Test, bei dem logisches Denken gefragt war, erfolgreich absolvierte und anschließend zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen wurde. Es fand durch Corona nicht wie sonst üblich persönlich, sondern online statt. „Ich habe mich gefreut, war aber auch total überrascht. Das Gespräch selbst war sehr nett“, betont Lucean Barros-Hemfort, der die Jury mit seinen Ideen und Visionen überzeugte. „Es geht im Grunde um die eigene Einstellung und Haltung zu Menschen.“

Bildungsstipendium

Seit 20 Jahren fördert die START-Stiftung herausragende Schüler*innen mit Einwanderungsgeschichte aus Nordrhein-Westfalen mit einem dreijährigen Bildungs- und Engagementprogramm. Die Integration dieser Jugendlichen zu fördern und ihnen eine Chance auf eine akademische Bildung zu ermöglichen, ist das Ziel. Seit 2003 haben bislang 833 Jugendliche aus Nordrhein Westfalen am Bildungsund Engagementprogramm teilgenommen, das sich auf das Empowerment der Geförderten und ihren gesellschaftlichen Gestaltungswillen konzentriert. Zahlreiche Workshops zu gesellschaftlich relevanten Themen, erlebnispädagogische Angebote und ein digitaler Campus begleiten sie auf ihrem Weg. Am Ende des Programms steht möglichst ein eigenes gemeinnütziges Projekt, das jede und jeder Jugendliche selbst entwickelt und umgesetzt hat. Zusätzlich erhalten alle Stipendiatinnen und Stipendiaten jährlich 1.000 Euro Bildungsgeld. In NRW wird das Programm der
START-Stiftung in Kooperation mit dem Schulministerium des Landes durchgeführt, auch das Integrationsministerium ist beteiligt.
www.start-stiftung.de

Lucean Barros-Hemfort möchte etwas verändern. Der offene Umgang im Oberstufenkolleg und der Laborschule, wo er seine ersten Schuljahre verbrachte, bestärken ihn in seiner Haltung, dass sich Menschen mehr aufeinander zu statt voneinander weg bewegen sollten. „Wir können viel von anderen lernen“, ist er überzeugt. In punkto Schule wünscht er sich allerdings mehr Entwicklung und sieht Digitalisierung als Chance für selbstständiges Lernen. Philosophie und Biologie gehören in der Schule zu seinen Favoriten. „Es macht mir Spaß, andere dafür zu begeistern und Vorträge zu halten“, erzählt er. Der Austausch mit anderen ist es, was ihn auch am Bildungsstipendium begeistert.

„Ich will!“ und „Hand in Hand“

Die Wolfgang und Regina Böllhoff Stiftung fördert die Erziehung und die Aus- und Weiterbildung von besonders begabten jungen Menschen im Alter zwischen 4 und 28 Jahren. Der Stiftungszweck wird aktuell durch die Programme umgesetzt. „Ich will!“ wendet sich an Jugendliche der 8. bis 10. Klasse, die durch ihr Verhalten und ihre Leistungen zeigen, dass sie ihren schulischen und persönlichen Lebensweg erfolgreich und aktiv gestalten wollen. „Hand in Hand“ reicht jungen berufsschulpflichtigen Flüchtlingen, die sich in ihrer neuen Umgebung integrieren möchten, die fördernde „Hand“ von Pat*innen.
www.boellhoff-stiftung.de

„Während der Workshops trifft man auf andere, die motiviert, engagiert und weltoffen auch aktiv Gesellschaft gestalten wollen. Es ist ein großes Netzwerk mit sozial eingestellten Menschen, wo man Hilfe und Unterstützung erhält. Das ist das wirklich Wertvolle, neben dem finanziellen Aspekt.“ Bislang hat er an allen angebotenen Workshops und Seminaren teilgenommen, die mit Themen wie nachhaltige Agrarwirtschaft oder Coaching auch die Grundlage für sich anschließende Diskussionen bilden. „Es ist viel neuer Input, aber absolut spannend, miteinander in dieser großen Community zu diskutieren, sich auszutauschen, andere Meinungen zu verstehen und zu versuchen, Lösungsansätze zu entwickeln“, unterstreicht Lucean Barros-Hemfort den für ihn bedeutenden Mehrwert des Stipendiums. Ebenso wie die kulturelle Vielfalt und das soziale Miteinander der Jugendlichen, auf die er gestoßen ist. „Wir gehen alle aufeinander zu und es werden viele Freundschaften geknüpft. Jede und jeder von uns hat eine Einwanderungsgeschichte, viele sind nicht in Deutschland geboren, großartig thematisiert wird das nicht.

Aufwind für begabte Jugendliche

Die Bielefelder Bürgerstiftung, eine der ältesten Bürgerstiftungen in Deutschland, bringt Menschen zusammen, die für andere etwas bewegen wollen. Mit AUFWIND – dem Stipendium der Bielefelder Bürgerstiftung – unterstützt sie engagierte Bielefelder Jugendliche an Haupt-, Real- und Gesamtschulen sowie Gymnasien und Berufskollegs der Klassen 10 bis 13. Das Stipendium für begabte und sozial engagiert Schülerinnen umfasst ein breites Spektrum von außerschulischen Angeboten wie Workshops zu unterschiedlichen Themen, fördert zusätzliche Begabungen, umfasst ein Taschengeld sowie weitere finanzielle Unterstützung, die es den Stipendiatinnen ermöglicht, Sprachkurse zu besuchen oder teure
Bücher zu kaufen. Patinnen begleiten die Stipendiatinnen ideell. Bewerbungen für das Schuljahr 2023/24 können ab sofort bis zum 31.3.2023 eingereicht werden.

www.bielefelderbuergerstiftung.de

Nur im ersten Seminar haben wir uns mit einem Satz in unserer ‚Muttersprache‘ vorgestellt. Ich bin allerdings nicht zweisprachig groß geworden und lerne erst jetzt, nach dem Latinum, noch Spanisch.“ Denn irgendwann einmal möchte er nach Chile fliegen und seine Verwandtschaft besuchen.